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Zwei Jahre Pandemie in Deutschland: Das Corona-Zeitgefühl ist anders

Statt in Bars und Clubs gingen wir plötzlich extrem viel spazieren – alle.
Statt in Bars und Clubs gingen wir plötzlich extrem viel spazieren – alle.bild: privat
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Zwei Jahre Corona in Deutschland – wie unsere Autorin ihr Zeitgefühl verlor: "Auf absurde Weise wie ein Wimpernschlag – und gleichzeitig wie ein ganzes Leben"

27.01.2022, 16:4728.01.2022, 14:43
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Heute vor zwei Jahren kam die Coronapandemie offiziell in Deutschland an. Am 27. Januar 2020. Zwei Jahre sind eigentlich eine verdammt lange Zeit: die Oberstufe im Gymnasium, der Bachelor und der Master an der Uni – lange Abschnitte in einem jungen Leben.

Jetzt, im Januar 2022, da die Omikron-Variante des Coronavirus die Ansteckungszahlen in die Höhe schnellen lässt, fühlen sich die vergangenen zwei Jahre auf absurde Weise an wie ein Wimpernschlag – und gleichzeitig wie ein ganzes Leben.

Ich bin 28 Jahre alt, ich weiß nicht, ob diese veränderte Wahrnehmung der Zeit etwas mit Corona oder mit dem Älterwerden zu tun hat. Was ich aber weiß: Corona verläuft in Phasen. In schnellen und in langsamen. Unterhalte ich mich mit meinen Freunden, merke ich, dass diese Phasen jede und jeder kennt. Nicht alle stecken zur selben Zeit in der gleichen Phase.

Skribbl.io war in einer Phase fester Bestandteil meiner Abendgestaltung.
Skribbl.io war in einer Phase fester Bestandteil meiner Abendgestaltung.Bild: privat / Rebecca Sawicki

Bei mir schwanken die Gefühle. Zwischen Wut, Hoffnung und Resignation. Zwei Jahre lang leben wir nun schon in diesem Ausnahmezustand. Immer in der Hoffnung, dass es besser wird.

Als am 27. Januar 2020 der erste Fall offiziell bekannt wurde, war mir wie vielen anderen wahrscheinlich auch, das Ausmaß dieser Nachricht nicht bewusst.

Erste bestätigte Infektion in Deutschland, ein Mitarbeiter des Autozulieferers Webasto in Stockdorf bei München. Zwei Wochen später ist er wieder gesund.

"Wenig später waren die ersten meiner Freunde krank. Ich selbst lag flach."

Ich ging weiterhin in Clubs und Bars, feierte Fasching bei mir zuhause mit vielen Menschen, die ich schon immer kenne. Anfang März war ich auf einem Konzert von Tarek K.I.Z. im Festsaal Kreuzberg in Berlin. Wie der Rest der Menge feierte ich ausgelassen. Auch, als er meinte, draußen tobe das Virus und drinnen, da toben wir. Denn genauso war es: Wir tobten.

Tarek gemeinsam mit seinen Bandkollegen von K.I.Z.
Tarek gemeinsam mit seinen Bandkollegen von K.I.Z.bild: privat

Wenig später waren die ersten meiner Freunde krank. Ich selbst lag flach. Ein Anruf bei der 116 117 – der Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes, die ich vor der Pandemie nicht auswendig gekannt hätte – ergab allerdings, dass Schnupfen kein Symptom des neuartigen Sars-Cov-II-Virus sei. Ein Test daher nicht nötig. Grippe.

Eine Woche lang war ich krankgeschrieben. Als ich wieder gesund war, gab es trotzdem kein Zurück in die Redaktion. Homeoffice. Meine Kollegen, mein Büro, all das sah ich erst einige Monate später wieder. Manche bis zum Ende meines Volontariats nicht mehr.

Mein WG-Zimmer wurde zum Schlaf-, Wohn- und Arbeitszimmer.
Mein WG-Zimmer wurde zum Schlaf-, Wohn- und Arbeitszimmer.bild: rebecca sawicki

Und natürlich ist es gerade in der Zeit einer Pandemie von Vorteil, Homeoffice machen zu können. Menschen im Gesundheitssektor, in Kindergärten oder am Band können das nicht. Trotzdem kann Homeoffice auch einsam sein. Und nicht selten fühlte ich mich wie im freien Fall. Ich hatte Abends Sorge, den Laptop zuzuklappen und eigentlich gar nicht fertig zu sein. Ich hatte Angst, Fehler zu machen.

