Beim Nato-Gipfel in Madrid wurde darüber diskutiert, inwiefern die Klimakrise als Katalysator für Terrorismus und bewaffnete Konflikte dient. Während am ersten Tag die Aggressionen Russlands im Mittelpunkt standen, ging es am Donnerstag um Terrorismus und Hungerkrisen im Globalen Süden. Fest steht: Die Klimakatastrophe verschärft bestehende Probleme. Klimamigration, Wasser- und Nahrungsknappheit sind nur einige der Auswirkungen der Klimakrise, die den kommenden Jahren immer stärker in den Fokus rücken und auch den Globalen Norden betreffen werden.
Watson hat mit drei Expertinnen darüber gesprochen, inwiefern die Klimakrise ein Sicherheitsrisiko darstellt – und was von der Nato unternommen werden muss, um diese Krise noch abzuwenden oder zumindest abzuschwächen.
Die Klimakrise stellt bereits jetzt ein Sicherheitsrisiko für viele Menschen dar, insbesondere für jene, die in den Ländern des globalen Südens leben – und zwar gleich aus mehreren Gründen: Hitzewellen, Dürren, Überschwemmungen und andere Umweltkatastrophen geschehen immer häufiger. Das zieht wiederum Ernteausfälle und damit auch Hungersnöte nach sich.
Aydan Özoğuz (SPD), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, erklärt gegenüber watson:
Die Nato verfolge das Thema Klimakrise schon seit Längerem und habe im letzten Jahr bereits den "Climate Change and Security Action Plan" als wichtiges Grundsatzdokument verabschiedet, wie Özoğuz berichtet. Gelungene Sicherheitspolitik im 21. Jahrhundert funktioniere leider nicht ohne Beachtung der Klimakrise.
Die Knappheit von Ressourcen wie Lebensmitteln und Wasser werde die Armut verstärken und die institutionelle Stabilität angreifen. Merle Spellerberg (Grüne), Nato-Expertin und Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, warnt ebenfalls vor den Gefahren des Extremismus, der nicht nur ein Risiko für die Menschen vor Ort, sondern auch über Staatsgrenzen hinaus darstelle. Sie ist sich sicher: "Die Klimakrise wird sich als Sicherheitsrisiko verstetigen und dramatischere Folgen annehmen."
Susanne Dröge ist Senior Fellow bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Sie erklärt, dass die Versorgungsengpässe Menschen zur Migration zwingen würden. Dies würde aber weiter zur Destabilisierung beitragen, wie die Klimapolitik-Expertin weiter ausführt:
Grundsätzlich stellt die Klimakrise für alle Menschen der Welt ein Sicherheitsrisiko dar. Einige Länder können dies jedoch besser als andere abfedern. Susanne Dröge erklärt gegenüber watson: "Die Industriestaaten können Migrationsströme und Versorgungsengpässe aufgrund ihrer vergleichsweise guten und stabilen Regierungsführung handhaben, ohne dass es sogleich zu Sicherheitsrisiken im engeren Sinne kommt."
Besonders negativ betroffen seien jedoch Regionen, in denen bereits jetzt Konflikte bestünden. Dröge nennt beispielsweise afrikanische Staaten wie Mali oder Somalia und auch weitere Krisengebiete wie Afghanistan, Bangladesch, Pakistan oder Indien. Doch auch in den Industriestaaten verstärkten Faktoren wie die Inflation soziale Ungerechtigkeiten.
Aydan Özoğuz sieht viele unmittelbare Probleme der Klimakrise ebenfalls in Regionen der Welt, die ohnehin schon fragil sind, wie beispielsweise auch Lateinamerika oder der Nahe Osten. Doch auch bei uns in Europa würden die Konsequenzen spürbar werden: "In einer vernetzen Welt wie der unseren tangieren globale Probleme mittelbar aber auch Europa, durch internationalen Terrorismus, Lieferkettenprobleme und Armutsmigration."
Merle Spellerberg betont zudem, dass sich der Globale Norden seiner "historischen Verantwortung" nicht entziehen dürfe. Das Handeln müsse bewusst darauf ausgelegt werden, die Bedrohung der Klimakrise abzuschwächen und auf keinen Fall noch weiter zu verstärken. Denn: "Die Klimakrise stellt für alle Menschen eine Bedrohung dar, Ausnahmen gibt es nicht."
Die Vizepräsidentin des Bundestags, Aydan Özoğuz, bewertet beispielsweise den Beitritt Finnlands und Schwedens zur Nato positiv. Dies würde "eine wichtige Flanke" schließen. Russland habe schon seit Längerem wachsende Ambitionen in der Arktis, die ein weiteres Beispiel für das sich durch die Klimakrise verändernde Sicherheitsumfeld sei. "Dies bereitet der Nato schon länger Sorge, da Russlands wirtschaftliche und militärische Interessen in dieser Region das Konfliktpotential mit europäischen Staaten erhöhen", so Özoğuz.
Die Bundestagsabgeordnete Merle Spellerberg begrüßt, dass die Nato die sicherheitspolitischen Auswirkungen der Klimakrise in die Bedrohungslage aufgenommen hat. "Trotzdem sollte die Nato sich nicht zu viele Aufgaben auf die Fahne schreiben, sondern ihren Fokus auf ihre Kernaufgaben legen", findet Spellerberg. Es sei natürlich wichtig, dass sich jede Organisation auch kritisch mit ihrer eigenen Klimabilanz auseinandersetze. Sie betont aber, dass es bereits Strukturen mit zivilem Fokus gebe, die gegen die Klimakrise kämpfen würden und die man unterstützen müsse. Sie sagt: "Das sind die richtigen Foren, um strukturelle Fortschritte zu erzielen. Genau diese wollen wir weiter stärken."
Klimapolitik-Expertin Susanne Dröge sieht keinen großen Handlungsspielraum vonseiten der Nato und sagt: "Die Nato kann hier wenig tun. Sie kann sich nicht in die Klimaverhandlungen einschalten." Allerdings könne die Nato ihre Mitglieder zu mehr Klimaschutz anregen. Doch: "Letztlich sind es die Mitgliedsstaaten, die dies selbst – auch in der Nato – verankern müssten", so Dröge.