Bild: rtr
Urlaub & Freizeit
26.07.2019, 21:0717.08.2020, 17:08
Flugscham ist derzeit in aller Munde. Auf dem Weg in die Sommerferien
dürfte bei manchem Urlauber das schlechte Gewissen mitreisen. Gut so,
finden Aktivisten von Fridays for Future. Nun demonstrieren sie
erstmals an einem Flughafen für den Klimaschutz.
Freitagmittag, Flughafen Stuttgart, Terminal 1: Es
herrscht Hochbetrieb. Tausende Reisende starten in die
baden-württembergischen Sommerferien, sie laufen durch die Halle,
warten an Schaltern, geben Gepäck auf. Plötzlich beginnt der Lärm.
Sprechchöre schallen von oben herunter in die riesige Halle. "30
Euro, Stuttgart-Berlin - wo bleibt die Steuer auf Kerosin!", rufen
die Klimaaktivistinnen und Aktivisten. Sie schreien, pfeifen, trommeln, klatschen. Die
Fluggäste blicken nach oben, manche interessiert, andere verwirrt.
Mehrere Hundert Menschen demonstrieren am Freitag am
Stuttgarter Flughafen gegen umweltschädliches Fliegen. Bei der
Protestveranstaltung am letzten Schultag vor den Sommerferien in
Baden-Württemberg handelt es sich nach Angaben der Veranstalter um
die erste Demonstration von Fridays for Future an einem deutschen
Flughafen überhaupt.
Laut Veranstalter beteiligen sich rund 350 Personen an der Aktion.
Die Aktivisten hängen Plakate und Transparente auf, skandieren
Sprüche wie "Attacke, Attacke – Fliegen ist kacke" oder "Runter mit
den Bahnpreisen – hoch Kerosinsteuer". Weitere regionale Klima- und
Umweltgruppen beteiligen sich an dem außergewöhnlichen Protest.
Steffen Siegel von der Schutzgemeinschaft Filder hebt mitten im Pulk
der Demonstranten eine Zeitungsanzeige in die Luft, dort wird ein
Flug von Stuttgart nach Bologna für 5,99 Euro angepriesen. "Das ist
schlichtweg obszön!", ruft der 74-Jährige wütend in die Menge.
Unter dem Motto "Ferienstreik fürs Klima" demonstrieren Schüler der
Bewegung am Freitag auch vor der Verwaltungszentrale des
Braunkohleunternehmens Leag in Cottbus (Brandenburg).
Der Klimaschutz ist derzeit das politische Thema schlechthin, die
Grünen sind im Höhenflug, auch das Phänomen der Flugscham ist in
aller Munde. Beginn einer neuen Protestwelle an deutschen Flughäfen?
"Es ist wichtig, dass wir auch an andere Orte gehen", sagt der 21
Jahre alte Demo-Organisator Elias Zand-Akbari von der Stuttgarter
Regionalgruppe von Fridays for Future. "Wir müssen die Leute
erreichen, die nicht zu unseren Demos auf dem Rathausplatz kommen."
Er hoffe, dass es nun regelmäßig solche Aktionen an Flughäfen gebe.
Man müsse auch nicht in Indien Urlaub machen, sagt er. Man müsse den
Leuten klarmachen, dass das Fliegen die Umwelt zerstöre. Inlandsflüge
sollten verboten werden, Kerosin gehöre ordentlich besteuert. Es sei
aber auch Sinn der Sache, den Fluggästen ein schlechtes Gewissen zu
machen.
"Das hatten wir so noch nicht", sagt eine Sprecherin des Flughafens.
Es sei gut, dass sich junge Leute engagierten. Auch dem Flughafen sei
Klimaschutz wichtig. Aber man wolle das Fliegen eben nicht verbieten,
sondern klimafreundlicher machen, etwa durch neue Treibstoffe.
Außerdem könne man Billigflieger nicht verbieten. "Wir als Flughafen
können nicht vorschreiben, wer hier fliegt und zu welchen Preisen",
sagt sie. "Das ist Marktsache."
Die Schule hat dafür diesmal niemand geschwänzt.
Schließlich wollte
man die Zeugnisvergabe nicht verpassen, wie ein Aktivist sagt. Dafür
gibt es dann im Terminal 1 gleich nochmal Zeugnisse, wenn auch eher
scherzhaft. Dutzende Teilnehmer lassen sich an einem Tisch kleine
Zeugnis-Zettel stempeln. Dort wird eingetragen, an wie vielen Streiks
man schon teilgenommen hat. Statt Schulfächer werden andere Felder
benotet, etwa "Verantwortungsbewusstsein", "Schilder basteln",
"Friedlich demonstrieren" und "Ziviler Ungehorsam". Und zwar
ausschließlich mit "sehr gut". Am Freitag bleibt es auch völlig
friedlich – wegen der räumlichen Trennung kommt es auch kaum zum
direkten Kontakt zwischen Fluggästen und Fluggegnern.
Susanne Woitsch steht unten in der Halle vor dem Schalter 158 und
blickt nach oben zu den Demonstranten. "Ich habe ein schlechtes
Gewissen", sagt sie. Die 56-Jährige aus Göppingen ist auf dem Weg
nach Amsterdam. Ein Betriebsausflug übers Wochenende mit ihren
Kolleginnen, da wollte sie nicht nein sagen. Aber sie sei schon Jahre
nicht mehr geflogen. "Das ist richtig und wichtig, weil sich sonst
nichts ändert", sagt sie zu dem Protest. "Die Politiker brauchen
Druck." Manch anderer Urlauber will sich lieber nicht zu seinen
Flugplänen äußern.
Am Ende haben die Aktivisten dann selbst sogar noch ein wenig Spaß am
Fliegen. Sie falten Dutzende Papierflieger und lassen diese unter
Pfiffen und Rufen in die Terminalhalle hinunter segeln zu den
Urlaubern – ganz klimaneutral.
(hd/dpa)
So liefen die Klima-Proteste von Aachen
1 / 14
So liefen die Klima-Proteste von Aachen
Erste internationale Klimaschutz Demonstration, Klimastreik, der Bewegung Fridays for Future, in Aachen, mit mehreren zehntausend Teilnehmern, *** First international climate protection demonstration, climate strike, of the Fridays for Future movement, in Aachen, with tens of thousands of participants,
quelle: www.imago-images.de / ['jochen tack', 'via www.imago-images.de']
Berlin - Peking mit dem Rad. Interview mit Biking Borders
Video: watson
Eine Autopanne ist für alle Autofahrer:innen ein Albtraum. Vor allem, wenn man mitten auf der Autobahn liegen bleibt – und der Abschleppdienst erstmal ein paar Stunden Zeit benötigt, um einen einzusammeln. Allein der Gedanke daran dürfte viele nervös machen.