Es gibt Abschnitte im Leben, in denen kickt die Pandemie besonders. Schülerinnen, Kindergartenkinder, Studenten. Menschen, die gerade ihre Ausbildung machen. Familien mit Kindern. Ich bin glücklich, in keiner dieser Phasen zu stecken. Und ich weiß, dass es meinen Freundinnen und Freunden auch so geht.

Aber auch für Mittzwanziger ohne Kinder ist es ätzend. Ich bin froh, während meines Studiums viel erlebt zu haben. Trotzdem nervt es mich, dass sich mittlerweile die Konzertkarten bei mir stapeln. Familienfeiern ausfallen. Freunde lange Zeit nur über Skype zu sehen sind.

BERLIN, GERMANY - MARCH 21: Woman walks past almost empty Alexander Platz on March 21, 2020 in Berlin, Germany. Everyday life in Germany has become fundamentally altered as authorities tighten measure ...
Normalerweise ist auf dem Berliner Alexanderplatz mehr los.Bild: Getty Images Europe / Maja Hitij

Der erste Lockdown dauerte ein paar Wochen. Und ich bin mir sicher, die meisten von uns haben so gut durchgehalten, weil uns damals noch sicher schien, es würde besser werden.

Ich selbst habe damals viel Zeit auf dem Land bei meiner Familie verbracht. Grüne Wiesen statt grauer Beton. Ein großes Haus statt einer Zweier-WG mit Hunden in der Bremer Neustadt. Meine Freunde sah ich kaum, wenn dann draußen. Auf einen Wein oder zwei.

Leere Stühle und Tische eines Gastronomiebetriebs in der Fußgängerzone der Stadt Lübbecke. Foto: Kirchner-Media/Wedel
Restaurants, Bars, Clubs – all das war geschlossen.Bild: Kirchner-Media/Wedel / Kirchner-Media/Wedel

Die Landflucht ist ein Privileg, das ist mir bewusst. Ich hatte die Möglichkeit, mich in ein großes Haus im Grünen zurückzuziehen, wo ich atmen konnte. Wo ich die Sonne sehen konnte. Und gleichzeitig hatte ich auch eigenes Zimmer in einer schönen Wohnung in der Stadt. Andere haben nichts davon, das weiß ich. Zu sechst in einer Drei-Zimmerwohnung fühlt sich #stayhome noch einmal anders an. Ich bin froh, diese Erfahrung nicht gemacht haben zu müssen.

BERLIN, GERMANY - APRIL 25: A banner telling protesters to stay home hangs out of a window as activists demonstrate against restrictions on public life designed to stem the spread of the coronavirus,  ...
#stayhome war die Parole zu Beginn der Pandemie.Bild: Getty Images Europe / Adam Berry

Mein Premiumkontakt ist heute mein Partner. Und auch das ist ein Privileg: In diesen Jahren des Social Distancing nicht allein zu sein. Und ich glaube, er hat mich einige Male davon abgehalten, durchzudrehen.

Denn auch das gehört zur Wahrheit unserer Zeit: Corona macht mürbe.

Zu vieles, was das Leben lebenswert macht, findet nicht statt. Manches, wie Besuche in Bars oder Thermalbädern, überlegt man sich zweimal, dreimal. Bis die Überlegung, das Abwägen von Risiko und Nutzen, einem zu anstrengend wird und man den Besuch einfach bleiben lässt.

Der erste Coronasommer war wie ein Durchatmen. Mit der Angst im Nacken, dass es wieder schlimmer werden würde. Trotzdem: Wärme, Menschen, Lachen. All das ein Streicheln auf der Seele.

Und nicht nur das Lachen kam zurück, sondern auch gesellschaftliche Themen abseits des Virus mit der Krone: George Floyd wurde getötet, das Geflüchtetenlager Moria brannte ab. Demonstrationszüge setzten sich in Bewegung. Aufstand und Aufbruch machten sich breit. Bis die Tage wieder kürzer wurden. Bis die Inzidenzen wieder stiegen.

