Das mit der Wahl des Jugendworts des Jahres ist ja so ein Ding. Da wählt eine Jury aus eher älteren Menschen ein Wort, von dem sie glaubt, dass es bei den jungen Leuten total lit ist. Tatsächlich kommt dabei dann meistens ein Wort heraus, das von den Jugendlichen eher als unfly wahrgenommen wird.
Dass die Mischung aus vermeintlicher Seriosität und angeblich cooler Sprache eine unangenehme Kombination ist, merkt ihr an dem Absatz, den ihr gerade gelesen habt. Dem Langenscheidt-Verlag ist das aber offenbar egal. Im vergangenen Jahr war die Wahl zum Jugendwort des Jahres wegen der Übernahme durch den Klett-Verlag ausgefallen. Wirklich vermisst hat vermutlich keiner etwas. Nun hat man sich beim Verlag aus schwer nachvollziehbaren Gründen dazu entschlossen, die Wahl, die bei den meisten jungen Menschen Fremdscham und bei den älteren Unverständnis auslöst, wieder stattfinden zu lassen. Spitze!
Und natürlich wollte man das alles viel näher an den Jugendlichen gestalten, damit man sich nicht wieder den Vorwurf gefallen lassen musste, die kleine elitäre Verlagsgemeinschaft könne sich nicht in die Lebensweise der jungen Bevölkerung hineinversetzen. Also entschied man sich, die Jugendlichen erstmals selbst über das Wort abstimmen zu lassen. Welch revolutionärer Gedanke! Viel weiter wurde dann aber auch nicht gedacht – wie die Vorgeschichte der nun zur Wahl stehenden zehn Begriffe zeigt.
Bis zum 10. August hatte Langenscheidt Vorschläge für die Auswahl entgegengenommen. Es entbrannte ein regelrechter Internetkrieg über die Nominierung, was den Verlag schlussendlich in eine Zwickmühle brachte und nur im Fiasko enden konnte. Aber der Reihe nach: Die Community war sich relativ schnell über ihren Favoriten einig. Es sollte ein Wort werden, das völlig zurecht in der Kritik steht. Denn es diskriminiert Sexarbeiterinnen und ist frauenfeindlich und sowieso die uncoolste aller Beleidigungen: Hurensohn.
Langenscheidt entschied sich daraufhin, die Beleidigung nicht zur Wahl zuzulassen. Eine Sprecherin des Pons-Verlags, der Langenscheidt geschluckt hat, sagte der "Süddeutschen Zeitung": "Wir haben schon erwartet, dass viele Beleidigungen einreichen. Aber wir haben gedacht, dass es mehr unterschiedliche Beleidigungen wären." Übersetzen könnte man die Aussage auch so: "Können wir ja nichts dafür, wenn die Jugendlichen so unkreativ mit ihren Beleidigungen sind." Auf Instagram schrieb der Verlag dann, dass "Hurensohn" nicht zur Wahl zugelassen sei, da er "Begriffe dieser Kategorie nicht unterstützen" möchte.
Die Internet-Community feierte ihren Streich, beschwerte sich aber gleichzeitig über Zensur. Ein Shitstorm drohte aufzuziehen, und um die Lage nicht eskalieren zu lassen, ruderte der Verlag zurück. So schob Langenscheidt in seiner Instagram-Story ein paar beschwichtigende Posts hinterher, die wohl vermitteln sollten, dass man mit den Jugendlichen noch immer voll auf der Welle ist: So verkündete man feierlich, dass "Hurensohn" im Buch der Jugendsprache aufgenommen wird. Ja, was denn nun?
(lau)