Wer in Berlin eine Wohnung sucht, braucht neben Glück vor allem Durchhaltevermögen.Bild: Zoonar.com/Svyatoslav Lypynskyy / Svyatoslav Lypynskyy
Nah dran
Das sind die skurrilsten Erlebnisse der watson-Redakteure auf dem Berliner Wohnungsmarkt
25.10.2021, 11:2225.10.2021, 14:40
Die Wohnungssuche in Berlin ist zu einer der Erfahrungen geworden, auf die man gut und gerne verzichten kann: Horrende Ablösesummen für das billige Ikea-Mobiliar, unmoralische Angebote und utopische Mietpreise für kleine Bruchbuden. Auf dem Immobilienmarkt der Hauptstadt öffnen sich Abgründe, in die niemand reinschauen möchte. Wir haben es – wenn auch unfreiwillig – trotzdem getan und berichten von den skurrilsten Erlebnissen.
Leichen im Keller?
Als ich mich dafür entschieden habe, meine WG, bestehend aus einem sich gerade trennenden Pärchen, zu verlassen, war klar: Ich muss endlich alleine wohnen. Also habe ich ein Gesuch aufgegeben und wurde kurz darauf von einem Vermieter angerufen, der mich für eine Wohnungsbesichtigung am nächsten Tag einlud. Ohne Unterlagen, aber top motiviert, machte ich mich auf den Weg zur Besichtigung der Einzimmerwohnung in Neukölln.
37 Quadratmeter, 400 Euro warm, nah am Tempelhofer Feld gelegen – man fragt sich, wo ist der Haken? Als der Vermieter versuchte, die Tür zu öffnen, erübrigte sich diese Frage. Denn über dem Schlüsselloch war ein lila Sticker der Berliner Polizei geklebt. Der Grund: in der Wohnung war jemand gestorben. Wie es aber in der anonymen Großstadt nun mal so ist, hat das natürlich niemand bemerkt – zunächst. Denn mit der Zeit breitete sich ein bestimmter Geruch aus, der mir auch noch entgegenwehte, als mein Vermieter schließlich die Tür öffnete.
Long story short: Ich habe die erste Wohnung, die ich jemals besichtigt habe, auch bekommen und bin jetzt super glücklich dort. Mittlerweile wurde alles grundgereinigt, renoviert, mit neuen Erlebnissen und Erinnerungen gefüllt. Nur den Sticker an der Tür habe ich nicht entfernt – er erinnert mich jeden Tag an diese skurrile Besichtigung und daran, dass man eben nie weiß, was alles in der eigenen Wohnung passiert ist, bevor man dort eingezogen ist. Gruselfaktor garantiert.
Von Katzen und Kommunen
Berlin, 2013. Ich war 23 und suchte nach einem neuen WG-Zimmer in meiner Heimatstadt Berlin. Abgesehen von dem Mann aus Treptow mit dem Wunsch nach viel kollegialer Nacktheit in der Wohnung, der Frau, die einen Kampfhund hatte, der wohl manchmal zum Beißen neigte (nur, wenn man ihn zu direkt ansehe) und der Lady mit den zwei Katzen, der wichtig war, dass immer jemand im Haus sei, weil sie sonst Angst habe, die Wohnung könne abbrennen, gab es da noch den Typ in Lichtenberg.
Mit zunehmender Frustration sinken die Ansprüche.Bild: www.imago-images.de / imageBROKER/Siegra Asmoel
Die Wohnung lag leicht außerhalb des Rings und es wurde auch zunehmend ruhiger und unbelebter, umso mehr man sich dem Wohnhaus mit der Nummer 5 näherte. Ich klingelte. Ein Mann kam aus der zweiten Etage in den Flur, musterte mich ausgiebig, lächelte dann und öffnete mit einem Schlüssel aus seinem riesigen Bund die Tür zur Erdgeschosswohnung. Vom Flur gingen rechts drei Zimmer ab. Im ersten möblierten Zimmer war niemand, im zweiten saß ein schüchternes Mädchen auf dem Bett. Vielleicht 18 Jahre alt. "Das ist Natascha. Sie kommt aus Rumänien. Sie ist sehr nett." Das Mädchen nickt und lächelt. Im dritten Zimmer, mit Gittern vor den Fenstern, standen Tisch, Bett und Stuhl. Die müssten gegen 300 Euro übernommen werden.
"Ich lege viel Wert auf ein gutes Miteinander. Ich wohne in der Wohnung über euch Mädels und komme gern zu euch runter. Den Schlüssel zu der Wohnung habe ich, denn es ist ja auch meine. Na, hast du Lust, dich zu uns zu gesellen?" Ein schmieriges Lächeln in meine Richtung. Ich schaue nochmal zu den Gittern an den Fenstern. Ich überlege schnell, was strategisch klug ist, um hier lebend raus zu kommen und täusche Begeisterung vor. Hinterlasse falschen Namen und eine ungültige Handynummer und fange an, zu rennen, sobald ich das Haus verlassen habe.
