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"Wind-an-Land"-Gesetz: Wie die Bundesregierung Windkraft jetzt ausbauen will

Bürgermeister, Lokalpolitiker und interessierte Bürger besichtigten die Turbinen auf einer Windkraftanlage mit geöffnetem Dach. (Luftaufnahme mit einer Drohne) Die Landesenergie- und Klimaschutzagentu ...
Die Bundesregierung will mit dem neuen "Wind-an-Land"-Gesetz die Windkraftenergie ausbauen.Bild: dpa / Jens Büttner
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"Wind-an-Land"-Gesetz: Wie die Bundesregierung Windkraft jetzt ausbauen will

15.06.2022, 19:2116.06.2022, 10:22
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Seit Dienstag hat Russland seine Gaslieferungen über Nord Stream 1 stark gedrosselt, was die Energieversorgung in Deutschland unter Druck setzt. Um die Energiewende deshalb "drastisch" zu beschleunigen, hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch ein Gesetzespaket vorgelegt, das sogenannte Wind-an-Land-Gesetz.

Dieses soll den Ausbau von Windkraftanlagen deutschlandweit vorantreiben und nimmt dafür die Länder in die Pflicht: Das Kabinett beschloss dafür einen Gesetzentwurf, der für jedes Bundesland vorgibt, wie viel Platz für Windkraftanlagen zur Verfügung gestellt werden muss. Der konsequente Ausbau der Erneuerbaren sei sowohl für den Klimaschutz als auch für die Unabhängigkeit von fossilen Energielieferungen aus Russland wichtig, betonte Bundeswirtschaftsminister Habeck.

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Robert Habeck, Klara Geywitz und Steffi Lemke bei der Bundespressekonferenz zum Gesetzesentwurf Wind-an-Land und Bundesnaturschutzgesetz in Berlin.Bild: Flashpic / Jens Krick

Gesonderte Ausbauziele von Windkraftanlagen je Bundesland

Das Ziel: Spätestens 2032 sollen in Deutschland zwei Prozent der Gesamtfläche der Bundesrepublik für Windkraft zur Verfügung stehen – bisher sind es lediglich 0,5 Prozent. Wie Robert Habeck, zusammen mit Klara Geywitz, Bundesministerin für Stadtentwicklung und Bauwesen und Steffi Lemke, Bundesministerin für Umwelt vorstellte, sieht der Entwurf für die Windenergienutzung in den einzelnen Bundesländern gesonderte Ausbauziele vor. Die hieraus für die einzelnen Bundesländer folgenden Ausbauziele legt das sogenannte Windflächenbedarfsgesetz, basierend auf einer Flächenpotenzialstudie, fest:

Demnach müssen dem Entwurf zufolge in Brandenburg, Hessen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Thüringen jeweils 2,2 Prozent der Fläche für Windkraft nutzbar machen. Dagegen gilt für Baden-Württemberg, Bayern, Nordrhein-Westfalen und das Saarland eine Vorgabe von lediglich 1,8 Prozent. Die anderen Flächenländer liegen dazwischen. Für die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen gilt eine Mindestfläche von lediglich 0,5 Prozent ihres Gebiets.

Zur Flächenbestimmung sagte Habeck, es gehe vor allem um die "Windhöffigkeit", also die Frage, wie viel Wind in den verschiedenen Regionen weht. Eine Rolle bei der Flächenauswahl spielten außerdem die Größe der Naturschutzgebiete im jeweiligen Bundesland, die Dichte der Besiedlung und weitere Faktoren.

Länder könnten Kompensationen ausmachen

Die Länder können zudem per Staatsvertrag untereinander regeln, dass das eine mehr Flächen ausweist und somit Verpflichtungen des anderen übernimmt – dafür können auch Kompensationen vereinbart werden. Die Vorgaben müssen dem Entwurf zufolge bis zum 31. Dezember 2032 erreicht werden. Für Ende 2026 ist bereits jeweils ein Zwischenziel vorgegeben.

Werden die Flächenziele nicht erreicht, sollen strenge Abstandsregeln gekippt werden. Rund 30.000 Windräder gibt es derzeit in Deutschland. Bis 2030 werde man eine Zahl haben, die zwischen Verdoppelung und Verdreifachung liege, rechnete Habeck vor. Dabei sei berücksichtigt, dass mittels "Re-Powering" alte durch leistungsstärkere Windräder ersetzt würden.

