Da ist gerade etwas Dummes passiert im EU-Parlament. Die Volksvertreter dort haben den Artikel 17, der einmal der Artikel 13 war, und das neue Urheberrecht beschlossen. Das Dumme lauert dabei nicht zwangsweise nur in den Inhalten dieser neuen Richtlinie. Nein, wer in den vergangenen Tagen und auch heute aufmerksam die Debatte verfolgt hat, der erlebte:
Politiker, die sich um sich selbst drehen.
Einen Entscheidungsapparat, der nicht mitdenkt und trotzdem stur handelt.
Am Schlimmsten aber: EU-Vertreter, die geradezu zynisch auf ihr Wahlvolk hinabblicken.
Es stimmt schon, wir müssen die Ruhe bewahren, abwarten, was das neue Urheberrecht wirklich für Implikationen haben wird. Auch der Weg hinter einer Abstimmung für ein EU-Gesetz bleibt weit.
Vielleicht finden die großen Plattformen ja doch noch einen anderen Weg als den Einsatz berüchtigter Upload-Filter, um das neue Urheberrecht durchzusetzen.
Vielleicht finden sich auch noch tapfere Kläger, die das neue Gesetz vor dem Europäischen Gerichtshof zu Fall bringen können.
Vielleicht bleibt es auch einfach beim Ist-Zustand, weil sich die neue Norm am Ende technisch gar nicht machen lässt und die Länder der EU bei der Umsetzung auf Duldung des Bewährten setzen.
Allein aufgrund der Rechtsunsicherheit, die jetzt auf junge Unternehmen wartet, werden vermutlich auch noch die nationalen Gerichte bei Klagen neue Tatsachen schaffen können.
Nicht alle dieser Szenarien sind wahrscheinlich, dennoch zeigen sie einen Ausweg. Devise: Don't Panic! Aber wütend sollte man durchaus sein, selbst wenn man keinerlei Ahnung hat, worum es beim Artikel 13 inhaltlich geht.
Das wirklich Dumme an der ganzen Geschichte bringt nämlich Piraten-Politikerin Julia Reda am Dienstag auf den Punkt, in der letzten Debatte vor der Abstimmung.
Reda sagte:
"Noch nie wurden Proteste von diesem Haus so konsequent ignoriert."
Vielleicht geht diese Aussage nicht einmal weit genug. Vielleicht müsste man Sätze sagen wie: "Noch nie hat dieses Haus öffentlich so eine Demokratie-verächtliche Schlammschlacht angezettelt". Denn wer als Beobachter einmal wegschaut von der inhaltlichen Kritik an Artikel 13, der erlebt ein Verständnis von Demokratie bei den EU-Vertretern vor allem der Union, das nur schwer auszuhalten ist.
Da kommt kurz vor der Abstimmung heraus, dass der Artikel 13 offenbar vor allem Teil eines Kuhhandels zwischen Deutschland und Frankreich ist. Eigentlich geht es um etwas ganz anderes und die Tatsachen sind lange vor der Abstimmung geschaffen. (FAZ)
Da bleibt die CDU/CSU in Europa, namentlich Daniel Caspary, vehement bei der manipulativen Behauptung, die Demonstranten seien bezahlt worden. Das stimmt so schlicht nicht und ist so populistisch, dass die eigene Partei in Deutschland sich für die Aussagen schämt.
Da ist der Wegbereiter von Artikel 13, Axel Voss, der bis zum Abstimmungstag jedem erzählt, der es hören möchte: Die Tausenden Demonstranten auf der Straße hätten keine Ahnung von der Materie und seien systematisch aufgescheucht worden. Günther Oettinger übrigens gefällt das.
Da hält selbiger Voss bis kurz vor der Entscheidung die Mär hoch, dass eine Ablehnung des Artikel 13 zu einem Ende des neuen Urheberrechts führen würde. Was so ebenfalls nicht stimmt, aber verunsichern soll.
Da ist eine Verleger Zeitungslandschaft in Deutschland, die in ihren Meinungsartikeln noch am Wochenende etwa von der "Chimäre" der Upload-Filter schreibt, der Demonstranten blind folgten. Ein Totschlag-Argument ohne Inhalt, dem viele Tech-Experten (und die Logik) widersprechen.
Da sind all die Zwischenfälle: Skandalöse PR-Videos bei der EU, verstörende Interviews mit Axel Voss, Abstimmungs-Geschacher bei der Union, Artikel 17 statt 13, und, und, und (Lest hier eine Zusammenfassung)
Das alles bleibt neben der Entscheidung hängen. Die wichtigsten Befürworter haben zu keinem Zeitpunkt die inhaltlichen Argumente der Gegner aufgegriffen und sich mit den technischen Implikationen ihrer Norm auseinandergesetzt. Wo die Demonstranten von Meinungsfreiheit sprachen, redeten Voss und Co. von ein paar Gifs, Memes und Katzenbildchen. Sie spielten herunter, nahmen nicht ernst, schwiegen Folge-Probleme tot.
Das aber ist ein seltsames Verständnis von Demokratie. Kurz vor den Wahlen nimmt die EU in ihrem Ansehen vor allem bei den jungen Wählerinnen und Wählern von morgen damit schweren Schaden. Aber wer das schreibt, hat bestimmt von der Materie sowieso keine Ahnung, oder?
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