Ein zweiter Lockdown – was viele Deutsche befürchten, ist seit Dienstag im Berchtesgadener Land wieder Realität. In der bayerischen Urlaubsregion stieg die Anzahl an Neuinfektionen am Montag auf 252 je 100.000 Einwohner und deshalb gilt für die Ansässigen nun wieder: Sie dürfen ihre Wohnungen nur noch aus triftigen Gründen verlassen, die Gastronomie, Schulen und Kitas sind geschlossen. Das ist eine Katastrophe für Gewerbetreibende, ein Logistik-Problem für Eltern und mindestens ärgerlich für alle anderen, die jetzt wieder ihre Freizeit einschränken müssen.
Auch Nina (Name von der Redaktion geändert) wird wohl die nächsten zwei Wochen ein wenig mehr Serien schauen müssen als bisher. Sie ist 23 Jahre alt und im Berchtesgadener Land geboren, lebt auch heute noch dort. watson erzählt sie, wie die Stimmung in der Region ist und was die Corona-Lage verschlimmert haben könnte.
Schon in den vergangenen Wochen zeichnete sich hier im Berchtesgadener Land ab, dass Corona bei uns wieder an Fahrt gewinnt und alle vorsichtiger sein müssen. Ich arbeite selbst im Gesundheitswesen. In den Heimen und Kliniken wurde das Personal schon vor dem jetzigen Lockdown gebeten, sein Privatleben zurückzufahren, um Infektionen zu verhindern. Meine Kollegen überlegten seitdem dreimal, ob sie Verabredungen wahrnehmen. Der neue Lockdown hat mich trotzdem überrascht.
Unter den Einheimischen selbst erkennt man ganz klar zwei Lager: Die eine Gruppe glaubt nicht an die Gefahr von Corona und hält sich weder an Abstände noch Maskenpflicht. Dann sieht man hier aber auch Leute, die das Haus nur mit Mund-Nasen-Schutz und Handschuhen verlassen und einen direkt ankeifen, wenn man ihnen an der Supermarktkasse zehn Zentimeter zu nahe kommt. Wir sind sehr gespalten.
Ich selbst befinde mich da wohl in der Mitte: Durch meine Arbeit weiß ich, wie man das Risiko der Ansteckung möglichst reduzieren kann und keine Panik zu haben braucht, aber anstecken will ich auch niemanden. Schließlich habe ich Anfang des Jahres selbst Covid-19-Patienten gesehen und weiß daher aus erster Hand, dass Corona für Ältere und Immunkranke nicht zu verharmlosen ist. Gerade Menschen mit Vorerkrankungen kann es richtig schlecht gehen, wenn der Virus als "Antreiber" mit dazu kommt.
Weil aber eben nicht alle so vorsichtig sind, ist nun der Lockdown eingeführt worden. Es hat mich verwundert, da wir sicher auch anders mit den steigenden Zahlen hätten umgehen können, wenn sich alle freiwillig an die Regeln hielten. Aber anscheinend brauchen einige Leute diesen Zwang.
Nun darf man eben wieder nur raus, wenn man einen triftigen Grund hat, Restaurants und Schulen sind zu. Eigentlich ist alles wie im Frühjahr. Für mich ändert sich nicht so viel, außer, dass ich die meisten meiner Freunde dann wohl wieder nur per Telefon sprechen werde und mehr Serien gucke, anstatt auszugehen. Die angesetzten zwei Wochen wird man das gut aushalten – mal schauen, wie es dann weitergeht.
Natürlich ist es trotzdem blöd für alle, sich einzuschränken müssen und im Frust wird auch getratscht: Viele Einheimische glauben, dass Touristen schuld an den miesen Corona-Zahlen sind. Viele Deutsche konnten ja nicht ins Ausland und verbrachten ihren Urlaub dann in unserer Region. Ich habe es hier tatsächlich noch nie so voll gesehen wie in diesem Jahr. Gerade an Hotspots wie dem Königssee stapelten sich die Touristen und natürlich haben in der Urlaubslaune nicht alle auf die AHA-Regeln geachtet...
Allerdings glaube ich, dass die Touris nur ein Teil des Problems waren: Wir sind sehr nah an der Grenze zu Österreich und fahren da häufig hin und her. Und: Seit der Einführung der Sperrstunde gab es hier in den Dörfern dann viele private Partys im kleinen Kreis, die natürlich nicht so kontrolliert werden können wie Zusammenkünfte in Bars.
Ich selbst gehe eigentlich zweimal die Woche aus, das war jetzt nicht mehr möglich. Die Bars mussten in den letzten zwei Wochen schon um 22 Uhr schließen, auch wegen Lärmbelästigung. Wenn man da erst um 21 Uhr auftauchte, waren die Läden schon voll und es lohnte sich gar nicht mehr, anzustehen. Deshalb habe ich mich mit Freunden dann eher zu Hause getroffen und dort getrunken und gefeiert. In den Dörfern haben das die meisten so gemacht. Viele nutzten auch Garagen und Hütten für Treffen mit ihren Freunden, um trotzdem gemütlich beisammen sein zu können.
Dieser Herbst-Lockdown hätte jedes Dorf erwischen können, jetzt waren es eben wir. Ich glaube aber nicht, dass es dabei bleibt – wir sind zwar die ersten, aber bestimmt nicht die letzten.
Protokoll: Julia Dombrowsky