Montagvormittag vor dem Columbiabad in Berlin-Neukölln. Eine Woche lang war das Freibad nach Randalen geschlossen. Nun betreten nur vereinzelt Personen das Freibad-Gelände. Am Eingang stehen zwei Security-Mitarbeiter, die Taschen der Besucher:innen kontrollieren. Sie fragen jede Person nach einem Ausweisdokument. "Glasflaschen, Messer und scharfe Gegenstände" werden aussortiert, wie der Mann am Eingang erzählt. Personen mit Hausverbot ebenso.
Letztere Maßnahmen sind nicht neu. So werde es schon seit Jahren gemacht, erzählt er. Vor dem Eingang sammeln sich mehr Journalist:innen als Besucher:innen selbst. Der Andrang hält sich in Grenzen – auch deshalb, weil die Temperaturen nicht so hoch sind, dass es die Menschen in die Freibäder treibt. "Am Wochenende wird es wieder mehr", glaubt der Mitarbeiter.
Kürzlich spielten sich hier Szenen ab, die nicht ohne Folgen blieben. Eine Woche lang war das Freibad geschlossen – mitten in der Hauptsaison. Nach erneuten gewaltsamen Auseinandersetzungen und Pöbeleien auf dem Gelände des Freibads hatten sich zu viele Beschäftigte krankgemeldet.
Nun sind die Tore des Freibads in dem Berliner Bezirk wieder geöffnet. So als wäre nichts passiert. Der einzige sichtbare Unterschied: Gäste, die das Bad betreten wollen, müssen jetzt ein Ausweisdokument vorzeigen. Und: Attraktionen wie die Wasserrutschen sowie das Kinderbecken bleiben geschlossen.
Dass hier in der Vergangenheit nicht alles gut gelaufen ist, wissen Betreiber wie Gäste ebenso. Mitte Juni hatten Mitarbeitende einen Brandbrief an die Geschäftsführung der Berliner Bäderbetriebe verfasst. Die Badeordnung werde regelmäßig vorsätzlich missachtet. "Verbale Attacken, das Spucken oder Pöbeln" stehen demnach an der Tagesordnung. Mitarbeitende seien einem "untragbaren Ausmaß der Umstände" ausgesetzt, würden terrorisiert und sogar angegriffen sowie bedroht.
Am 21. Juni eskalierte die Situation: Ein Mob von 50 Jugendlichen stürmte die Rutsche. Es gab Tumulte, das Bad wurde geräumt, die Rutsche gesperrt. Bis heute. Drei Wochen später eine ähnliche Situation. Das Columbiabad wurde wegen der Rangeleien von der Polizei geräumt – und öffnete erst am Montag wieder seine Tore.
Auf die Vorfälle angesprochen, will man an der Tür nicht viel davon mitbekommen haben. Jedoch seien Situationen wie diese nichts Neues. Jeden Tag gäbe es – mal gröbere, mal kleinere – Probleme, heißt es vonseiten der Security-Mitarbeiter. Vor allem jugendliche Gruppen gerieten immer wieder aneinander. Verstöße gegen die Badeordnung oder Bedrohungen seien hier Normalität.
Das wissen auch die meisten Besucher:innen, die am Montagvormittag das Freibad aufsuchen. So wie Maximilian R., der mit seiner Tochter einen entspannten Tag im Freibad verbringen will. Das macht er oft. "Gruppen Jugendlicher aus bestimmten Milieus fallen immer wieder mit ihrem Verhalten auf", sagt er. Erziehung? Seiner Meinung nach bei betroffenen Personen Fehlanzeige. Pöbeleien und unangebrachtes Verhalten – sei es auf der Rutsche oder auf der Liegewiese – beobachte er regelmäßig.
Sorgen mache er sich trotzdem keine. Angst habe er auch nicht.
Schließlich würden Besucher:innen, die selbst eben nicht zu jenen randalierenden Gruppen Jugendlicher gehören, in Ruhe gelassen. Vor allem Kinder. Dass die Ausweise und Taschen kontrolliert werden, findet er trotzdem gut. Dass sich dadurch etwas ändert, glaubt er eher nicht. Für ihn als Berliner seien Vorfälle wie diese Normalität – nicht nur im Columbiabad.