NEW YORK CITY - MAY 25: Black Lives Matter supporters and others march across the Brooklyn Bridge to honor George Floyd on the one year anniversary of his death on May 25, 2021 in New York City. Floyd ...
Nicht nur in den Vereinigten Staaten gingen die Menschen auf die Straße.Bild: Getty Images North America / Spencer Platt

Allein das Wort Inzidenz hätte ich lieber nie kennengelernt. Inzidenz, Hospitaliserung, Zoonose. Lauter Dinge, die in meinem Leben bis dato keine Relevanz hatten. Lauter Vokabeln, die für die neue Zeit gelernt werden mussten.

Ich lernte und tue es weiterhin.

Vor Weihnachten 2020 folgte Lockdown Nummer zwei. Oder wie ich ihn nenne: der nie enden wollende. In meinem Gefühl blieb die Zeit eine Weile stehen. Rien ne va plus. Nichts geht mehr.

Was mich aufbaute: die Impfkampagne. Bald könnte alles vorbei sein. Wir könnten gewappnet sein. Die unterschwellige Angst, dass einer meiner Lieben schwer erkrankt, könnte bald verpuffen.

Schlechtwetter-Strandspaziergang im Lockdown Nummer zwei.
Schlechtwetter-Strandspaziergang im Lockdown Nummer zwei.bild: privat

Wie in Lockdown Nummer eins, nur mit schlechterem Wetter, spazierte ich wie eine Weltmeisterin. Ich fing an, Armbänder zu knüpfen und versuchte mich sogar am Sticken. Auch, wenn das zu meinem Bedauern eine wirklich dumme Idee war. Wegen meiner mangelnden Geduld flog der Stickrahmen sehr schnell aus dem Fenster. Blödes Hobby, weitersuchen.

Dann kam der Schnee. Ich lebte zu dieser Zeit in Bremen. Wirklicher Schnee ist dort oben doch eher ungewöhnlich. Jetzt standen Schneemänner und -katzen im Bürgerpark, Menschen liefen mit Langlaufskiern herum. Es war, als wollte die Natur ein bisschen Abwechslung in den müden Corona-Lockdown-Wahnsinn reinbringen.

Winter, Schnee, Schlitten und Rodeln vor dem wohninvest WESERSTADION in Bremen. GES/ Fussball/ 1. Bundesliga: SV Werder Bremen - FC Schalke 04, 30.01.2021 Football / Soccer: 1st League: Werder Bremen  ...
Schlittenfahren am Bremer Osterdeich: Ein seltenes Vergnügen.Bild: GES-Sportfoto / Marvin Ibo G?ng?r

Mit dem Ende des Lockdowns im Frühsommer kam langsam das Lebensgefühl wieder. Es kamen die Impfungen, auch für Menschen, die weder Vorerkrankungen haben noch alt sind.

Für uns also, die wir glücklicherweise nicht besonders gefährdet sind. Auch wenn allein jung und gesund sein keine Garantie ist, nicht schwer an Covid zu erkranken.

Aufatmen also. Bald sind die Spritzen im Arm und alles wird gut.

Haha.

Ein Schild mit der Aufschrift „Impfzentrum“ in mehreren Sprachen hängt über dem Eingang des Impfzentrums in der Messehalle an der Bürgerweide.
Das Impfzentrum in den Bremer Messehallen.Bild: dpa Pool / Hauke-Christian Dittrich

Das Impfzentrum in Bremen war fantastisch organisiert. Ich lasse mich prinzipiell gegen alles impfen, wogegen geimpft werden kann. Angst vor Nadeln hab‘ ich auch nicht. Trotzdem war ich aufgeregt. Oder sagen wir: freudig erregt. Ich lief in die Messehalle und folgte den Anweisungen. Anmelden, warten, bis die Nummer aufgerufen wird, Arztgespräch, warten, Impfkabine, Ruhepause und dann ab nach Hause. Bis zum nächsten Monat für Spritze Nummer zwei.

In der Zwischenzeit passierte viel. Als wär‘ das richtige Leben zurück. Ich nahm einen neuen Job bei watson an und zog nach Berlin. Allerdings nicht, ohne mir bei meinem neuen Hobby, dem Longboarden (ja, das macht definitiv mehr Spaß als Sticken), mein Knie und meinen Arm zu zerstören. Und zwar einen Tag vor dem Umzug, aber das nur am Rande.

