Zu Silvester leuchtet der Himmel über den Landungsbrücken in Hamburg. Doch können die Feuerwerke trotz der Pandemie stattfinden? Bild: dpa / Jonas Walzberg
Exklusiv
03.12.2021, 07:5103.12.2021, 07:52
Die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland hat einen neuen Höchststand erreicht – das ist die Eilmeldung, die seit Wochen tagtäglich durch die Medien geht. Auch wenn die Zahl der Corona-Neuinfektionen, die die Gesundheitsämter dem Robert Koch-Institut gemeldet haben, an diesem Donnerstag den dritten Tag in Folge gesunken sind, liegt die Inzidenz noch immer bei 439,2. Zum Vergleich: Am 22. Dezember 2020 lag sie bei 197,6, dem damaligen Höchststand. Damals hatten sich Politikerinnen und Politiker dazu entschieden, Silvesterfeuerwerke bundesweit abzusagen – um die Intensivstationen nicht zusätzlich mit Verletzten zu belasten.
Und dieses Jahr? Die Zahlen steigen rapide, die Intensivstationen sind voll. Mediziner, Epidemiologinnen und Wissenschaftler warnen vor einer Überlastung der Intensivstationen. Schon jetzt müssen Corona-Patienten zum Teil in andere Städte transportiert werden. Die Not ist groß. Doch die Politikerinnen und Politiker zögern eine Entscheidung zur Absage der Feuerwerke hinaus. Auf eine Anfrage von watson stellte sich heraus: Berlin, Köln, München – in zahlreichen Städten steht eine Entscheidung noch aus. Absagen? Oder stattfinden lassen und damit eine Explosion der Infektionszahlen riskieren?
Böllerverbot soll beschlossen sein
Nachdem auf dem Corona-Gipfel von Bund und Ländern am Dienstag keine konkreten Maßnahmen verabschiedet worden waren, wird laut der neuen Vorlage für den heutigen Gipfel allem voran über Sport- und Kulturveranstaltungen gestritten. Nach Informationen von "Bild" haben sich die Teilnehmer auf ein Verkaufsverbot für Böller und Feuerwerk an Silvester geeinigt. Von Bund und Ländern beschlossen wurden zudem ein allgemeines Böllerverbot an durch die Kommunen definierten Plätzen, als auch ein bundesweites An- und Versammlungsverbot. Das hatten insbesondere die Ministerpräsidenten von CDU und CSU gefordert.
Viele Händler gingen bereits vor dieser Entscheidung mit gutem Beispiel voran und haben sich dazu entschlossen, ihre gesellschaftliche Verantwortung ernst zu nehmen und den Verkauf von Pyrotechnik in diesem Jahr einzustellen. Unter anderem Amazon, Hornbach, Bauhaus, Hagebau und dm haben sich laut der Deutschen Umwelthilfe aufgrund der katastrophalen Entwicklung der Covid-19-Pandemie dazu entschieden, keine Böller zu verkaufen, weil "es dieses Jahr wichtiger denn je [ist], dadurch die zusätzliche Belastung durch Böller-Verletzte von Rettungsdiensten, Kliniken und medizinischem Personal zu verhindern".
Hamburg appelliert an Eigenverantwortlichkeit der Bürgerinnen und Bürger und verbietet Böller
In Hamburg ist die Lage noch unklar. "Es wäre momentan nicht ausgeschlossen, dass das Feuerwerk an den Landungsbrücken stattfinden kann", sagt Frank Reschreiter, Sprecher der Behörde für Sport und Inneres in Hamburg gegenüber watson. "Es gibt aber einen Appell an die Eigenverantwortlichkeit der Bürger, doch bitte auch an Silvester aus Infektionsschutzgründen an die Abstände zu denken."
Normalerweise ist zum Feuerwerk an den Hamburger Landungsbrücken viel los. Wie wird es im Jahr 2021 aussehen? Die Politiker appellieren an die Eigenverantwortlichkeit der Bürger. Bild: dpa / Jonas Walzberg
Aus Sicherheitsgründen werde es aber, wie schon 2019, ein Böllerverbot rund um Binnenalster, Jungfernstieg und den Rathausmarkt geben. "Das hat allerdings nichts mit Corona zu tun, sondern lediglich damit, dass es aufgrund nicht eingehaltener Abstände ein erhöhtes Verletzungsrisiko beim Böllern gibt", so Reschreiter. In einer Pressemitteilung vom 5. November pochte Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion, auf die Solidarität der Bürger, "zum Jahreswechsel auf Feuerwerk zu verzichten oder dessen Nutzung zumindest einzuschränken, um das ärztliche und pflegerische Personal nachhaltig zu entlasten".
Abgespecktes Lichterspektakel in Köln?
In Köln wurde bereits im September darüber entschieden, das große Feuerwerk durch ein kulturelles Rahmenprogramm in abgespeckter Form und eine Lichtershow an den Fassaden rund um den Roncalliplatz zu ersetzen. Doch jetzt ist unklar, ob das Event selbst in abgespeckter Form stattfinden kann. "Hierzu finden derzeit stadtinterne Überlegungen statt", sagt Alexander Vogel, Sprecher der Stadt Köln, gegenüber watson.