Senkung von CO2-Emissionen "nur durch einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien schaffen"

Als Reaktion auf die Kabinettsbeschlüsse rechnete Habeck am Mittwoch in der Bundespressekonferenz damit, dass vielerorts "Sorgen, Widerstände oder Ängste auslösen werden": Diese müssten ernst genommen werden, sie dürften aber das Ausbauziel insgesamt nicht blockieren.

"Wenn man den Ausbau nicht will, dann sagt man letztlich, dass man die Klimaschutzziele der Bundesregierung nicht will."
Robert Habeck
bundesWirtschaftsminister

Eine Zahl, die für viele Windkraftgegner eine Horrorzahl sein dürfte. Die Bürgerinitiative "Vernunftkraft" kritisierte, die Regierung wolle mehr Windkraft "mit der Brechstange". Der Schutz von Gesundheit und Lebensqualität der vom Windkraftausbau betroffenen Menschen sowie von Naturräumen, Arten und Landschaften solle massiv ausgehöhlt werden.

Habeck aber hatte eine deutliche Botschaft: Deutschland könne Ziele zur Senkung von CO2-Emissionen nur durch einen massiven Ausbau der erneuerbaren Energien schaffen. Gegenüber Windkraftgegnern sagte er: "Wenn man den Ausbau nicht will, dann sagt man letztlich, dass man die Klimaschutzziele der Bundesregierung nicht will. Denn mir fällt kein dritter Weg ein (ohne die Windenergie Anm. d. Red.) aus dieser Lage sonst herauszukommen."

Standortvorteile nutzen und Kommunen finanziell an Windenergie beteiligen

Habeck betonte stattdessen, dass Bürgerinnen und Bürger oder auch die Kommunen an den Windkraftanlagen beteiligt werden müssten und die Windkraft einen Mehrwert für die Menschen in den Regionen bringe, "wenn man es klug anstellt". Denn die Erneuerbaren würden sich zunehmend gerade für die Ansiedlung von Unternehmen als "Standortvorteil" erweisen.

Um die neu festgelegten Ziele zu erreichen, rüttelt der Bund auch an der Länderöffnungsklausel, die es den Ländern bislang erlaubt, Mindestabstände der Windräder von bis zu einem Kilometer zu Wohngebieten festzulegen. Solche Klauseln sollen weiter möglich sein – die Vorgaben wären aber "im Falle der Zielverfehlung unanwendbar", heißt es im Entwurf.

Ein Windrad steht auf einem Feld nahe einer kleinen Ortschaft.
Ein Windrad steht auf einem Feld nahe einer kleinen Ortschaft. Der Abstand könnte nun legal schrumpfen.Bild: dpa / Jonas Walzberg

Platz für Windräder mit Gesetznovelle "grundsätzlich überall möglich"

Falls die Flächenziele verfehlt würden, sei eine "allgemeine Privilegierung von Windrädern im Außenbereich" die Folge, führt Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) in der Bundespressekonferenz aus: Damit könnten grundsätzlich außerhalb besonderer Schutzbereiche wie Naturschutzgebieten überall Windräder installiert werden.

Ebenfalls vom Kabinett beschlossen wurde ein Entwurf zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Hierbei geht es darum, bundeseinheitliche Standards für die artenschutzrechtlichen Prüfungen festzulegen, die im Genehmigungsverfahren für neue Windkraftanlagen vorgeschrieben sind.

Gemischte Reaktionen auf Kabinettsbeschluss

Ausgehend von den vorgestelltem Gesetzesentwurf warnten Naturschützer, dass Regelungen zum Artenschutz nicht aufgeweicht werden dürften. Greenpeace begrüßte den Kabinettsbeschluss: "Die Bundesregierung macht endlich Fortschritte bei der Stärkung der Windenergie". Das sei "nach den mageren Zuwächsen der vergangenen Jahre" eine gute Nachricht. Mehrere Unternehmensverbände aus dem Energiebereich warnten allerdings, die vereinheitlichten Artenschutzvorgaben seien zu ungenau formuliert. Dadurch könnten die oft Jahre dauernden Genehmigungsprozesse nicht wie erhofft verkürzt, sondern sogar noch verlängert werden, erklärten der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), der Bundesverband Windenergie (BWE) und der Verband kommunaler Unternehmen (VKU).

(mcm/ mit Material von dpa)

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