Dass sich die Erde aufheizt, ist mittlerweile so ziemlich jedem bewusst. Dass die Hitze und die vielen weiteren Folgen der Klimakrise aber auch gesundheitliche Risiken für uns in Deutschland bedeuten, eher weniger. Dabei sollte es das sein – denn für unseren Körper sind hohe Temperaturen der Horror: Wie kühlen wir uns ab, wenn es auch im Schatten über 40 Grad heiß ist? Wo gehen wir hin, wenn unsere Schweißproduktion als körpereigene Klimaanlage an ihre Grenzen kommt?
Denn steigt unsere Körpertemperatur auf 42 Grad, sterben wir.
Das beunruhigt mich dann doch ein wenig.
Ja, ich bin jung und fit. Eigentlich. Aber wie steht es wirklich um meine Gesundheit? Wie kommt mein Körper mit der Hitze, den Pollen, der Luftverschmutzung zurecht? Und vor allem: Was droht mir in 50 Jahren?
Um das herauszufinden, mache ich mich auf den Weg zu Professorin Claudia Traidl-Hoffmann. Sie ist Direktorin der Hochschulambulanz für Umweltmedizin am Universitätsklinikum Augsburg und erforscht die Risiken der Klimakrise auf unsere Gesundheit. Sie sagt: "Wir müssen uns gesund halten. Gleichzeitig müssen wir uns bewusst machen, dass unsere Körper Grenzen haben und wir uns nicht an alle Folgen der Erderwärmung anpassen können. Selbst fitte Menschen haben da ihre Grenzen."
Als ich am Uniklinikum ankomme, ist es heiß. Die Luft steht, die Sonne knallt. Passt ja irgendwie zum Termin – immerhin will Umweltmedizinerin Traidl-Hoffmann herausfinden, wie gut mein Körper mit Hitze klarkommt.
Aber schon während der Anamnese stelle ich fest: Es geht um weit mehr als nur die gesundheitlichen Risiken durch steigende Temperaturen. Es ist – wie eigentlich immer bei der Klimakrise – komplizierter. Alles hängt mit allem zusammen.
Ein Beispiel: Wer eine Schilddrüsenunterfunktion hat, der neigt bei hohen Temperaturen zu erhöhtem Blutdruck. Heißt: Man muss hier doppelt aufpassen und darauf achten, dass das Hormon richtig eingestellt ist. Generell gilt: Bei Hitze kann die Wirksamkeit von Medikamenten schwanken, also zu schwach oder zu stark ausfallen. Das ist gerade für Ältere und Schwererkrankte ein zusätzliches Risiko.
Oder, zweites Beispiel: Die Haut als größtes Organ schützt unseren Körper vor Eindringlingen jeglicher Art – Keimen, Fremdkörpern, UV-Strahlung. Gleichzeitig reguliert sie auch den Flüssigkeits-, also Schweißverlust. Aber auch dieses Schutzschild, Hautbarriere genannt, kann dünner werden. Die Folge: Wir sind beispielsweise anfälliger für Pollen – und so auch Allergien. Und damit nicht genug. Weil es nämlich wärmer wird, zieht sich der Pollenflug über einen längeren Zeitraum, die Pollen werden mehr, aggressiver. "Wenn Sie jetzt also ein Kind bekommen, hat es eine noch viel höhere Chance, Allergien zu entwickeln", erklärt Traidl-Hoffmann.
Heute aber will die Umweltmedizinerin mich unter die Lupe nehmen. Werde ich der Klimakrise trotzen können?
Ein bisschen nervös werde ich so langsam doch.
Das macht sich auch prompt in meinem Blutdruck bemerkbar, denn der ist ein bisschen zu hoch. Traidl-Hoffmann aber winkt ab. Wir messen ihn später noch einmal. Dann misst sie meine Temperatur: 37,1 Grad. Alles in Ordnung.
