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Rechtsruck in Europa: Wohin kann man als Deutscher am besten auswandern?

Die große, weite Welt ist klein geworden für Nicht-Konservative.
Die große, weite Welt ist klein geworden für Nicht-Konservative. Bild: pexels / Valentin Antonucci
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Auswandern, aber wohin? Wo die politische Lage es noch zulässt

16.03.2025, 12:15
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Donald Trump ist noch mindestens mehr als drei Jahre US-Präsident, und die in weiten Teilen rechtsextreme AfD besetzt knapp ein Viertel der Sitze im Bundestag.

Bei einem Blick in unsere Nachbarländer hört das Kopfschütteln aber nicht auf: Österreich ist nur sehr knapp an einer Regierung unter der rechtspopulistischen FPÖ vorbeigeschrammt, in den Niederlanden gewann der Rechtspopulist Geert Wilders einen Großteil der Stimmen.

Angesichts dieser Weltlage scheint man dauerhaft das Bedürfnis zu haben, sich unter einer riesigen Kuscheldecke zu verkriechen und nie wieder hervorzukommen. Gibt es überhaupt noch ein Land, in das man ungestört auswandern könnte? Frei von Rechtspopulismus, Homophobie und Frauenfeindlichkeit? Watson hat den Auswander-Check gemacht.

Unter deutschen Auswanderer:innen stehen laut Statistischem Bundesamt die Schweiz, Österreich und Spanien in Europa ganz oben. Dass in unseren beiden deutschsprachigen Nachbarländern ebenfalls der Rechtspopulismus auf dem Vormarsch ist, dürfte bekannt sein – und in puncto Wetter bieten Österreich und die Schweiz ja beim Auswandern ohnehin nicht viele Vorteile.

Warme Auswander-Paradiese in Europa?

Spanien hat viele Vorzüge

Spanien gilt bereits seit Jahren als Mekka für alle Deutschen, die weg aus Deutschland wollen – aber eben nicht allzu weit weg. Medial kommt in Deutschland ebenfalls viel Positives an. Im aktuellen Kabinett sitzen unter Ministerpräsident Pedro Sanchez mehr weibliche als männliche Minister:innen, in den vergangenen Jahren wurden wohl auch deswegen einige feministische Schritte in der Politik erreicht.

Spanien gilt zudem als vergleichsweise LGBTQIA+-freundliche Nation. Der Krankenversicherungsanbieter William Russell untersuchte 2024 etwa, wo homosexuelle Auswanderer:innen in Bezug auf gesetzliche und medizinische Rechte am freisten leben können und sah das Land unter den Top 3. Zudem lebt hier laut einer repräsentativen Studie nach Deutschland der größte Anteil der europäischen Queer-Community.

Doch der Rechtsruck ist auch an Spanien nicht vorübergezogen. In drei Regionalregierungen regiert die rechtspopulistische Vox-Partei mit, bei den nationalen Wahlen im Jahr 2023 erhielt sie ebenfalls mehr als neun Prozent. Im Nachbarland Portugal wurde die rechtspopulistische "Chega"-Partei mit 18 Prozent zuletzt ebenfalls drittstärkste Kraft.

Portugal reitet politisch keine gute Welle

Auch wenn Portugal unter Surferboys und -girls ein Favorit ist, destabilisiert sich das Land politisch gerade insgesamt. Seit 2022 werden im Mai 2025 zum dritten Mal die Parlamentswahlen vorgezogen, weil der aktuelle Ministerpräsident die Vertrauensfrage nicht überstehen konnte.

In den anderen europäischen Ländern, die beim Statistischen Bundesamt als beliebt für den Auswanderer-Traum gelten, hat man aktuell politisch ebenfalls schlechte Karten. Nicht nur in den Niederlanden, auch in Belgien und Italien (Rang 5 bis 7) sind rechtspopulistische Kräfte auf dem Vormarsch.

Übrigens ist auch die Mittelmeerinsel Malta nur auf den ersten Blick attraktiv. Die Regierung geht nicht nur sehr scharf gegen Migrant:innen vor, auch der Fall der ermordeten Investigativjournalistin Daphne Caruana Galizia sorgte 2017 für Schlagzeilen. "Reporter ohne Grenzen" mahnt fehlende Unabhängigkeit der Justiz und mangelhafte Rechtsstaatlichkeit im Land an.

Skandinavien: Friedlich leben im Norden?

Als ewiges Vorbild in Bezug auf Digitalisierung, Wehrpflicht aber eben auch das allgemeine Weltbild wird zu gerne Skandinavien genannt. Immer beliebter wird auch in Deutschland der Traum vom eigenen Schweden-Haus und einem damit verbundenen Aussteiger-Leben.

Laut dem Properity Index (PI) der Londoner Denkfabrik Legatum Institute stehen die nordischen Länder tatsächlich ganz vorne, wenn es um persönliche Freiheit geht.