Neues Hobby: Longboardfahren.
Neues Hobby: Longboardfahren.Bild: watson / Rebecca Sawicki

Neues Umfeld, neue Menschen. Lange Tage und lange Nächte. All das kribbelte mich. Endlich wieder etwas erleben. Nach so langer Zeit des gefühlten Stillstandes. Wie in Coronasommer Nummer eins umspülte uns alle das Leben.

Die zweite Impfdosis bekam ich erneut in Bremen. Menschen standen vor dem Impfzentrum in einer Reihe. Während die Sonne auf uns herab brannte. Nebenan war ein Rummel aufgebaut. Bunte Fahrgeschäfte versprachen Spaß in einer tristen Zeit. Die Menschen warteten darauf, in die Messehalle zu dürfen. 2000 sollten es am Ende des Tages sein, die geimpft wurden.

Während des Wartens und Schwitzens hörte ich die Nachrichten: "Mindestens 130 Tote bei der Flutkatastrophe". Das Jahrhunderthochwasser im Westen Deutschlands. Die ganze Situation war für mich in diesem Moment komplett absurd.

Der Rummel, die Sonne, die Hoffnung auf die Impfung auf der einen Seite, auf der anderen ausgelöschte Existenzen, Verzweiflung und Tod.

Schwer vorstellbar, dass die Sonne scheint, während andernorts die Welt untergeht. Schwer vorstellbar, dass eigentlich auch im Sonnenschein die Welt untergeht. Auch wenn 2000 Menschen an diesem Tag versuchten, sie zu retten. "Die 7-Tage-Inzidenz steigt weiter", war die nächste Nachricht.

Handout photo of French special forces escort Afghan refugees as they board a French Air Force Airbus A400M aircraft at Kabul airport, Afghanistan on August 23, 2021. Photo by Etat Major des Armees vi ...
Menschen steigen am Flughafen Kabul in eine Militärmaschiene – so viel Glück hatten die wenigsten Afghanen.Bild: abaca / ABACA

Ja, im Sommer kam politisch und gesellschaftlich alles mit voller Wucht zurück, was gefühlt die ganze Zeit unter Corona und all der Ungerechtigkeit, Furcht und Leid, die damit zusammenhängen zugedeckt war: Erst kam das Feuer, dann die Flut. Dann kam der unorganisierte und katastrophale Abzug der Truppen aus Afghanistan. Ein humanitäres Desaster.

Und so kam neben Corona plötzlich mit einem Knall die große Politik zurück. Und die Probleme, die natürlich nicht weg sind, nur weil neue dazukommen. Die Pandemie schien in dem Sommer weit weg, auch in der Politik. Es war schließlich Bundestagswahlkampf.

Ich hatte Anfang des Jahres mit meiner damaligen Mitbewohnerin diskutiert, ob es sinnvoll ist, während der Pandemie den Zirkus eines Wahlkampfes abzuhalten. Ich fand schon, denn gerade in Zeiten der Krise ist es wichtig, demokratische Strukturen zu erhalten und der Bevölkerung eine Wahl zu lassen, finde ich. Meine Mitbewohnerin sah das anders. Sie meinte, die Gesundheit und der Bevölkerungsschutz müssten vorgehen. Die Ablenkung durch eine Wahl würde nur noch mehr Inkonsistenz in die Pandemiebewältigung bringen.

SPD, B
Robert Habeck (Grüne), Annalena Baerbock (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) bei einer Pressekonferenz.Bild: imago images / Chris Emil Janssen

Ich bin immer noch meiner Meinung, auch wenn ich meiner damaligen Mitbewohnerin mittlerweile in Teilen Recht geben muss: Auch ich habe das Gefühl, dass die Wahl nicht sonderlich zur Bekämpfung der Pandemie beigetragen hat. Die folgende Übergangsphase Entscheidungen zu lange verzögert hat.

Denn auch dieser zweite Coronasommer ging vorbei und wir schlitterten sehenden Auges in die vierte Welle. Höher als alle Wellen davor. All die Hoffnung, die ich in die Impfkampagne gesetzt hatte, verpuffte langsam. Und es folgte mal wieder eine Phase der Wut, die auf niemanden gerichtet ist.

"Wir gingen feiern und hatten Spaß, weil es danach nicht mehr möglich war."

Weltschmerz oder latente Unzufriedenheit könnte man diesen Zustand auch nennen. Ich rechnete im November stark mit einem weiteren Lockdown. Hatte auch ein bisschen Angst davor. Glücklicherweise aber blieben wir in Berlin davon verschont.

