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Berlin: Eine wirre Begegnung zeigte mir, wie wir unsere Leben ändern sollten

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Eine wirre Begegnung in Berlin zeigte mir, was wir in unserem Leben ändern sollten

14.04.2019, 07:5021.05.2019, 17:26
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Vor kurzem bin ich von München nach Berlin gezogen. Ich bin gefühlt einer der wenigen Menschen, der noch nicht seinen gesamten Bekanntschaftskreis in der Hauptstadt hat, also sind meine Sensoren jetzt natürlich besonders darauf gepolt, neue Menschen kennenzulernen.

So wie Gunnar zum Beispiel. Gunnar heißt eigentlich anders, aber in dieser Geschichte möchte ich ihn so nennen.

Spätabends in Berlin sprach mich ein Fremder an – mit Folgen

Gunnar habe ich kennengelernt, als ich vor ein paar Tagen abends durch den Prenzlauer Berg spazierte, nebenbei mit einer Freundin telefonierte und dann auf zwei Spiegel stieß, die an eine Hauswand angelehnt scheinbar auf mich warteten. Ich hatte noch keinen Spiegel. Also wollte ich einen der beiden mitnehmen.

"Hey! Nimm beide mit!", spricht mich plötzlich ein Mann mit schwarzer Käppi an.

"Nee, wieso? Ich brauch doch nur einen!", antworte ich.

Der Mann ist sehr zierlich und hat ein glattes Gesicht, muss aber deutlich älter sein als ich. Zwischen seinen Zähnen klaffen Lücken, wo wahrscheinlich mal andere Zähne saßen. Mit sprichwörtlicher Berliner Schnauze, an die ich mich wohl noch gewöhnen muss, sagt er: "Na, falls einer kaputt geht, nimmste halt beide. Aber wie du meinst – Dummheit bestraft das Leben."

Ich zucke mit den Schultern, klemme den Spiegel unter den Arm und will weitergehen. Da kommt der Mann auf mich zu und fängt an zu erzählen. Dass er Gunnar heiße. Dass er Tischler sei und sich auskenne. Dass er zu Hause alles allein mache. Dass er grundsätzlich mit den Füßen säge.

"Du musst starke Füße haben" – Gunnar war ernsthaft überrascht über das Kompliment

Ich stelle mir vor, wie der zierliche Gunnar mit hochkrempelter Hose und nackten Füßen ein Stück Holz bearbeitet und sage amüsiert: "Dann musst du aber starke Füße haben!"

Gunnar schaut mich überrascht an – alles Raue fällt von ihm ab. "Danke", sagt er ernsthaft überrascht.

In diesem Moment wirkt es so, als wäre dieser gar nicht so ernst gemeinte Spruch wohl das Netteste, was Gunnar seit langem gehört hatte: der Gunnar mit den starken Füßen, der deinen kaputten Schrank retten und dir erklären kann, wie viele Spiegel du zu Hause brauchst.

Der Fremde und ich unterhalten uns lange

Obwohl es schon auf Mitternacht zugeht, unterhalten Gunnar und ich uns noch weit über eine halbe Stunde – er erzählt mir von den Katzenbabys, um die er sich kümmert ("Nur eine Handvoll groß!"). Von seiner Kindheit, die anscheinend nicht so schön war, weil er in eine Pflegefamilie musste. Von der Frau, die er in einem Park kennenlernte, bei der zu Hause aber ein Mann abhob, als er anrief. Das fand er nicht gut.

Irgendwann muss ich gehen. Gunnar will mir nun zwei Tische schenken, die ich freundlich, aber bestimmt ablehne. Ich sage, dass ich jetzt noch meine Freundin zurückrufen muss – und Gunnar ruft mir winkend nach:

"Sag ihr, dass du in einer kalten Telefonzelle stehst!"

Das verstehe ich nicht, aber finde es irgendwie nett.

Nach dem Gespräch habe ich ein gutes Gefühl. Ich freue mich, einen Menschen aus meiner Nachbarschaft kennengelernt zu haben, den ich in meiner eigenen Blase aus Arbeit und Hipster-Freunden so vielleicht nicht getroffen hätte. Es ist ein kleiner Ausflug raus aus meiner eigenen Lebenswelt – und ich habe den Eindruck, jemandem einen Gefallen getan zu haben, weil ich ihm einfach mal eine halbe Stunde zugehört habe.

Ähnlich war es mit der Frau, die mich an einer Bushaltestelle ansprach und mir dann eine Stunde lang ihr Liebesleben darlegte: Sie hatte sich tragisch in ihren Chef verliebt – und der war auch immer so nett, wer könnte da widerstehen? Oder der Frau, der ich regelmäßig beim Gassi-Gehen mit meinem Hund begegnete – die dann jedes Mal das Tier streicheln wollte und sich dann überschwänglich bedankte.

All diese Begegnungen haben mir die Augen geöffnet – für meine Mitmenschen

Im Nachhinein glaube ich, dass all diese Begegnungen mir die Augen geöffnet haben – für meine Mitmenschen. Ein Gunnar ist dann plötzlich nicht nur der verrückte Typ, der mich volllabert – sondern ein Gesprächspartner. Jemand, der mir zeigt, wie es außerhalb meiner eigenen Welt zugeht. Jemand, der mir zeigt, wie wichtig es ist, einander einfach mal zuzuhören – anstatt eine grundsätzliche Feindlichkeit an den Tag zu legen à la: "Kenn ich nicht, mag ich nicht."

Natürlich gibt es auch Situationen, in denen ein Gespräch unangenehm und wirklich nicht angebracht ist – wenn mich der krude Typ an der Bar blöd anbaggert zum Beispiel. Und nachts allein in einer dunklen Gasse will man mit dem Fremden auch nicht unbedingt über's Wetter plaudern.

Aber in den meisten Fällen habe ich positive Erfahrungen gemacht, wenn ich mich einfach mal auf Gespräche eingelassen habe – und ich finde, das sollten wir alle häufiger tun.

In einer Gesellschaft, die gefühlt immer weiter auseinanderdriftet, in der sich die Nachbarn gegenseitig nicht mehr kennen, in der die da oben die da unten nicht mehr verstehen und die da unten glauben, die da oben beherrschen uns stumpf, ist ein ständiger Austausch im Alltag umso wichtiger.

Am Ende sind das auch alles nur Menschen, die oftmals nichts anderes wollen außer: reden. Mir ist jedenfalls aufgefallen, wie viel es gerade fremden Menschen bringen kann, wenn ich mir ein wenig Zeit für sie nehme. Und Kommunikation ist am Ende eine der vielen schönen Eigenschaften, die uns Menschen ausmachen.

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