Das sind nur einige der Sätze, die Jana S. (Name geändert) hört, wenn sie in den Pausen das Lehrerzimmer betritt. Sie arbeitet als Lehrerin an einer Grundschule in Brandenburg und ist entsetzt, wie viele ihrer Kollegen sich nicht an die Maskenpflicht halten, zum Teil aus Überzeugung. Im Protokoll bei watson erzählt die 39-Jährige, wie es sich unter Kollegen arbeitet, die eine weltweite Pandemie mit über 840.000 Todesopfern für eine Erfindung halten und warum sie das Argumentieren inzwischen aufgegeben hat.
Ich bin seit acht Jahren Lehrerin und unterrichte an einer Grundschule hauptsächlich Kinder von Klasse Drei bis Sechs. Hier in Brandenburg herrscht – unter Corona-Auflagen – seit den Sommerferien wieder Regelbetrieb. Bestimmte Dinge sind für die Schüler verboten, zum Beispiel Gruppenarbeiten oder Singen in geschlossenen Räumen, aber das meiste ist wieder recht normal, abgesehen davon, dass die Kinder auf den Fluren der Schule eine Maske zu tragen haben.
Während des Unterrichts wird überhaupt kein Behelfsschutz getragen, deshalb muss man die Schüler auch immer wieder daran erinnern, wenn sie den Klassenraum verlassen. Das ist ein Problem, weil unter den Lehrern viele Maskenverweigerer sind, die zwar Vorbild sein müssten, ihrer Vorbildfunktion aber nicht gerecht werden. Es ist sauschwer, den Kindern klar zu machen, dass sie eine Maske zu tragen haben und diese auch über die Nase ziehen müssen, wenn die Lehrer das nicht tun oder sogar sagen: "Ach, ich lauf doch nur mal schnell hier rüber" und sie ganz weglassen. Ich schätze, nur etwa die Hälfte unser etwa 25 Lehrer trägt die Maske vernünftig, wenn überhaupt.
Zum Schulbeginn konnten wir kostenlos Corona-Tests machen, das wäre kein Aufwand gewesen, nur ein kleiner Abstrich, fertig – trotzdem hat nur ein Drittel das Angebot in Anspruch genommen. Und das waren natürlich die, die sowieso aufpassen, denn die Anderen gehen ja davon aus, dass es hier eh kein Corona gibt. Das sind richtig überzeugte Leute, die Anti-Corona-Demos verteidigen, Quatsch erzählen, dass man durch die Masken krank werden würde und erklären, sie bekämen keine Luft darunter. Die steigern sich da richtig rein.
Im Lehrerzimmer versuche ich mittlerweile mir einen Platz am Fenster zu suchen und sitze dann dort mit Maske, weil sich viele Kollegen den Schutz hier direkt herunterreißen, obwohl sie ihn tragen müssten. Auch Hinweise der Schulleitung, den Mundschutz aufbehalten zu müssen, werden abgetan, man halte doch den Abstand ein. Allerdings sind anderthalb Meter hier offenbar frei auslegbar.
Ich glaube, es ist eine typische Lehrereigenschaft, alles besser zu wissen. Lehrer bestehen zwar absolut darauf, dass andere Regeln einhalten, sind aber selbst der Ansicht, dass sie ihre Regeln selbst gestalten können. Das muss ich leider über meinen eigenen Berufsstand feststellen.
Unter den Verweigerern bei uns sind alle Altersklassen vertreten, selbst Kollegen über 60 Jahre, die ja stärker gefährdet sind, sagen: "Einfach nur schrecklich mit diesen Masken!" Der Mundnasenschutz ist offenbar das Schlimmste, was sich Leute vorstellen können. Mir ist das ein Rätsel. Wir haben uns doch alle gewünscht, dass der Schulbetrieb möglich ist und wenn die Maske im Gegenzug die einzige Einschränkung ist, die wir Lehrer derzeit haben, ist das nicht viel verlangt. Chirurgen tragen sie seit jeher, sogar während schwieriger Operationen! Wieso ist das so ein Drama?
Es ist bitter, auch weil man merkt, dass Freundschaften und gute Beziehungen über diesem Thema kaputtgehen. Mir ist das selbst passiert, dass es mit Kolleginnen, die ich bislang nett fand, zum Bruch kam. Ich habe einen Familienangehörigen zu Hause, der zur Risikogruppe gehört und muss daher wirklich aufpassen, das wissen auch alle. Aber es gibt Kollegen, die kommen trotzdem ganz nah ran, ziehen die Maske runter, sagen "Ach, ich kann mit der Maske so schlecht sprechen" und quatschen dich dann voll. Direkt ins Gesicht. Völlig rücksichtslos. Solchen Kollegen gehe ich inzwischen nur noch aus dem Weg.
