In deutschen Klassenzimmern bibbert es – und das nicht aus Angst vor der Matheklausur. Denn zu den altbekannten AHA-Regeln, kam inzwischen auch das + L hinzu und das steht für: Lüften, Lüften, Lüften – auch, wenn es draußen kalt wird. Auf Empfehlung des Umweltbundesamts haben sich die Kultusminister vor zwei Wochen darauf geeinigt, dass in deutschen Klassenzimmern nicht nur in den Pausen, sondern auch im Unterricht regelmäßig gelüftet werden soll.
Die offizielle Empfehlung lautet: Alle 20 Minuten sollen die Fenster bis zu fünf Minuten zum Stoßlüften auf. So soll die Viruskonzentration in der Luft verringert und damit der Verbreitung von Covid-19 vorgebeugt werden. Das klingt zwar logisch, sei in der Praxis aber eher nervig, melden sich jetzt die Schüler zu Wort. "Das ständige Lüften der Klassenräume stört den Unterricht massiv", erklärt der Landesschülerrat Mecklenburg-Vorpommern dazu öffentlich.
Im Gespräch mit watson erklärt uns die stellvertretende Vorsitzende, Josefine Birkholz: "Momentan ist es noch machbar und sinnvoll, aber spätestens bei Minustemperaturen wird es dann doch ungemütlich und man ist eher am Frieren als am Lernen."
Sie ist selbst Zwölftklässlerin und sagt, das Problem sei nicht nur die Kälte, sondern auch die ständige Unterbrechung der Konzentration. "Es gibt Lehrer, die sich wirklich einen Wecker stellen, der dann alle 20 Minuten klingelt und dann reißen sie die Fenster auf. Das funktioniert soweit ganz gut und ist auch vernünftig, aber es stört schon, wenn man in eine Klausur vertieft ist und dann dieser Wecker klingelt – weil man eben dann da rausgerissen wird."
Wie zuverlässig gelüftet würde, hinge zudem stark von den Lehrkräften ab. Einige würden das Lüften komplett ignorieren, die Schüler müssten selbstständig die Fenster öffnen, wieder andere Pädagogen meinten es zu gut und ließen die Fenster die ganze Zeit über auf: "Dann kann man sich als Schüler sicher sein, dass man kein Corona bekommt, dafür sitzt am nächsten Tag nur noch die Hälfte im Klassenzimmer, weil die andere erkältet zu Hause ist", berichtet sie weiter.
Außerdem hören sie aus anderen Schulen, dass in vielen Klassenzimmern die Fenster nur kippbar seien – in diesen Fällen ist Lüften also entweder nur unzureichend möglich oder es wird gar nicht mehr in diesen Räumen unterrichtet. "Das ist problematisch, weil wir gerade in Zeiten von Corona allen Platz brauchen, um die Abstandsregeln wahren zu können", so die Oberstufenschülerin.
Wie man es dreht und wendet: Das Lüften mag als Übergangslösung funktionieren, ist für die Schüler als Dauerkonstrukt aber nicht denkbar. Natürlich wäre das Stoßlüften momentan die beste Lösung, sagt auch Josefine, aber eben nichts, auf dem man sich angesichts steigender Infektionszahlen und sinkenden Temperaturen ausruhen könne. "Der Landesschülerrat fordert deshalb, dass geprüft wird, ob entsprechende Luftfilter in den Klassenräumen platziert werden können, da muss auf jeden Fall mehr kommen", so die 17-Jährige. Ausfälle durch massenhafte Erkältungen oder einen weiteren Lockdown wollen die Schüler nicht riskieren, gerade, weil ihnen in diesem Jahr schon genug Unterrichtsstoff verloren ging.
Das Umweltbundesamt sprach sich zuletzt dafür aus, dass alle Schulen mit Wärmetauschanlagen ausgestattet werden sollen. Bei solchen Lüftungsanlagen wird Frischluft von außen angesaugt und gleichzeitig durch die nach außen strömende Abluft erwärmt. Das Problem: Derartige Umbauten dauern lange und sind teuer. Bislang hat nur das Bundesland Bayern angekündigt, 37 Millionen Euro zum Kauf von Luftfilteranlagen und CO2-Ampeln an Schulen bereitzustellen. Allen anderen Schülern bleibt erstmal wohl nichts anderes übrig, als die Skiunterwäsche rauszuholen.
(jd)