Bei meinen Freunden in Leipzig war das anders. Ich war Anfang November dort, und sehr spontan war es das letzte Wochenende vor dem Teil-Lockdown. Wir gingen feiern und hatten Spaß, weil es danach nicht mehr möglich war. Meine Freunde hatten wenige Tage später eine rote Kachel auf ihrer Warn-App. Ich hatte Glück, meine war weiterhin grün.

DEU/Deutschland/Sachsen/Dresden, 28.11.2021, Abgesagte Weihnachtsmaerkte, Striezelmarkt Dresden, Aufgrund der Corona-Pandemie wurden Weihnachtmaerkte in Sachsen abgesagt. Der traditionelle Striezelmar ...
Weihnachtsmärkte fielen in Sachsen komplett aus.Bild: picture alliance / Andreas Franke

Krank geworden ist keiner der beiden. Nochmal davongekommen. Und doch mussten sie von dem Wochenende zehren bis in den Januar. "Wir dürfen eigentlich nichts, außer shoppen", fasste meine Freundin das Lebensgefühl zusammen. Mitte Januar war ich wieder in Leipzig – wenige Tage, bevor der Teil-Lockdown aufgelöst wurde. Mein Kumpel sagte: "Toll, du bist die Lockdown-Fee". Ein fragwürdiger Titel, finde ich.

Mittlerweile sind wir in der Omikron-Welle angekommen, die Inzidenzen steigen in abstruse Höhen. Bei 1227 lag sie am Montag bei mir zuhause in Berlin-Schöneberg. Wahnsinn – am selben Tag beschloss die Ministerpräsidentenkonferenz, Testkapazitäten einzuschränken. Mein Eindruck der vergangenen Wochen verfestigte sich: Die Politik, so schien mir, kapitulierte. Vor den Zahlen, vor Omikron, vor jenen, die sich nicht Impfen lassen wollen. Die Impfpflicht, ein Vorstoß, der mir Hoffnung machte, schien wieder in weiter Ferne.

BERLIN, GERMANY - DECEMBER 21: Chancellor of Germany Olaf Scholz (R) and Berlin Mayor Franziska Giffey depart a press conference after a meeting with the heads of Germany's federal states about C ...
Franziska Giffey und Olaf Scholz (beide SPD) bei der Pressekonferenz nach der MPK.Bild: Getty Images Europe / Pool

Und ich überlegte mir, ob ich nun, frisch geboostert, auch kapitulieren sollte. Ob ich mir zu viele Gedanken mache. Ob ich nicht doch wieder in Bars gehen sollte, ein bisschen Leichtigkeit erleben. In die Boulderhalle und ins Kino hatte ich mich ja auch getraut. Und trotzdem entschieden ich und meine Freundinnen uns am vergangenen Wochenende dagegen und zogen wieder einmal die Wohnung in Neukölln einer vollen Bar vor.

Auch jetzt, zwei Jahre, nachdem sich die Pandemie in unser Leben gedrängt hat, schwanke ich zwischen Hoffnung und Resignation. Denn langsam wird mir klar, dass das Leben, wie es vorher war, auf diese Art und Weise wohl nicht zurückkommen wird. Zum einen, weil ich mich verändert habe und auch älter geworden bin.

"Vielleicht also ist Corona auch nur der Auftakt zu einer neuen Zeit."

Zum andern habe ich den Eindruck, dass das vielen so geht. Dass wir unsere soziale Batterie wieder aufladen müssen. Neu lernen müssen, viel Zeit mit vielen Menschen zu verbringen, statt weiterhin zu biedermeiern.

Und ich habe den Eindruck, dass die nächsten Krisen nur auf uns warten. Vielleicht also ist Corona auch nur der Auftakt zu einer neuen Zeit. Und wenn es nach mir geht, kann diese langsam mal beginnen. Vor allem, wenn das bedeutet, dass wir die Pandemie endlich hinter uns lassen können.

Everyone must wear a respirator before leaving the house to protect against Covid-19's virus and germs.
Symbol der Pandemie: die Maske – und diese Sorte gilt im Moment nicht mal mehr als ausreichend sicher. Langsam reicht es auch.Bild: iStockphoto / Rattankun Thongbun