Bei denen, mit denen ich mich gut verstehe, sage ich auch mal was, aber die sind dann angesäuert, und behaupten: "Maske bringt ja nix und Kinder übertragen eh nicht." Woher die ihr "Wissen" haben, wüsste ich gerne. Aktuelle Studien zeigen, dass auch Kinder Corona übertragen, doch das wird schlicht nicht angenommen. Da heißt es: "Bei mir im Familienkreis gibt's das nicht. Ich habe noch nie davon gehört, dass einer sowas hatte. Wer weiß, ob das Virus wirklich so schlimm ist." Auch die Anti-Corona-Demos haben in meinem Kollegium einige starke Verteidiger.
Momentan höre ich auch immer öfter, Masken würden krankmachen, weil die ausgeatmete Luft sich darunter sammelt. Ich habe das sogar mal gegoogelt und diese Theorie auf den einschlägigen Verschwörungsseiten gefunden. Das ist doch total sinnfrei. Wie könnte es denn dann sein, dass eine Maske seit jeher Menschen ohne Immunsystem schützt? Die wären doch dann erst recht anfällig. Aber für solche Argumente sind diese Leute einfach taub. Ich habe diese Gespräche mit vielen Kollegen geführt, doch ich drang nicht durch.
Man merkt, dass die Kinder in den Klassen, wo die Lehrer selbst die Maske nicht vernünftig tragen und sich, zumindest vor den Kollegen, laut über "dieses Scheißding" aufregen, ebenfalls total nachlässig sind. Die Lehrer achten auch nicht darauf, ob die Kinder ihren Mundschutz aufgesetzt haben, wenn sie ihre Klassen beim Fachraumwechsel abholen. Es ist schwierig, wenn jeder Lehrer die Regeln unterschiedlich handhabt.
Die Sprüche über Corona hört man von den Kindern auch schon. Die plappern den Erwachsenen einfach nach, ob es um AfD wählen geht oder eben die Pandemie. Wir haben Grundschüler, die sagen: "Masken bringen gar nichts", weil ihre Eltern es ihnen gesagt haben. Die ganze Lage wird einfach nicht ernst genommen, was man immer wieder sieht. Wir haben hier vor Ort zum Beispiel einen Fußballverein, der gerade nicht spielen darf, weil es dort einen Coronafall gab. Die Spieler sind also derzeit in Quarantäne, aber ihre Kinder kommen zum Teil weiter zur Schule.
Ich finde, dass es in Brandenburg derzeit sehr heftig ist mit der Leugnerei. Freunde aus Bayern waren hier gerade auf einem Campingplatz und wurden richtig ausgelacht, weil sie Masken trugen. So nach dem Motto: "Ja Mensch, ihr haltet euch aber TOLL an alle Regeln..." Auch wenn man beim Bäcker Leute ohne Maske darauf hinweist, dass sie doch wenigstens Abstand halten könnten, wird man nur schief angeschaut.
Die Brandenburger haben keine Angst vor Corona und ich nehme an, das liegt daran, dass es sie noch nicht persönlich traf. Unsere Verwandten in Bayern haben deutlich mehr erlebt und ich glaube, wenn man erstmal auf Beerdigungen war und schlimme Fälle innerhalb der Familie und im Freundeskreis mitbekommen hat, ist das plötzlich eine ganz andere Sache.
Ich glaube auch, die Nachricht, dass die Masken einen selbst nicht schützen können, hat viel Einfluss auf das Verhalten der Leute gehabt. Wäre der Mundnasenschutz als Selbstschutz bekannt, würden alle einen tragen, doch solange man nur den Anderen damit schützt, siegt der Egoismus. Es wird offenbar vergessen, dass Leute, die gefährdet sind, sich unter solchen Bedingungen kaum mehr auf die Straße trauen können.
Übrigens treffen sich einige Lehrer inzwischen auch wieder privat miteinander und ich glaube nicht, dass dort Abstand gehalten wird, wenn es in der Schule schon nicht passiert. Wenn es zu einem Coronafall käme, würden die Lehrer sich also untereinander anstecken und damit das Virus schnell über die Klassen verteilen.
Natürlich gibt es auch Kollegen, die Rücksicht nehmen, es gibt sogar zwei Lehrerinnen, die wie ich dauerhaft Maske tragen, auch im Unterricht selbst. Aber viele nehmen das alles nicht ernst. Dass einer dieser uneinsichtigen Lehrer am Ende doch noch Corona in die Schule tragen könnte, diese Angst ist ständig da. Ich möchte niemanden aus meiner Familie gefährden und auch nicht, dass meine Schüler am Ende noch durch mich krank werden. Ich nehme die Regeln daher ernst und versuche, Infektionen zu verhindern. Ob die Anderen sich darüber lustig machen, weiß ich nicht – das würde bei mir vermutlich auch nicht ankommen.
Ich würde mir sehr wünschen, dass die besagten Leute nicht mehr nur an sich denken. Die Rücksichtnahme, die besonders von Lehrern unentwegt gepredigt wird, zum Beispiel beim Rennen auf dem Schulhof, diese Rücksichtnahme sollte auch selbst gelebt werden – zum Beispiel, indem man so eine Kleinigkeit wie eine Maske trägt, um andere zu schützen.
Protokoll: Julia Dombrowsky