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AfD und Antisemitismus: Abgeordneter Ulbrich postet gefährlichen Vergleich

Nach dem rechtsextremen Terroranschlag mit zwei Toten in Halle an der Saale gedachten am Sonntag 13.10.19 etwa 7.000 Menschen mit einer Demonstration in Berlin der Opfer. Der Anschlag auf die Synagoge ...
Nach dem rechtsextremen Terroranschlag mit zwei Toten in Halle an der Saale gedachten am Sonntag etwa 7000 Menschen mit einer Demonstration in Berlin der Opfer. Bild: www.imago-images.de
Analyse

AfD und Antisemitismus: Abgeordneter postet gefährlichen Vergleich nach Attentat in Halle

15.10.2019, 18:56
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Der Terroranschlag eines Rechtsextremen in Halle ist gerade einen Tag alt, da postet der AfD-Landtagsabgeordnete in Sachsen, Roland Ulbrich, folgende Frage auf Facebook:

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Bild: screenshot facebook

Eine Antwort liefert er nicht. Natürlich nicht. Die Frage dient allein dazu, die "Gegner" zu provozieren und die eigene Anhängerschaft zu mobilisieren. Und sie will vor allem eines: offen sein – nach ganz rechts.

Die Folge: Die Anhänger liken den Beitrag und die Brüskierten fragen zu recht:

  • Sind die Menschen, die sich zu dem Zeitpunkt des versuchten Anschlags in der Synagoge befunden haben für den AfD-Abgeordneten keine Deutschen?
  • Warum wird ein versuchter Massenmord als Gewalt gegen eine Sache relativiert?

Noch schlimmer als die kalkulierte Provokation, ist die darauf folgende Erklärung Ulbrichs: "Es liegt noch nicht einmal der Versuch eines Tötungsdelikts an den Besuchern des Gottesdienstes in der Synagoge vor. Es fehlt ein unmittelbares Ansetzen zur Tat. In strafrechtlicher Hinsicht verbleibt es bei einer Sachbeschädigung an der Tür", schreibt er unter seinen Ursprungspost.

Zur Verharmlosungsstrategie des AfD-Mannes gehört es auch, die von ihm aufgeworfene Frage im Anschluss als einen "juristischen Diskurs" zu verklären. Doch was der AfD-Mann als juristische Frage verkauft, zeigt exemplarisch, wie das Spiel mit Antisemitismus in den Reihen der AfD funktioniert.

Es kommt als Frage daher. Als Andeutung. Es werden Dinge verglichen, die schlicht nicht zu vergleichen sind. Und dieses Spiel hat vor allem eine Regel: Anschlussfähigkeit. Offen für extremistische Positionen zu bleiben.

Auch das ist AfD: Antisemiten ködern, ohne offen antisemitisch sein zu müssen. Denn mit offenem Antisemitismus gewinnt man keine Wahlen. Das weiß auch die AfD.

Doppelstrategie der Neuen Rechten

Das alles ist nicht neu. Dahinter steckt eine Doppelstrategie neurechter Parteien. Auf der einen Seite bemühen sich AfD-Politiker oftmals um eine pro-israelische Positionierung. Vorbild sind Rechtspopulisten in ganz Europa, die nach außen ein positives Israelbild pflegen und sich innerhalb eines vermeintlich historisch gewachsenen christlich-jüdischen Abendlandes verorten. Dahinter steht die Strategie, ein Bündnis gegen einen gemeinsamen Feind zu konstruieren: den Islam. Nach innen wiederum zeigen sich Rechtspopulisten flexibler im Umgang mit israelfeindlichen Tönen.

Denn die AfD weiß sicher auch, dass jeder zweite Anhänger laut einer Allensbach-Studie findet, dass Juden auf der Welt zu viel Einfluss hätten. Und nahezu jeder Fünfte nicht gerne neben Juden wohnen würde.

Und diese Wähler werden bedient: Auf Funktionärsebene sind antisemitische Ausfälle in der AfD bereits vielfach dokumentiert. Zum Beispiel der Fall Wolfgang Gedeon. Der Abgeordnete der baden-württembergischen AfD, Ex-Maoist und Antizionist, glaubt an die antisemitischen "Protokolle der Weisen von Zion". Und hat in seiner Schrift "Grundlagen einer neuen Politik über Nationalismus, Geopolitik, Identität und die Gefahr einer Notstandsdiktatur" Nazideutschland zum Opfer eines US-amerikanischen Expansionsstrebens verklärt.

Ein anderes Beispiel ist der Post des AfD-Bundestagsabgeordneten Petr Bystron im September 2018. Er teilte zunächst eine Karikatur, die die Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, zeigen sollte, löschte diese nach aufkommender Kritik dann wieder. Tatsächlich spielte der Post mit klassischen antisemitischen Stereotypen: die verzerrten zugespitzten Gesichtszüge, die riesige Nase, die sowjetische Uniform ruft die Mär des jüdischen Bolschewismus' in Erinnerung. Die Botschaft: Anetta Kahane als jüdisch-kommunistische Volksverräterin, die im Auftrag der Regierung das Volk unterwandert.