Überhaupt herrscht bei den Besucher:innen offenbar kein Unsicherheitsgefühl. Zumindest bei all jenen, die an diesem Montagvormittag hier ankommen und von watson darauf angesprochen werden. "Ich komme oft hierher und nie gab es Probleme, die ich mitbekommen hätte. Ich fühl' mich auch sicher. Von daher finde ich das gar nicht schlimm. Aber die Wasserrutsche sollten sie wieder anschalten", findet ein Mann Mitte 20, der gerade das Freibad betreten will. Die Ausweiskontrollen seien ihm egal: "Ich hab' den doch eh dabei, von daher easy."
Ähnlich äußert sich eine junge Frau (22), die ebenfalls regelmäßig das Freibad besucht. Sie bekomme bei den Aufenthalten im Columbiabad öfter mal mit, dass es Auseinandersetzungen gebe. "Fühle mich aber gar nicht unsicher", sagt sie. Drei Hortbetreuerinnen, die mit mehreren Kindern während der Schulferien einen Ausflug ins Freibad machen, sind ebenso unbesorgt. Von den Vorfällen hätten sie rein gar nichts mitbekommen. "Wir wollen einfach den Kindern einen schönen Tag bereiten", sagt eine von ihnen. Wegen der Ausweis- und Taschenkontrollen sind die Pädagog:innen aber sichtlich genervt.
Einzig ein Besucher findet, dass das Management im Freibad an den Wochenenden besser sein könnte. "Ein Einlass-Stopp wäre eine gute Idee oder Streetworker, die mit den Jugendlichen auf Augenhöhe versuchen zu vermitteln, statt von oben herab zu entscheiden", sagt der Mann, der das Freibad am späten Vormittag verlässt. Er sei trotz regelmäßiger Vorfälle oft hier, auch mit seinen Kindern. "Wenn ich mich unsicher fühlen würde, käme ich nicht her", sagt er.
Aus den Gesprächen ergibt sich ein Bild, das zeigt: Offenbar sind Rangeleien und Auseinandersetzungen wie jene in den vergangenen Wochen keine Einzelfälle, sondern Normalität. Angriffe und Pöbeleien richten sich demnach vor allem gegen Mitarbeitende und gegen Jugendliche, die selbst zu besagten Problemgruppen gehören. Die anderen Badegäste lassen sich dadurch offenbar nicht stören.
Doch Gewalt gegen Mitarbeitende ist ein Problem. Offenbar herrscht so etwas wie Resignation gegenüber einer Situation, die sich in den Augen vieler nicht so schnell ändern wird.
Dass es nun Ausweiskontrollen, Videoüberwachung und mehr Polizeipräsenz zusätzlich zu den eh schon gängigen Taschenkontrollen geben soll, ist auf eine Entscheidung der Betreiber und der Landesregierung begründet. Sie setzen nach den gewaltsamen Vorfällen auf schärfere Sicherheitsmaßnahmen.
Allerdings gab es Medienberichte darüber, dass diese Kontrollen so am Wochenende nicht stattfanden wie angekündigt. Ob die Kontrollen wegen der gut sichtbaren Medienpräsenz am Montag akkurat durchgeführt wurden? Ungewiss. Jedenfalls erhält das Sicherheitspersonal vor den Augen aller Medien die Anweisung, Dokumente genaustens zu kontrollieren.
Ein Teil der Sicherheitsvorkehrungen: auch mehr Polizeipräsenz. Doch vor dem Columbiabad ist am späten Montagvormittag keine Polizei zu sehen. Das Sicherheitspersonal verweist darauf, dass Beamte "ab und zu" mal vorbeischauen.
Intern sind an diesem Montag 16 Security-Mitarbeitende im Columbiabad im Einsatz. Ob die Sicherheitsvorkehrungen greifen? "Es passiert sowieso täglich was, auch zu größeren Vorfällen kommt es immer wieder." Verändern werde sich in dieser Hinsicht nach Meinung des Mitarbeiters nicht viel.