Polizisten auf dem Berliner Kurfürstendamm am Samstag beim Großeinsatz.Bild: www.imago-images.de / Andreas Friedrichs
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Bei einem Großeinsatz in Berlin kontrollierten am Wochenende 1000 Polizeibeamte in der ganzen Stadt die Umsetzung der Corona-Maßnahmen in Restaurants, Bars, Parks, U-Bahnen und auf Flohmärkten. Ein Einsatz, den es in der Größenordnung so vorher noch nicht gegeben hatte und der zeigen sollte: Es ist uns wichtig, dass ihr die Regeln befolgt.
Über 500 Ordnungswidrigkeiten wurden dabei festgestellt, der Großteil, nämlich 364, alleine am Samstagabend. Für die Polizei ist die Kontrolle eine Mammutaufgabe, die mal auf mehr, mal auf weniger Verständnis stößt: Da gibt es Leute, die ihren Mund-Nase-Schutz beim Einkaufen vergessen, bierselige Feiernde, die gerade keine Lust haben über Abstandsregeln nachzudenken und überzeugte Verweigerer, die sich aus Prinzip nicht an die Maßnahmen halten wollen.
Michael Gassen ist Pressesprecher der Berliner Polizei und war selbst bei dem Großeinsatz dabei. Watson fragte ihn, welche Gruppe es der Polizei derzeit besonders schwer macht, ob Einsätze wie dieser in der Zukunft häufiger werden und ob es auch in den Reihen der Beamten schon Covid-19-Fälle gibt.
"Wir wollten damit ein bundesweites Zeichen setzen und klar sagen, dass uns die Einhaltung der Corona-Regeln wichtig ist"
watson: Sie waren selbst beim sogenannten "Großeinsatz gegen das Virus" dabei. Wie genau sah der aus?
Michael Gassen: Der Großeinsatz am Wochenende bestand aus jeweils 500 Landespolizisten und 500 Bundespolizisten, die am Samstag tagsüber und bis in die Nacht hinein in ganz Berlin im Einsatz waren, um die Infektionsschutzordnung durchzusetzen. Am Sonntag waren wir dann noch einmal mit 400 Einsatzkräften am Tag und 400 Kollegen am Abend zum selben Zweck unterwegs. Dabei haben wir die Berliner Kollegen eingesetzt, die auch sonst in den jeweiligen Bezirken gearbeitet hätten, bei der Bundespolizei kam es sicherlich auch zu Überstunden, die mussten ja extra anreisen. Das war ein wirklich großer Einsatz über einen langen Zeitraum, der immer noch ausgewertet wird. Wir wollten damit ein bundesweites Zeichen setzen und klar sagen, dass uns die Einhaltung der Corona-Regeln wichtig ist.
Also war das nur eine einmalige Sache?
Das kann man noch nicht sagen. Jetzt müssen wir erst einmal schauen, wie sich die Situation in Berlin weiterentwickelt. Haben wir weiterhin rasant steigende Neuinfektionszahlen? Wo kommt es in der Stadt zu Problemen? All das fließt in die Analysen mit ein, und dann wird geprüft, ob solche großangelegten Einsätze wiederholt werden.
"Im Nachtleben ist die Durchsetzung der Regeln am schwierigsten. Das ist einfach eine andere Szene, ein anderes Publikum, das da unterwegs ist"
Wie haben Sie denn die Leute beim Einsatz erlebt? Gab es viel Widerstand gegen die Durchsetzung der Regeln?
Man konnte gut erkennen, dass sich die Akzeptanz der Regeln mit den Tageszeiten änderte. Am Samstag waren wir tagsüber in den stark frequentierten Einkaufsstraßen und den öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs, und da hat sich der überwiegende Teil, also etwa 80 bis 90 Prozent, an die Maskenpflicht und Abstandsregeln gehalten. Wer doch von uns angesprochen wurde, reagierte zumeist sofort einsichtig. Das war alles kein Problem.
Im Nachtleben ist die Durchsetzung der Regeln am schwierigsten. Das ist einfach eine andere Szene, ein anderes Publikum, das da unterwegs ist. Natürlich sind die Leute dann gerade in Feierlaune und manchmal alkoholisiert, das spielt alles mit rein. Das Stimmungsbild war trotzdem in Ordnung, bei den Feiernden gab es größtenteils Einsicht. Wir kontrollierten insgesamt 51 Gaststätten, und es waren eher die Betreiber und Gastronomen, die negativ auffielen, zum Teil mussten wir sogar Einrichtungen schließen. Da muss man aber sagen: Wenn da fünfzig Leute im Restaurant sitzen und es hat sich nur einer in die Kontaktliste eingetragen, dann ist das einfach nachlässig vom Betreiber, das geht nicht – natürlich greifen wir dann ein.
