Seit Dienstagmittag ist die Region Berchtesgadener Land im Lockdown. Der Kreis gehört zu den Regionen mit den bundesweit höchsten Sieben-Tage-Inzidenzen. Die Ausgangssperre trifft neben Privatpersonen auch die Wirtschaft hart. Restaurants, Freizeiteinrichtungen und Schulen mussten schließen.
Bei watson erzählt Bettina Grabner (42), Betreiberin eines Cafés in Freilassing (Berchtesgadener Land), wie sie ihren Laden durch die schwere Zeit rettet und was sie nun von der Politik fordert.
Wegen des Lockdowns kann ich mindestens in den kommenden zwei Wochen nicht öffnen. Am Dienstag hätte ich noch bis 14.00 Uhr aufmachen dürfen. Zu dem Zeitpunkt begann die Ausgangssperre. Mein Café blieb jedoch geschlossen, weil klar war, dass niemand mehr kommt.
Ich bin alleinerziehend und habe zwei Töchter. Vom Lockdown erfahren habe ich zuerst über eine Whatsapp-Gruppe, in der sich die Mütter der Mitschüler austauschen. Dort ging es um die Schulschließungen, die mit den Ausgangssperren einhergehen. Anschließend habe ich mich schlau gemacht, welche Regelungen für mein kleines Restaurant gelten. Die Recherche ging schnell: Ich muss zusperren.
Es ist bereits das zweite Mal dieses Jahr, dass der Laden geschlossen bleiben muss. Im Frühjahr überraschten mich die Maßnahmen. Ich hätte damals nie damit gerechnet, nicht mehr arbeiten zu dürfen.
Ich kann verstehen, dass die Politiker angesichts der hohen Infektionszahlen gerade handeln müssen. Wenn sie das öffentliche Leben so drastisch einschränken, müssten sie die Maßnahmen meiner Meinung nach allerdings strenger umsetzen. Man kann trotz Lockdown noch in anliegende Landkreise und über die Grenze nach Österreich fahren. Einige werden das bestimmt auch tun.
Ich fühle mich alleingelassen. Im Café haben wir alles richtig gemacht und alle Auflagen befolgt. Wir haben lückenlose Gästelisten geführt und gewährleistet, dass die Kunden den geforderten Mindestabstand zueinander einhalten können. Da wir uns nichts zuschulden haben kommen lassen, fühlt sich der Lockdown wie eine Überreaktion an. Ich bekomme keinen Lohn, dessen Zahlung einfach weiterläuft und habe selbst noch Angestellte, für die ich verantwortlich bin. Ich muss unbedingt Geld erwirtschaften, auch wenn sich das jetzt vielleicht egoistisch anhört.
Am Dienstagvormittag habe ich mit dem zuständigen Landratsamt telefoniert. Sie sagten mir, dass bis jetzt noch keine Gelder zur Unterstützung selbstständiger Gastronomen vorgesehen seien. In den kommenden zwei Wochen könnte ich einen Verdienstausfall im fünfstelligen Bereich haben. Beim großartigen Wetter derzeit wären nochmal starke Umsätze möglich gewesen.
Die Freilassinger waren nicht im Urlaub und wollten beim Essen gerne draußen sitzen. Davon haben wir profitiert. Die Zahlen waren sogar so gut, dass ich mir sicher bin, dass mein Laden unbeschadet durch den Winter kommt. Das ist beruhigend. Viele andere Gastronomen werden deutlich mehr zu kämpfen haben, auch in meinem Bekanntenkreis.
Persönlich habe ich keine Angst, wie es weitergeht. In meinem Umfeld leben keine Risikopersonen, auch meine Mutter ist erst 64 Jahre alt und noch topfit. Hätte ich beispielsweise Kinder mit Lungenproblemen, sähe die Lage natürlich anders aus.
Protokoll: Maximilian Senff