"Stadtbild"-Aussage: Wegner widerspricht Merz – "halte ich für falsch"
"Wir haben natürlich immer noch im Stadtbild dieses Problem." Diese Aussage von Kanzler Friedrich Merz klingt ohne Kontext erst einmal sachlich und unspektakulär. Doch der CDU-Chef sprach nicht etwa von Betonbauten, verdreckten Innenstädten oder unzähligen Baustellen: Sondern über als migrantisch gelesene Menschen.
Die Aussage tätigte Merz, als er am Dienstag von einem Reporter auf das Erstarken der AfD angesprochen wurde. Er erklärte daraufhin unter anderem, dass man nun frühere Versäumnisse in der Migrationspolitik korrigiere und dass man Fortschritte mache.
"Wir haben in dieser Bundesregierung die Zahlen August '24/August '25 im Vergleich um 60 Prozent nach unten gebracht", erklärte Merz. Dann folgte die Stadtbild-Aussage.
Was genau Merz damit gemeint hat, bleibt Interpretationssache. Er fügte noch an: "Deswegen ist der Bundesinnenminister ja auch dabei, jetzt in sehr großem Umfang auch Rückführungen zu ermöglichen und durchzuführen."
Seitdem hat sich das Video langsam aber sicher über das Internet verbreitet und teils Entsetzen ausgelöst. Der Tenor: Merz' Aussage ist rassistisch, weil er Geflüchtete, Migrant:innen und Zugewanderte als optisches Problem wahrnimmt.
Merz' "Stadtbild-Aussage": Wegner widerspricht
Widerspruch erntete Merz von vielen Seiten. Natürlich aus der Opposition – vereinzelt aber auch aus den eigenen Reihen. Der prominenteste CDUler, der sich zu der Thematik kritisch äußerte, ist Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner.
Wegner gehört gar zur Parteispitze, ist als Bürgermeister des Stadtstaates Berlin Mitglied im Deutschen Bundesrat und ist beratendes Mitglied im CDU-Präsidium.
Er wurde auf einer Auslandsreise nach Namibia vom "Tagesspiegel" und der "Berliner Morgenpost" auf Merz' Aussagen angesprochen und zeigte sich nicht gerade angetan. Demnach sagte Wegner dem "Tagesspiegel":
"Gewalt, Müll und Kriminalität" seien demnach in der Stadt zwar Probleme, aber das könne man "nicht an der Nationalität festmachen". Wegner warnte zudem vor Aussagen, die nicht an Fakten orientiert sind: "Kriminalität sollte man nie mit einem Gefühl begegnen, sondern immer mit belastbaren Zahlen." Statistisch belegte Täterkreise solle man zwar benennen, "aber das zu pauschal zu sagen, halte ich für falsch".
Gegenüber der "Berliner Morgenpost" äußerte Wegner zudem die Vermutung, die Berliner:innen würden sich nicht über das vielfältige, internationale Stadtbild ärgern.
Dennoch stellte auch Wegner klar: "Bei der Integrationsfähigkeit stoßen wir aber an unsere Grenzen." Er forderte größere Bemühungen beim Abschieben und "bessere Rückführungsabkommen" von der Bundesregierung.
Merz erntet Kritik aus allen demokratischen Parteien
Wegner distanziert sich immer wieder inhaltlich von Merz und anderen mächtigen Konservativen in der CDU. Er stritt sich bereits im November 2023 öffentlich mit Merz über eine Reform der Schuldenbremse und forderte Zukunftsinvestitionen.
Im Juli 2025 hisste Wegner zudem die Regenbogenflagge vor dem Roten Rathaus in Berlin und betonte, dass Berlin in der Queerpolitik "deutlich weiter" sei als die Bundes-CDU. Damit distanzierte er sich auch von Bundestagspräsidentin Julia Klöckner, die die Flagge während des Berliner CSDs nicht auf dem Bundestag hissen wollte.
Zur "Stadtbild"-Aussage erhielt Merz vor allem von den Grünen und Linken Kritik. Grünen-Chef Felix Banaszak forderte Merz zu einer Entschuldigung auf. "Wenn der Bundeskanzler von einem Stadtbild auf die Notwendigkeit weiterer Abschiebungen schließt, dann sendet er ein fatales Signal. Das ist respektlos. Das ist gefährlich. Und das ist eines Kanzlers unwürdig", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.
Linken-Fraktionsvorsitzender Sören Pellmann warf Merz am Donnerstag im Bundestag vor, "einen weiteren Stachel in unsere Demokratie gesetzt" zu haben.
Auch vom Koalitionspartner SPD gab es deutliche Worte: Rasha Nasr, Sprecherin für Migrationspolitik in der SPD-Bundestagsfraktion, vermutete laut "Spiegel", Merz' Aussage sei "keine unbedachte Formulierung. Das ist Zunder in einer aufgeheizten Debatte. Solche Worte tragen nicht zur Lösung bei, sie spalten weiter."
(mit Material der dpa)