Am Sonntag waren wir tagsüber vor allem in Parks und auch auf Flohmärkten, wie zum Beispiel am beliebten Mauerpark unterwegs, wo eine kleinere Menschenansammlung rund um Musikanten aufgelöst wurde, da gab es kaum Ärger. Insgesamt wurden allein am Sonntag bis 18 Uhr 47.355 Personen durch den Großeinsatz überprüft.
Sind solche Großeinsätze nötig, um die Arbeit aufzufangen, die im täglichen Dienst nicht mehr geleistet werden kann?
Nein. Die Durchsetzung des Infektionsschutzgesetzes ist prinzipiell Teil der täglichen Polizeiarbeit, und das ja nicht erst seit gestern. Wir versuchen, zwischendurch immer auch die Corona-Maßnahmen zu kontrollieren, vor allem in den Hotspots der Stadt. Wenn die Brennpunkt-Einheiten in Kreuzberg ein wenig Luft haben, werden solche Kontrollen zum Beispiel noch einmal extra im Dienstplan eingetragen. Das wird von uns je nach Bedarf und Kapazität in den täglichen Dienst eingebaut. Natürlich ist das Mehrarbeit, aber bislang klappt das noch gut.
Gerade erst warnte der Präsident der Bundespolizei vor Ausfällen der Beamten durch Covid-19-Erkrankungen. Teilen Sie diese Sorge in Bezug auf Ihre Berliner Kollegen?
Ja, natürlich! Wenn wir weiter so rasant steigende Infektionszahlen in der Stadt haben, dann betrifft das auch die Berliner Polizisten, das Virus macht vor der Polizei nicht Halt. Wir haben infizierte Kollegen und Kollegen in Quarantäne. Damit es nicht zu Personalausfällen kommt, tragen wir inzwischen auch auf dem Revier Mund-Nase-Schutz, sobald wir nicht mehr sitzen, folgen strengen Hygienekonzepte.
Wir müssen jetzt wirklich vorsichtig sein, denn noch können wir die Mehrarbeit und die Krankheitsausfälle durch Umstrukturierungen kompensieren. Aber langfristig müssen wir schauen, wie man die Teams so organisiert, dass in Zukunft nicht ganze Dienststellen ausfallen, wenn ein Covid-19-Fall auftritt. Der Schutz vor Ansteckungen ist für die Beamten also sehr wichtig. Innerhalb der Gebäude ist das alles noch gut umsetzbar, aber im Einsatz auf der Straße wird das schwierig – besonders wenn man beruflich nah mit Menschen zu tun hat, die bewusst gegen die Corona-Maßnahmen verzichten, Beamte zum Beispiel ohne Maske anpöbeln.
"Wir wurden bepöbelt und angegriffen, ein Beamter wurde in die Hand gebissen, 18 Kollegen wurden insgesamt verletzt – das ist schon sehr viel"
Wie einige der Corona-Maßnahmen-Gegner bei den Demonstrationen am Sonntag?
Ja. Die Arbeit mit Menschen, die überzeugt gegen die Corona-Regeln sind und sich nicht an sie halten, ist schwierig. Wir haben ja am Sonntag den Einsatz auf dem Alexanderplatz gehabt und die Demonstranten dort haben absichtlich auf Mund-Nase-Schutz und Abstände verzichtet, nahmen das Risiko einer Corona-Ansteckung ganz bewusst in Kauf. Da war natürlich von Anfang an klar, dass es schwierig wird, sie zur Vernunft zu rufen. Wir sind eingeschritten, aber wir wurden bepöbelt und angegriffen, ein Beamter wurde in die Hand gebissen, 18 Kollegen wurden insgesamt verletzt – das ist schon sehr viel.
Sind solche Auseinandersetzungen in Zukunft öfter zu erwarten?
Die Stimmung gegenüber der Polizei ist bei Verweigerern schon feindselig, vereinzelt erleben das Beamte jetzt auch mal so auf der Straße. Wir werden sehen, wie es weitergeht, das lässt sich schwer sagen. Die nächste Großlage könnte am Wochenende bei der nächsten Querdenken-Demo in Berlin entstehen. Ob da auch die Bundespolizei dabei sein wird, wird noch besprochen, das kommt ja auch immer darauf an, was in den anderen Bundesländern noch so los ist.