Ladies Night. Wenn ich die Augen schließe, bin ich sofort wieder da. Abi-Zeit mit meinen Freundinnen, direkt an der Schlange vorbei, Stempel ohne Eintritt zu zahlen. Und drinnen gab es gratis Sekt. "Willkommen, Ladieeees!" Wir grinsten.
Die Läden hießen Nachtschicht, Nova oder Musikpark, es roch grundsätzlich nach Erdbeerlimes, der Boden klebte an den High Heels. Es lief kontaktfördernde Musik, R&B oder Charts, Kelis oder Jamelia. Direkt tanzen oder erstmal 'ne Runde die Lage sondieren? Mit dem Verzehrgutschein erst mal an die Bar. "Auf uns, Mädels!" Auf Ex.
Wir fanden das damals normal. Ladies Night. Freier Eintritt und Gratissekt. Meine Freundinnen und ich, wir haben keine Sekunde daran gedacht, dass diese Abende irgendwie nicht in Ordnung sein könnten.
Wir fühlten uns als "Ladies" umschmeichelt, wertvoll. Wertgeschätzt. Jung, hübsch und unterwegs.
Mit ein paar Jahren Abstand sehe ich das anders. Um "uns Ladies" ging es bei den Ladies Nights überhaupt nicht. Eine Ladies Night ist keine freundliche Einladung an alle Damen.
Sinn und Zweck des Ganzen: Mehr Frauen in den Laden zu holen. Mehr Frauen, mehr Flirtpotenzial. Mehr angetrunkene Frauen, noch mehr Flirtpotenzial.
Und mehr Umsatz durch die zahlende männliche Kundschaft.
Frauen sollen kommen, sie sollen in Scharen kommen und sie sollen viel trinken. Wer mit Gratissekt angeschickert wird, nimmt noch einen. Und noch einen. Und lässt sich den vierten dann auch von irgendwem bezahlen. Und wenn der fünfte im Kopf steht, dann ist es vielleicht auch in Ordnung, wenn der Typ, den man eigentlich gar nicht so interessant findet bei Kelis auf der Tanzfläche näher rückt.
Natürlich ist nichts gegen einen Abend mit Freunden einzuwenden, an dem man tanzen und feiern will, ja auch mit den fünf Gläsern Sekt, die man am nächsten Tag mit zwei Paracetamol bezahlen wird. Und nur weil ein Mann einer Frau einen Vodka-Redbull ausgibt, ist er noch lange kein Grapscher.
Aber die Systematik, die hinter der Ladies Nights steckt, dass Frauen nicht nur Männer anlocken sollen, sondern mit Alkohol vielleicht auch irgendwie freizügiger werden – das begünstigt zumindest eine Atmosphäre, in der Frauen weniger Gäste und mehr Werbeflächen sind.
Es findet ein Power Shift statt. Eine Machtverschiebung.
Wer sich einladen lässt, von dem wird erwartet, dass er die Regeln des Gastgebers mitspielt. Zumindest ein bisschen. Und diese Regeln stehen zwar nirgends geschrieben, aber die Flyer mit den halbnackten Frauen machen es klar: Hier geht es nicht um uns. Hier geht es um Männer. Um Männer, die sich anlocken lassen von Versprechen nach Frischfleisch und willigen, weil angetüdelten Frauen.
Ladies Nights gibt es immer noch. Überall. In Berlin. In Gießen. Auf dem Land. In Großraum-Diskos. In kleinen Bars. Im Rahmen von Abiwochen. Hatten wir damals vor dem Abi übrigens auch organisiert: Frauen kriegten Freibier und auf dem Flyer war ein kopfloses Modell im Bikini abgebildet. Wie gesagt, wir haben damals noch nicht viel nachgedacht.
Wenn ich daran denke, wie treudoof wir damals den Gratissekt gesüffelt haben und uns dabei auch noch irgendwie besonders vorkamen – ärgere ich mich.
Warum gibt es diese Veranstaltungen eigentlich immer noch?