Doch tatsächlich haben die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD-Partei) schon seit Längerem großen Einfluss im Parlament, mittlerweile sind sie zweitstärkste Kraft. "Man sieht in Schweden, dass die Politik sich verändert, wenn Rechtsnationalisten zumindest mehr indirekte Macht ausüben", erklärt Politikwissenschaftler Tobias Etzold der "Frankfurter Rundschau".

So verschärfte Schweden schon vor knapp zehn Jahren seine Asylpolitik, erschwerte etwa den Familiennachzug für Migrant:innen. Auch das Thema Klimaschutz steht dank der rechtspopulistischen Einflüsse zunehmend hinten an. Ähnlich sieht es in Finnland aus.

In Dänemark hingegen befindet sich die nationalkonservative Dansk Folkeparti (DF) eher im Abwärtstrend. 2022 bekam die Partei nur noch etwa 2 Prozent der Stimmen und verlor damit erheblich an rechtsliberale Kontrahenten. Wer das Schwedenhaus-Feeling sucht, sollte ein solches also lieber im Nachbarland bauen.

Island: eine stabile Insel am Ende von Europa?

Wer es so richtig nordisch mag, hat vielleicht auch schon über ein Leben in Island nachgedacht. Tatsächlich gibt es hier seit Ende vergangenen Jahres eine sozialdemokratisch geführt Regierung – samt hohem Frauenanteil an der Spitze. Insgesamt ist das Umfeld für arbeitende Frauen laut dem "Economist" weltweit in Island am zweitbesten.

Aktuell ist die politische Lage damit deutlich gemäßigter als im Rest Europas. Fakt ist allerdings, dass die isländische Parteienlandschaft zuletzt eher unbeständig war. Die Links-Grünen etwa flogen bei der vergangenen Wahl komplett aus dem Parlament, viele Parteien gibt es noch gar nicht lange. Langfristig ist hier ein entspanntes Aussteiger-Leben zumindest nicht hundertprozentig gesichert, aber vorerst doch möglich.

Dann halt doch Übersee? Panama und Kanada, ahoi

Da es Richtung Osteuropa auch nicht unbedingt besser aussieht (Viktor Orbán in Ungarn, Regierungsproteste in Serbien und Kroatien, Misstrauensvotum wegen Zugunglück in Griechenland), lohnt sich also doch ein Blick auf die gesamte Weltkarte. Unter deutschen Auswanderer:innen sind etwa auch Mexiko und Panama beliebt.

In Mexiko hat man zwar mit Claudia Sheinbaum eine Frau als Präsidentin – und noch dazu eine links ausgerichtete, die sich unter anderem für Sozialpolitik und die Legalisierung von Abtreibungen einsetzt.

Doch die politische Lage ist in Mexiko noch immer unruhig. Das Land ist gezeichnet von Korruption und organisiertem Verbrechen. Vor allem ausländische Staatsangehörige werden häufig Opfer von Straftaten. So gehören mehrere mexikanische Städte laut "Statista" zu den Orten mit der höchsten Mordrate pro Einwohner:innen weltweit.

In Panama sieht die Lage ähnlich aus. Eine Besonderheit besteht hier im sogenannten endemischen Parteiensystem: Alle Parteien betrachten sich als Parteien der Mitte, Ausschläge ins linke oder rechte Spektrum gibt es kaum. Doch auch hier hat man mit Sicherheitsproblemen zu kämpfen. Hinzu kommen in Südamerika zunehmend Unwetterereignisse und Extremhitze infolge der Klimakrise. Diese Phänomene werden in Zukunft leider eher zunehmen.

Besser beraten ist man da weiter nördlich. Kanada machte in den vergangenen Wochen vor allem durch seinen Protest gegen die US-Politik von sich reden. Aktuell führt Premierminister Mark Carney hier eine Mitte-Links-Partei an, Rechtspopulismus ist kein ernstzunehmendes Problem in "Great White North".

Um tatsächlich nach Kanada auszuwandern, braucht man in den meisten Fällen allerdings ein konkretes Jobangebot im Land. Und angesichts der wilden Pläne von US-Präsident Donald Trump weiß man aktuell auch noch nicht, wie sich die dortigen Lebenshaltungskosten verändern – oder ob Kanada wirklich bald zu den USA gehört.

Zur gesamten Wahrheit gehört aber weltweit auch, dass die politische Lage nicht das tatsächliche Weltbild einer Nation abbilden muss. Zudem lässt schon der Länder-Vergleich erkennen, dass Politik dynamisch ist: Was heute gilt, kann in wenigen Monaten schon wieder Geschichte sein.

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Tesla hat aktuell einen schweren Stand. Vor wenigen Monaten noch als Statussymbol gefeiert, wird der Konzern zunehmend boykottiert. Ein wesentlicher Faktor ist dessen größter Einzelaktionär Elon Musk, der durch seine politisch umstrittenen Äußerungen und Aktionen zunehmend für Unmut sorgt.

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