Kaum hatte Annegret Kramp-Karrenbauer angekündigt, nicht als Kanzlerkandidatin zur Verfügung zu stehen und auch den CDU-Vorsitz mittelfristig abzugeben, bringen sich erste potentielle Kandidaten in Position.
Aus dem Umfeld von Friedrich Merz erfuhr die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch: Der Ex-Unionsfraktionschef sei bereit zu einer Kandidatur. Auch Armin Laschet und Markus Söder werden als mögliche Kanzlerkandidaten der Union gehandelt.
Jens Spahn – auch wenn er betont, zur Übernahme von Verantwortung bereit zu sein – wird wohl nicht erneut den Fehler machen, seinen Hut in einen Ring zu werfen, den die christdemokratische Sehnsuchtsfigur Friedrich Merz mit ganz ähnlichem Profil und liberalkonservativer Thematik besetzt. Und auch Markus Söder hat zu viel Machtgespür, um Bayern in diesen unruhigen Zeiten gegen Berlin zu tauschen. Für Söder kommt die K-Kandidatenfrage womöglich eine Legislatur zu früh.
Bleiben der Ministerpräsident in Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, und eben Friedrich Merz. Doch wie würde sich die CDU mit einem Laschet oder Merz an der Spitze verändern? Würde sie tatsächlich nach rechts rücken, wie oft zu hören ist?
Ohne Zweifel: Armin Laschet ist der Kandidat der Mitte. Er gilt als ausgleichend, besonnen, als jemand, der die drei Säulen der CDU – das Christliche, das Liberale und auch das Soziale –ausgleichend bedienen kann.
Laschet ist im Grunde die jüngere, männliche Merkel. Und genau das ist sein Problem. Es gibt zu viele in der CDU, für die Merkel die Partei nach "links" gerückt und "sozialdemokratisiert" hat, zu viele, die ihr den Atomausstieg, das Ende der Wehrpflicht und auch die Flüchtlingspoltik nicht verzeihen.
Bei den großen Fragen von Klima oder Migration ist Laschet sowieso auf Merkel- und Mittekurs. Auch beim Kohleausstieg tritt er eher aufs Gaspedal. Auch weil sein Bundesland Nordrhein-Westfalen einen üppigen Teil der insgesamt 40 Milliarden Euro an Strukturhilfe als Ausgleich erhalten soll.
Mit Laschet an der Spitze würde sich die CDU auch weiterhin glaubwürdig zur AfD abgrenzen. Erst am Dienstag hat er sich in Aachen klar gegen jegliche Zusammenarbeit seiner Partei mit der AfD ausgesprochen: Es müsse für die CDU klar sein, sagte er, es dürfe in keiner Form eine Kooperation mit der AfD geben.
Der Kurs der Union müsse ein Kurs der Mitte bleiben.
Und Mitte, das ist Laschet, so die Botschaft. Was im Besonderen für Laschet als neuen starken Mann in der CDU spricht, ist seine Verankerung innerhalb der Partei. Er hat einen einflussreichen Landesverband hinter sich und gilt auch innerhalb der CDU als integrative Kraft. In Zeiten zunehmender Polarisierung braucht es nicht unbedingt auch noch einen Polarisierer an der Spitze.
Hinzu kommt: Im Gegensatz zu Merz hat er bereits gezeigt, dass er regieren kann. Den CDU-Vorsitz würden sie ihm wohl zutrauen, ob er allerdings auch Kanzler kann, ist eine andere Frage.
Gleichwohl wissen auch die größten Laschet-Kritiker, dass Wahlen in der Mitte gewonnen werden.
Fazit: Laschet wäre ein CDU-Chef, auf den sich die Lager innerhalb der CDU wohl einigen könnten. Ob er allerdings die Strahlkraft für eine K-Kandidatur hat, bleibt abzuwarten.
Friedrich Merz gilt als wertkonservativ und rechtsliberal. Er steht für wirtschaftsnähe, deutsche Leitkultur, Steuerreformen auf Bierdeckelgröße und für eine gewisse Unabhängigkeit vom politischen Betrieb.
Gerade für die Wertkonservativen innerhalb der CDU ist Merz so eine Art ewiges Versprechen. Wollen sie doch zurück zu einer Partei, die rechts neben sich keinen Platz für eine weitere Partei lässt, einer Volkspartei der alten Stärke.
Merz bietet dafür die perfekte Projektion – und genau das ist sein Problem. Er ist schon jetzt ein Versprechen, dass sich wohl kaum einlösen lässt. Auch mit Merz an der Spitze wird die CDU keine 40+ Prozent mehr holen, auch mit Merz an der Spitze wird die AfD nicht verschwinden.
Aber genau mit diesen Retro-Visionen tritt er an, genau daran wird er sich messen lassen müssen. Merz hat in vielen Wortbeiträgen angedeutet, dass er auch jene Themen abdecken will, die bisher die AfD besetzt hat.
Die Rechnung ist ziemlich simpel: Merz darf bei seinem Versuch, ehemalige CDU-Anhänger zurückzuholen, in der Mitte nicht mehr verlieren, als er am rechten Rand zurückgewinnt.
Aber nicht nur liberale und "linke" in der CDU fürchten um einen Verlust der Mitte und wollen einen Merz an der Spitze verhindern. Das mögliche Merz-Comeback dürfte auch die AfD nervös machen. "Anti-Merkel" ist bekanntlich ihr Markenkern.
Friedrich Merz ist vor allem deshalb so unbeliebt im AfD-Milieu, weil er drei Reflexe neurechter Ideologien auslöst: Antikapitalismus, Antiamerikanismus und die Feindschaft zum Liberalismus.
Und Merz teilt auch gerne gegen die AfD aus. Zuletzt bei einem Auftritt am Montagabend in Siegen:
Außerdem: Wenn es um Macht geht, ist auch Merz flexibel. Die Grünen von heute seien "sehr bürgerlich, sehr offen, sehr liberal und sicherlich auch partnerfähig", sagte Merz der "Bild am Sonntag" vor seiner letzten CDU-Vorsitz-Kandidatur. Das Kalkül dahinter dürfte klar sein: Eine Mehrheit jenseits der ungeliebten Großen Koalition ist in näherer Zukunft ohne die Grünen nicht realisierbar.
Auch wenn es Merz wird, ist damit noch kein Rechtsruck garantiert. Zumindest aber ist dann der Merz-Mythos aus der Flasche und die ewig Konservativen werden neue Erklärungen und Erzählungen brauchen, warum ihre Partei ein Problem hat.
Für beide möglichen Kandidaten gilt aber ganz grundsätzlich: In welche Richtung die CDU mit Merz oder Laschet an der Spitze marschiert, wird sich so richtig erst zeigen, wenn sie denn auch loslaufen.
Denn: Erinnern wir uns, in welcher Rolle Angela Merkel einst antrat. Vor ihrer Kanzlerschaft warb sie auf dem Leipziger Parteitag 2003 mit dem wohl neoliberalsten Programm, das CDU-Delegierte je beklatschen durften. Sie stand für einen radikalen Kurswechsel in der Sozialpolitik. Und dann? Aus "weniger Staat" wurde Abwrackprämie. Aus Kopfpauschale wurde Mindestlohn. Aus Friedman wurde Keynes.
(ts)