Erst einmal heißt es für mich jetzt aber: Hitzestress-Test. Draußen ist es 35,1 Grad heiß – und wir machen genau das, was man eigentlich nicht machen soll bei diesen Temperaturen: In die pralle Sonne gehen und den Puls in die Höhe treiben.
Für unterwegs bekomme ich ein Pulsoximeter an den Finger – um die gesamte Zeit über meine Sauerstoffsättigung im Blut zu messen. Alles über 90 Prozent ist gut. Ich atme erleichtert aus, mein Wert schwankt zwischen 93 und 97 Prozent. Das ist schon einmal gut. Drei schnelle Runden geht es für mich über das Krankenhausgelände, dann schnell wieder rein: Blutdruck, Puls, Temperatur und Sauerstoffsättigung messen.
Die Umweltmedizinerin ist begeistert: Mein Puls sinkt innerhalb kürzester Zeit von 110 auf 63. Das ist richtig gut. Man merkt, dass ich viel Sport treibe. Mir fällt ein kleiner Stein vom Herzen. Vielleicht hat sich auch deshalb mein Blutdruck mittlerweile wieder normalisiert.
Als Nächstes folgt die Temperaturmessung: 37, 3 Grad. Das überrascht mich nun doch: Da bin ich keine fünf Minuten in der Sonne – und schon ist meine Temperatur um 0,2 Grad angestiegen.
Wie soll es da erst Dachdeckern gehen? Oder Postboten? Die sind der Sonne und Hitze immerhin den ganzen Tag über ausgesetzt.
Ich muss schlucken. Die Messung verdeutlicht, wie sehr sich die steigenden Temperaturen auf uns und unsere Gesundheit auswirken. Zwar bin ich jemand, der Sommer und Sonne liebt, aber auch ich merke, wie meine Konzentration bei der Hitze nachlässt. Wie mein Körper dagegen ankämpfen muss.
Claudia Traidl-Hoffmann bekräftigt meine Sorge. Sie sagt:
Ein Stück weit sei das aber auch Gewöhnungssache: "Jemand, der beispielsweise in Spanien wohnt, kann ganz anders mit Hitze umgehen und hat seinen Alltag schon komplett danach ausgerichtet, als jemand, der aus Hamburg kommt", ergänzt sie. So wie ich. Zwar wurde diesen Juli auch in Hamburg mit 40,1 Grad der Temperaturrekord gebrochen. Und dennoch – im hohen Norden ist es noch immer vergleichsweise kühl.
Für mich geht es jetzt in die zweite Runde des Hitzestress-Tests. Wieder drehe ich drei zügige Runden über das Krankenhausgelände. Gleiches Spiel wie zuvor.
Puls, Blutdruck und Sauerstoffsättigung verhalten sich wie bei der ersten Runde auch. Nur bei meiner Körpertemperatur lässt sich etwas Interessantes beobachten: Sie steigt nicht, wie bei der ersten Runde, sondern fällt auf 36,9 Grad ab. Trotz der Hitze, trotz der Sonne. Meine körpereigene Klimaanlage funktioniert – ich schwitze.
Nach den Tests kann ich erst einmal durchatmen, das Urteil der Umweltmedizinerin fällt gut aus: Wenn ich weiterhin so sportlich bleibe, mich weiterhin so gesund ernähre und schlank bleibe, kann ich den uns noch heißer drohenden Sommern zumindest ohne gesundheitliche Bedenken entgegenblicken.
Ich bin klimaresilient.
Ein Garant ist das dennoch nicht. "In Deutschland, in Europa zu leben ist ein Privileg", sagt Traidl-Hoffmann. "Dennoch, wir spüren den Klimawandel heute und wir werden ihn noch massiver spüren. Gleichzeitig können wir über den Klimawandel offen sprechen und müssen uns nicht um die Wasserverteilung streiten, noch nicht. Und genau das müssen wir auch an unsere Patienten vermitteln: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz."
Sie betont:
Wem das nicht Motivation genug für den Klimaschutz ist: Wenn nicht schon für den Eisbären, dann doch wenigstens für uns selbst.