262.600 Menschen in Deutschland haben keine Wohnung. 38.500 von ihnen leben auf der Straße, der Rest kommt privat unter oder in öffentlichen Einrichtungen. Das ist das Ergebnis des ersten Berichts zur Obdach- und Wohnungslosigkeit aus dem Winter 2022.
Gerade in Zeiten von besonderen Wetterlagen: "Im Winter ist es die Kälte, die die Menschen, die auf der Straße leben, besonders trifft und im Sommer ist es immer mehr die Hitze – und der Zugang zu Wasser", heißt es vonseiten der Diakonie in Hamburg gegenüber watson. Der Sprecher appelliert deshalb an die Stadt, mehr Trinkbrunnen aufzustellen. Und an die Bevölkerung, im Sommer auch an Wasserflaschen für Menschen ohne Wohnung zu denken.
Was außerdem ein Problem ist: "In der Innenstadt sind immer weniger Menschen unterwegs. Das bedeutet auch, dass die obdachlosen Menschen weniger Kontakte haben und weniger Spenden bekommen."
Der Bericht der Bundesregierung soll mittelfristig dafür genutzt werden, Handlungsoptionen zu entwickeln. Der Plan ist es nämlich, Obdachlosigkeit bis 2030 einzudämmen. Ein Ziel, das sich Bauministerin Klara Geywitz (SPD) auf die Fahne geschrieben hat.
Einen Plan, den auch die Diakonie befürwortet. Allerdings, meint der Sprecher, fehlen bis heute die konkreten Schritte, wie das passieren soll. "Es muss endlich losgelegt werden", sagt er. "Und es braucht vor allem eins: Wohnungen."
Das Bauministerium erklärt auf watson-Anfrage, erste Schritte bereits angestoßen zu haben. Beispielsweise hätten diverse Akteur:innen aus Bund, Ländern, kommunalen Spitzenverbänden, Betroffenenverbänden, Zivilgesellschaft, Immobilienwirtschaft, sowie Wissenschaft gemeinsam bei der Zukunftskonferenz erste Ansätze entwickelt. Ein Sprecher des Ministeriums erklärt:
Verabschiedet werden soll der internationale Aktionsplan noch in diesem Jahr durch das Kabinett.
Aber was ist mit den Menschen vor dem magischen Jahr 2030? "Kurzfristige Lösungen durch den Bund sind aufgrund der Kompetenzordnung nicht möglich", erklärt der Sprecher. Auch wenn die Wetterbedingungen immer gravierender für Obdachlose werden. Es sei Aufgabe der Länder und Kommunen, Menschen bei konkreter Gefahrenlage Hilfe zu leisten.
Klar sei aber auch im Ministerium: Mittlerweile reicht die Kältehilfe im Winter nicht mehr aus, auch im Sommer werden zunehmend spezielle Hilfsangebote benötigt. Deshalb werde man sich auch bei der Konzeption des Aktionsplans mit der Frage beschäftigen müssen, "wie sich der Klimawandel auf wohnungslose Menschen auswirkt."
Dieser Juli war global der heißeste Monat seit Aufzeichnungsbeginn. Auch in Deutschland waren Anfang des Monats die Temperaturen hoch. Die Hitze macht schon Menschen mit Wohnung und der Möglichkeit, ins Freibad zu gehen oder einen Ventilator aufzustellen, zu schaffen. Für Obdachlose kann sie lebensbedrohlich sein.
Viele Städte haben sich deshalb Konzepte überlegt, wie sie Obdachlosen in dieser Zeit des Jahres besonders helfen können – ähnlich wie mit dem Kältebus im Winter. Bochum verteilt nun beispielsweise Gratis-Sonnencreme an Obdachlose. Im Hitzekonzept der Stadt ist außerdem die Schaffung von Schattenräumen, beispielsweise durch Sonnensegel, oder auch die Ausgabe von Wasserflaschen vorgesehen. Zusätzlich seien neue mobile Trinkbrunnen eingerichtet worden.
Generell stellt die nordrhein-westfälische Regierung 250.000 Euro für die Hitzehilfe von Obdachlosen zur Verfügung. Dafür sollen die Städte unter anderem Sonnensegel, Sonnencreme, Wasser, aber auch Sommerschlafsäcke beschaffen. Gesundheits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärt gegenüber der dpa: "Neben Kindern, alten Menschen und Schwangeren leiden Menschen, die auf der Straße leben, besonders unter den hohen Temperaturen im Sommer."
Auch in Mannheim gibt es einen Hitzeaktionsplan, der Obdachlose ausdrücklich einschließt. So sollen im Sommer mehr Sozialarbeiter:innen im Dienst sein, die die Menschen aus der Sonne holen sollen.
Außerdem solle es zusätzliche Duschmöglichkeiten und Lagerräume geben, damit die Menschen nicht mehr ihr gesamtes Hab und Gut mitschleppen müssen. Viele Obdachlose behalten nämlich auch im Sommer ihre dicken Klamotten an, aus Sorge, dass sie sonst geklaut werden könnten. Auch "Cooling Center" – also Orte zum Abkühlen – sind geplant.
Die Stadt Berlin hat die Gefahr, die mit den hohen Temperaturen für Obdachlose einhergehen, ebenfalls erkannt. In einem Projektaufruf heißt es:
Aus diesem Grund unterstütze das Sozialministerium Projekte, die sich um die Hitzehilfe obdachloser Menschen kümmern. Konkret seien Orte gesucht, an denen sie sich vor der Sonne schützen können, aber auch Hygieneangebote. So gibt es unter anderem eine Hitzenotunterkunft und Duschen.
Duschen gibt es in Hamburg auch. Wie von der Diakonie wird aber auch im Hamburger Straßenmagazin "Hinz&Kuntz" der Zugang zu Trinkwasser für die Obdachlosen der Hansestadt gefordert. Beispielsweise mittels Trinkbrunnen im Stadtgebiet. Was es darüber hinaus braucht: Ein Hitze-Notprogramm, stellt die "Hintz&Kuntz"-Autorin klar.