Struktureller Antisemitismus

Statt aber offen antisemitisch zu sein, wird häufiger mit Andeutungen, Codes, Chiffren, also verstecktem Antisemitismus gearbeitet.

Dabei ähneln bestimmte Argumente gegen Globalisierung, EU, USA oder Islam sowohl auf sprachlicher als auch auf inhaltlicher Ebene klassischen antisemitischen Argumentationsfiguren.

Gerade bei den hitzigen Debatten in entsprechenden AfD- oder AfD-nahen Foren wird gegen alles Kosmopolitische gewettert, oftmals verkörpert durch USA und Israel, eine Kapitalismus- und Globalisierungskritik geübt, die sich nicht selten personifizierend an der jüdischen Bankiersfamilie Rothschild, George Soros oder der Unternehmerfamilie Rockefeller abarbeitet. Oder es ist in internen Chats der Jungen Alternative von Israel als "Terrorstaat" die Rede.

Diese Anschlussfähigkeit zum antisemitischen Weltbild liegt wiederum in der Logik der AfD-Argumentation. Weil ihr ein Weltbild zu Grunde liegt, das vereinfacht, Schwarz-Weiß malt, das vermeintlich Böse an Gruppen festmacht und sperrangelweit offen für Verschwörungstheorien ist. Nach dieser Logik funktioniert auch der Antisemitismus.

Ein Beispiel: Wenn die Gaulands und Höckes permanent die Geschichte vom sogenannten "Bevölkerungsaustausch" erzählen. Wenn sie dabei suggerieren, es gebe eine Art Masterplan, "echte" Deutsche durch Muslime zu ersetzen, dann ist es nur eine Frage der Zeit, wann solche Erzählungen und "Umvolkungsfantasien" aufgrund ihrer verschwörungstheoretischen Ausgangslogik am Ende wieder bei einer kleinen bestimmten Gruppe landen.

Auffällig ist auch die permanente Opferhaltung. Immer wieder kursieren Postings, in denen sich AfDler und AfD-Sympathisanten mit verfolgten Juden vergleichen. Oder es werden Parallelen zwischen den Boykottaufrufen in der Nazizeit gegen jüdische Geschäfte und einem aktuell "staatlich verordneten Antifaschismus" in Deutschland konstruiert.

NS-Relativierung und der Schulterschluss mit Rechtsextremen

Auch der Geschichtsrelativismus, der von führenden AfD-Funktionären betrieben wird, sorgt für diese Anschlussfähigkeit.

Wenn Alexander Gauland beispielsweise die Zeit des Nationalsozialismus' zum "Vogelschiss" der Geschichte erklärt und glaubt, "dass Auschwitz, auch als Symbol, viel in uns zerstört hat". Wenn er eine Neubewertung der Taten deutscher Soldaten – in beiden Weltkriegen – fordert, dann ist das lupenreine Relativierung und Gaulands ganz eigene Version einer Schlussstrichforderung, wie sie rechtsextreme Gruppierungen seit dem Zweiten Weltkrieg fordern. Oder wenn der thüringische Spitzenkandidat der AfD, Björn Höcke, das Holocaust-Mahnmal in Berlin, das an die industrielle Massenvernichtung der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialisten erinnert, als "Denkmal der Schande" bezeichnet.

Und: Wer, wie Politiker der AfD in Chemnitz, Kandel oder auf bei x-beliebigen Pegida-Veranstaltungen mit Rechtsextremen marschiert, kann gar nicht glaubhaft Antisemitismus ablehnen.

Wie nah neurechte Argumentation in ihrer Struktur und Sprache antisemitischen Mustern folgt, konnte auf der jüngsten Pegida-Demo in Dresden beobachtet werden. Bei jener Bewegung, die Alexander Gauland einmal als "natürliche Verbündete der AfD" bezeichnete.

Pegida-Gründer Lutz Bachmann nannte dort Grüne, Klimaaktivisten, Schüler von Fridays for Future und Sozialdemokraten "Terroristen und Volksschädlinge". Und Bachmann teilte die Welt in seiner Rede in zwei Lager. Die eine Seite der Gesellschaft bestünde aus den "wahrlich Guten". Bachmann: "Das sind wir und dann haben wir auf der anderen Seite des Grabens solche Schädlinge, solche miesen Maden, die sich von der Erwirtschaftung der guten Seite, also von uns, ernähren." Die böse Seite nennt er "die entartete Seite des Grabens", "asoziale Maden", die sich wie "Parasiten" von den Guten ernähren würden.

Und eine Idee, wie der Graben zu schließen sei, hat Bachmann auch: Den linken "Müll", die "Schädlinge" will er entsorgen. "Wir werfen sie in den Graben, dann schütten wir diesen Graben zu."

Gesagt hat Lutz Bachmann das alles am 7. Oktober, zwei Tage vor dem antisemitischen Amoklauf in Halle. Unter den Abendspaziergängern waren auch der Landesvorsitzende der AfD Sachsen, Jörg Urban, und André Wendt, AfD-Vizepräsident des sächsischen Landtages.

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