Seit drei Tagen blockieren Aktivist:innen die Räumung des Dorfes Lützerath, das der Energiekonzern RWE abbaggern will, um die Braunkohle darunter zu fördern. Wie viele Aktivist:innen noch ausharren, ist nicht ganz klar. Fest steht aber, dass sie sich mit allen Mitteln gegen die Räumung stemmen.
Wie am Donnerstag bekannt wurde, haben sie einen Tunnel unter das Dorf gegraben, indem sich zwei Aktivisten verschanzt halten. Das Technische Hilfswerk hatte in der Nacht vergeblich versucht, die beiden herauszuholen. Am Freitag wurden die ersten Höfe des Dorfes abgerissen und weitere Bäume gerodet.
Was in Lützerath passiert, erfährst du in unserem Live-Ticker. Hier liest du, wie am Donnerstag der zweite Tag der Räumung lief.
Die Polizei rechnet bei der angekündigten Großdemonstration in Lützerath am Samstag mit mehreren tausend Teilnehmer:innen. Mit dabei sein werden unter anderem Greta Thunberg und Luisa Neubauer. An ihrer Seite will auch die Sprecherin von "Fridays for Future" in Hamburg, Annika Rittmann, stehen. Wie groß das Engagement ist, verrät sie gegenüber watson:
Früh morgens wollen sich zahlreiche Aktivist:innen aus ganz Deutschland gegen das Vorhaben von RWE in Lützerath wehren. Trotz unangenehmer Gefühle sind sie überzeugt, das richtige zu tun:
Bei der Räumung von Lützerath hat ein Bagger damit begonnen, zentrale Gebäude abzureißen. Darunter ist auch das Wohnhaus von Bauer Eckardt Heukamp. An einer Mauer daneben hatte weithin sichtbar ein gelbes Transparent mit der Aufschrift "1,5°C heißt: Lützerath bleibt!" gehangen. Diese Hofmauer steht seit Freitagnachmittag nicht mehr.
In den Häusern in Lützerath und auf den Dächern der Gebäude sind nach Angaben der Polizei keine Aktivisten mehr. Das sagte ein Sprecher am Freitagnachmittag einem dpa-Reporter. Damit schreite die Räumung des Ortsteils von Erkelenz im rheinischen Braunkohlerevier weiter voran. Weiter geräumt werden müssen noch ein Tunnel, in dem sich zwei Klimaaktivisten verschanzt hatten und mehrere Baumhäuser.
Die für Samstag angesetzte Großdemonstration bei Lützerath ist von den Behörden genehmigt worden. Derweil kam es in einigen Städten Deutschlands zu Solidaritätsbekundungen mit den Aktivist:innen in Lützerath.
Bei der "Fridays for Future"-Demo in Hamburg war watson-Redakteurin Josephine Andreoli vor Ort – und hat unter den Teilnehmer:innen großen Rückhalt für die Protestierenden in Lützerath erlebt. "Es ist wichtig für sie zu wissen, dass sie überall in Deutschland Unterstützung haben", sagt eine Demonstrierende namens Paula.
Einen Tag früher als geplant ist die weltbekannte schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg nach Lützerath gekommen, um ihre Solidarität mit den Besetzer:innen auszudrücken. Zusammen mit Luisa Neubauer demonstrierte sie vor dem Zaun, mit dem RWE das Gelände umstellt hat. Von den anwesenden Aktivist:innen wurde sie laut "Bild" klatschend begrüßt.
"Es ist empörend, wie die Polizeigewalt ist", sagte Thunberg. Die 20-Jährige besichtigte auch den Krater des Braunkohletagebaus und hielt dabei ein Schild mit der Aufschrift "Keep it in the ground" (Lasst es im Boden) hoch. Sie wird auch am Samstag bei der angekündigten Großdemonstration an der angrenzenden Braunkohlegrube Garzweiler teilnehmen.
Laut Polizei und Twitter-Videos harren nach wie vor zwei Klimaaktivisten in Lützerath in einem Tunnel aus. Nach Polizei-Angaben müssen nun Spezialkräfte von Feuerwehr und THW die beiden da raus holen. "Ich finde es einfach schlimm, welche Gefahren diese Menschen auf sich nehmen, für sich", sagte der Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach am Freitag, nachdem er ein Stück weit in den Tunnelschacht hineingestiegen war.
Laut ihm sei die Konstruktion nicht sicher. Auch, weil die dauerhafte Sauerstoffversorgung darin fraglich sei. Allerdings sprach er nicht von einer akuten Gefahr. Zuvor hatten die Aktivisten angekündigt, sich im Tunnel anketten zu wollen.
Mehr als 200 vermummte Täter sollen in Berlin-Mitte aus Protest gegen die Räumung des Dorfes Lützerath randaliert und Schaufensterscheiben von 26 Geschäften eingeworfen haben. Sie zündeten in der Nacht zu Freitag Mülltonnen an und beschossen eine Polizeiwache mit Pyrotechnik, wie die Polizei mitteilte. Zudem beschmierten sie Fassaden und Fenster mit Parolen im Zusammenhang mit Lützerath.
Die Polizei hat mit der Räumung des letzten besetzten Gebäudes in Lützerath begonnen. Laut Behördenangaben sind nur noch wenige Aktivist:innen im Dorf. Zwei von ihnen sitzen in einem Tunnel unter dem Braunkohledorf, was die endgültige Räumung derzeit behindert. Dennoch will die Polizei heute auch die letzten verbleibenden Aktivist:innen abtransportieren.
Vor der Konzernzentrale von RWE haben sich am Freitag 25 bis 30 Aktivist:innen zu einer Demonstration gegen die Räumung von Lützerath eingefunden. Drei von ihnen haben sich mit Fahrradschlössern an das Tor gekettet.
Die Protestgruppe "Letzte Generation" hat sich auf Twitter zu der Aktion geäußert. RWE manipuliere die deutsche Öffentlichkeit und Politik seit vielen Jahren mit falschen Zahlen, zuletzt wieder bei der Frage, ob die unter Lützerath liegende Kohle zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung wirklich notwendig sei, schreiben die Aktivist:innen.
Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hat wenig Verständnis für die Proteste in Lützerath. "Lützerath ist schlicht das falsche Symbol", sagte Habeck dem "Spiegel". Das Dorf stünde eben nicht für ein Weiter-so beim Braunkohletagebau Garzweiler im Rheinland, sondern "es ist der Schlussstrich", sagte Habeck.
Man ziehe den Kohleausstieg im dortigen Kohlerevier um acht Jahre auf 2030 vor, was nur durch den Abriss Lützeraths möglich geworden sei. "Wir retten fünf Ortschaften und Höfe mit rund 450 Bewohnern. Der Hambacher Forst ist gesichert worden. Die genehmigte Abbaumenge für Kohle im Tagebau wurde durch die Vereinbarung halbiert."
Die beiden Aktivisten im Tunnel unter Lützerath seien entschlossen, sich anzuketten, sobald versucht werde, sie herauszuholen, sagte eine Sprecherin der Initiative "Lützerath lebt" am Freitagmorgen. Nach Angaben von "Lützerath lebt" sind die Personen in gut vier Metern Tiefe. Es gebe ein "Belüftungssystem".
Ein erster Bergungsversuch des Technischen Hilfswerks war in der Nacht gescheitert. Wann ein neuer Versuch unternommen wird, blieb zunächst unklar. Die Polizei erklärte, man habe keinen Blickkontakt zu den Personen, könne aber mit ihnen sprechen.
(mit Material von dpa)