Duschen in Küchen und ungeimpfte Mitbewohner
Ich muss direkt zugeben, dass ich nun mehr oder minder ein frustrierendes Jahr mit der Wohnungssuche in Berlin verbracht habe und fürs Erste wieder aufgegeben habe. Ich wohne seit 2008 in dieser schönen Stadt und in diesen Jahren ist es quasi unmöglich geworden, eine neue und vor allem bezahlbare Bleibe zu finden.
So stößt man auf der Suche nach den geeigneten vier Wänden schon mal auf ganz merkwürdige Forderungen und architektonische Highlights. In Berlin zahlt man beispielsweise offenbar mehr für eine Wohnung, wenn statt eines herkömmlichen Heizkörpers mit einem Kohleofen geheizt werden muss.
Duschen und gleichzeitig Spiegelei braten: In dieser Wohnung kein Problem.Bild: www.imago-images.de / Thomas Imo/photothek.net
Ähnlich unglaublich, aber wahr: Auch 2021 gibt es noch Berliner Wohnungen, die nicht mit einem eigenen Klo ausgestattet sind. Dieses muss man sich in manchen Gegenden in Kreuzberg mit seinen Nachbarn in der Zwischenetage teilen. Zu den absoluten Glanzmomenten der Immobilienbranche in der Hauptstadt zählen aber vor allem Duschkabinen, die in Küchen stehen. So spart man sich immerhin einen extra Raum für die Körperhygiene und sobald die Dusche wirklich direkt neben dem Herd steht (so mehrmals gesehen), hat man auch sein Nudelwasser oder seine Aufbackbrötchen beim Abbrausen immer im Blick.
Interessant wird es zudem jedes Mal, wenn eine Ablöse für die abstrusesten Dinge verlangt wird. So bekommen manche Vormieter nicht einmal rote Ohren, wenn sie ihre Holzdielen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion mit Wandfarbe angestrichen haben und für diese "Aufwertung" der Wohnung 500 Euro verlangen. Die möchtest du nicht zahlen? Dann wirf kurz einen Blick ins Treppenhaus, wo locker 200 Leute mit dir auf die Besichtigung warten, eine oder einer davon wird ganz sicher das Geld dafür lockermachen (und sich vermutlich darüber ärgern).
Aber auch auf Ebay Kleinanzeigen findet man die merkwürdigsten Annoncen. So wollte beispielsweise eine Userin gerne eine neue Mitbewohnerin in Treptow finden. Wichtigste Voraussetzung: Sie soll bitte bloß nicht geimpft (gegen alles oder nur Corona? Ging nicht ganz hervor) und auch nicht von irgendwelchen Mainstream-Medien beeinflusst worden sein. Wie schade, das Zimmer sah eigentlich ganz nett aus.
Kurz vorm Umzug in die neue Wohnung: Absage wegen Doppelvergabe
Für einen Job nach Berlin zu ziehen, fordert einen nicht nur karrieretechnisch heraus. Auch eine angenehme Bleibe zu finden, verdoppelt den Stress während der ersten Arbeitstage. Diese Situation kennen wohl viele Neu-Berliner: Untertags in den Job, neue Skills und Leute kennenlernen und abends, mit schwirrendem Kopf nach Hause, um dort die Wohnungsanzeigen zu wälzen. Die Besichtigungstermine sind dann meist auch noch mitten am Tag, sodass man nur auf das Verständnis vom Arbeitgeber für die sofort auftretenden Ausfälle hoffen kann.
Die Wohnungssuche in Berlin kann einen zur Verzweiflung treiben.Bild: iStockphoto / fizkes
Nachdem ich also zahlreiche Einzelwohnungen abgeklappert hatte – immerhin lernte ich auf diese Art die Stadt kennen – hatte ich endlich Glück. Eine kleine Einzelwohnung in Kreuzberg wurde mir zugesagt, die sogar noch einigermaßen finanzierbar war. Überglücklich sagte ich zu und bat meine Eltern, die als Bürgen wegen meines befristeten Arbeitsvertrags einspringen mussten, um die notwendigen Auskünfte. Und die hatten es in sich: nicht nur monatliche Kontoabrechnungen verlangte die Vermieterin, auch den Eintrag ins Grundbuch und noch einige andere, eigentlich illegale Auskünfte. Meine Eltern waren stinksauer, doch meine Verzweiflung bei der Wohnungssuche überzeugte sie dann doch und sie rückten mit den Daten raus.
So weit, so gut – bis ein paar Tage nach der Zusage der Maklerin der Anruf während der Arbeit kam, es hätte ein Missverständnis gegeben und ein anderer Makler hätte die Wohnung schon vergeben. Das saß. Meine Übergangswohnung lief in einer Woche ab, ich hatte ich schon den Umzug organisiert und meine Familie hatte sich komplett finanziell entblößt – für nichts! Ich war außer mir vor Wut und Entsetzen, aber ändern an der Situation konnte ich auch nichts. So landete ich am Ende in einer unglücklichen WG, dann in der nächsten und so weiter, bis ich schlussendlich einfach mit meinem neuen Freund zusammenzog, obwohl ich ihn erst sechs Monate kannte. Ich wusste nicht, ob diese Entscheidung zu früh war, aber der Wohnungsmarkt in Berlin ließ mir einfach keine andere Wahl.