Noch Silvester 2019 explodierte ein buntes Feuerwerk über den Dächern des Kölner Doms. Bild: Zoonar.com/manfredxy / manfredxy
In Leipzig wird das Böllern Stand jetzt erlaubt sein
Laut dem Ordnungsamt der Stadt Leipzig ist ein großflächiges oder auch stadtweites Feuerwerksverbot an Silvester nicht möglich. "Inwiefern, vergleichbar zum letzten Jahr, großflächige Abbrennverbote aufgrund der Regelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie möglich sind, um dadurch Menschenansammlungen zu verhindern, kann aktuell aufgrund der dynamischen Gesetzes- und Verordnungslage nicht eingeschätzt werden", sagt David Quosdorf vom Referat Kommunikation. "Dies ist letztlich sicher auch vom weiteren Verlauf der Pandemie abhängig." Unabhängig davon würden aber aufgrund spezieller rechtlicher Grundlagen die ganzjährigen Abbrennverbote in Naturschutzgebieten und Wäldern auch zu Silvester gelten.
In Frankfurt stimmen sich die Dezernate über mögliches Verbot noch ab
"Wir beobachten die Zahlen derzeit sehr intensiv", sagt Stefan von Wangenheim, Sprecher des Dezernats für Ordnung, Sicherheit und Brandschutz in Frankfurt gegenüber watson. "Aber wir sind bislang nicht überein gekommen, das Feuerwerk absagen zu müssen." Natürlich, so von Wangenheim, vertrete das Dezernat für Gesundheit einen anderen Standpunkt als verschiedene andere Dezernate, die ebenfalls an der Entscheidung beteiligt seien. "Deswegen diskutieren wir besonders intensiv darüber, ob und wie das Feuerwerk stattfinden kann."
München hofft auf bundes- oder landesweite Regelung
Schon zum Jahreswechsel 2019/2020 gab es am Marienplatz und in der Fußgängerzone bis einschließlich Stachus sowie am Viktualienmarkt in München ein komplettes Feuerwerksverbot. Der Grund: Laut dem Polizeipräsidium ist die Gefahr dort durch waagerecht in Menschenmengen abgefeuerte Raketen nicht länger zu verantworten.
Eine Rechtsgrundlage für ein generelles Abbrennverbot von Pyrotechnik jeder Art im gesamten Stadtgebiet und im privaten Bereich bestehe bislang aber nicht – "auch nicht mit Bezug auf die aktuelle Lage", wie Johannes Mayer, Sprecher der Stadt München watson gegenüber sagte. Möglich wäre ein solches Komplettverbot [von Feuerwerken] auf Grundlage von bundesweit- oder landesweiten Regelungen, die derzeit noch nicht existieren. Sollten abhängig von der weiteren Entwicklung weitergehende städtische Regelungen möglich sein, werden sie getroffen und rechtzeitig kommuniziert", so Mayer.
Über den Türmen der Frauenkirche explodierte 2019 ein buntes Feuerwerk.Bild: dpa / Matthias Balk
Böllerei ist ein Stressor für Tiere und Umwelt
Froh über eine Absage der Feuerwerke wären vor allem Natur- und Tierschutzorganisationen wie der Naturschutzbund Deutschland (Nabu). "Durch das Böllern entsteht gesundheitsschädlicher Feinstaub und viel Müll, der oft liegen bleibt", sagt Silvia Teich, Referentin des Nabu gegenüber watson. "Das ist natürlich nicht gut für die Umwelt, besonders, wenn in der Natur, am Strand oder abseits von Siedlungen geböllert wird."
Zudem sei der Lärm für Wildtiere, aber auch Haus- und Nutztiere ein Stressor. "Vögel werden von lautem Feuerwerk aufgeschreckt. Gefiederte Höhlenbewohner wie die Meise erwachen und geraten in Stress, Wasservögel fliegen teilweise auf, was sie viel Energie kostet. Anschließend brauchen sie lange, bis sie wieder zur Ruhe kommen", so Teich. Zwar fordert der Bundesverband derzeit kein Böllerverbot – entgegen einzelner Landesverbände wie beispielsweise Hamburg – aber "wir bitten Naturfreunde und Naturfreundinnen, möglichst auf Silvesterfeuerwerk zu verzichten".
Nach der Silvesternacht türmen sich die Müllberge in den Straßen.Bild: dpa-Zentralbild / Kira Hofmann
Laut dem Umweltbundesamt werden jährlich rund 2.050 Tonnen Feinstaub durch das Abbrennen von Feuerwerkskörpern freigesetzt, ein Großteil davon in der Silvesternacht. Das entspricht rund einem Prozent der Gesamtmenge an freigesetztem Feinstaub im Jahr. Diese Luftbelastung stellt eine Gefahr für die Gesundheit von Menschen und Tieren dar. Der Eintrag von Plastik in die Umwelt sowie die enormen Müllmengen können zudem ökologische Schäden verursachen.
Die rätselhaften Klumpen an der Küste Neufundlands in Kanada sind ein Mysterium. "Blobs" nannten die Einheimischen die rätselhaften Kleckse, die schon seit September aus dem Wasser auftauchen. Seitdem fragen sich Expert:innen, Umweltschützer:innen und alle anderen: Was ist das?