"Ich öffnete eine Küchentür, die ich daraufhin auch gleich in der Hand hielt."
Als ich schwanger war mit unserem zweiten Kind, war klar: Unsere 3-Raum-Wohnung würde auf Dauer zu klein werden. Also machten wir uns auf die Suche. Die Anzeige "Altbau im Bayerischen Viertel in Schöneberg: 160 Quadratmeter, 5 Zimmer, Balkon, 1400 Euro kalt" klang zu verlockend, Bilder waren keine dabei, nur vom Wohnhaus außen. Klar fragten wir uns: Wo ist der Haken? Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt, und neugierig waren wir dann doch.
Ich schrieb an die angegebene Mailadresse und hörte erst mal nichts. Nach drei Wochen war die Anzeige längst wieder aus dem Immobilienportal verschwunden und ich hatte keine Antwort vom Anbieter erhalten – damit war die Sache für mich erledigt. Doch dann kam ein Anruf vom Vermieter, der uns zu einem Besichtigungstermin einlud. Er entschuldigte sich für die verspätete Antwort, es habe Probleme mit dem Vormieter und der Räumung der Wohnung gegeben. Jetzt wäre die Wohnung aber bereit zur Weitervermietung. Wir also hin zum Besichtigungstermin, an einem Samstagnachmittag – wie gefühlt 100 andere Verzweifelte auch.
Da ja nichts von "frisch renoviert" in der Anzeige stand, sind wir nicht sofort wieder umgedreht. Aber auch nicht die halbwegs ehrliche Angabe "Zustand renovierungsbedürftig" hätte den skurrilen Anblick korrekt wiedergeben können, der uns dort erwartete. Die Wohnung war grundsätzlich toll geschnitten, großzügig und hell. Aber: In zwei der fünf Zimmer hatte der Vormieter einfach durch die Mitte des Zimmers eine Wand gebaut. Diese war zwar bereits entfernt worden, dennoch sah man deutlich die Spuren: Das schöne alte Fischgrätparkett war brutal durch eine "Betonlinie" unterbrochen. In einem der zwei "getrennten" Zimmer hatte der Vormieter zudem ein kleines Waschbecken installiert, inklusive dilettantisch verlegter Wasserleitungen quer über die Wand.
Annonce: "Gemütliches Raumwunder mit angesagtem Retrodesign"Bild: iStockphoto / Madhourse
Der Vermieter meinte dazu nur achselzuckend, der Vormieter hätte Zimmer illegal untervermietet und aus diesem Grund das Waschbecken eingebaut und die Mauern eingezogen. Weiter ging’s in den langen Flur zur Küche: In diesem war die Decke abgehängt, sodass darüber ein Hängeboden als Stauraum genutzt werden konnte. Allerdings war die Decke dadurch so niedrig, dass man im Flur als erwachsener Mensch gerade so stehen konnte. Der Flur hatte keine Fenster und beleuchtet wurde er durch drei schummrige vergitterte Kellerlampen auf der fleckigen Uralttapete, was den düsteren Eindruck noch verstärkte.
Rechts ging es ins ziemlich schmale Bad. Eine uralte angeschlagene Badewanne, darüber ein tropfender Duschkopf. Dahinter am Fenster das Klo – auch mit Duschkopf darüber (!!!), zusammen mit einer abenteuerlichen Eigenkonstruktion aus Rohren. Und einer ziemlich ramponierten Faltschiebewand aus Plastik zwischen Klodusche und Badewanne. Wohl zu dem Zweck, dass zwei Menschen gleichzeitig in diesem winzigen Bad duschen konnten…?
Auf Nachfrage, ob denn das Bad noch renoviert werde, antwortete der Vermieter verwundert: "Nein, das bleibt so." Die Krönung war dann die Küche: Die Küchenfronten, Eiche rustikal, furchtbar hässlich und mindestens 30 Jahre alt. Ich öffnete eine Küchentür, die ich daraufhin auch gleich in der Hand hielt. Ich hängte sie provisorisch wieder ein und sagte zum Vermieter: "Die Küche lassen Sie dann auch noch raus reißen, ja?" Er antwortete: "Nein, die ist ja noch in Ordnung und ich habe gehört, den Stil hat man jetzt wieder!" Wir gingen.
Im Hausflur trafen wir eine Familie, die im Haus wohnte. Wir unterhielten uns kurz und sie erzählten uns, der Vermieter mache gar nichts in den Wohnungen, man müsse alles selbst renovieren. Der Vermieter selbst lebe in einer Villa in Steglitz, wo man auch zum Unterzeichnen des Mietvertrages hinbeordert werde.