Kanzleramtsminister Helge Braun hat am Freitag im Interview mit dem "Spiegel" angekündigt, dass am Sonntag über mögliche Ausgangssperren in ganz Deutschland beraten wird. Für ihn entscheidend ist, wie sich die Bevölkerung bis dahin verhalten wird: "Samstag ist ein entscheidender Tag, den haben wir besonders im Blick."
Auch nach dem Appell der Kanzlerin zu Hause zu bleiben, waren am Donnerstag noch Gruppen von Menschen im Freien unterwegs und genossen die Sonne:
Immer mehr Stimmen fordern jetzt auf Twitter eine allgemeine Ausgangssperre. Selbst Oliver Pocher, der sonst nicht unbedingt durch sein verantwortungsvolles Handeln auf sich aufmerksam gemacht hat, spricht sich dafür aus.
Aber wie genau könnte so eine Ausgangssperre aussehen?
Wie so oft während der Corona-Krise sind die Kompetenzen in Deutschland verteilt. Über Ausgangssperren entscheiden die Landesregierungen, erklärt ein Sprecher des Bundesinnenministeriums gegenüber watson:
Das heißt, dass am Sonntag die Regierungschefs der Länder in Absprache mit der Bundesregierung entscheiden werden.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat bereits am Freitag eine landesweite "Ausgangsbeschränkung" verkündet. Das entspricht einer Ausgangssperre mit Ausnahmen. Zunächst zwei Wochen lang darf man in Bayern nur noch zum Einkaufen, Gassi gehen, arbeiten oder für andere wichtige Erledigungen vor die Tür. Auch Joggen oder Spazieren gehen bleibt erlaubt, solange es alleine oder mit der Familie erfolgt.
Der saarländische Ministerpräsident will im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus ebenfalls Gaststätten schließen und eine Ausgangsbeschränkung erlassen. Auch Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg hatte bereits angekündigt, wenn es notwendig sei, Ausgangssperren zu verhängen.
Auch einige Kommunen haben schon jetzt eine Ausgangssperre verhängt: Freiburg hat fast 250 Coronafälle und auch dort waren in der letzten Woche trotz Warnungen viele Menschen auf den Straßen und an den öffentlichen Orten unterwegs. Außerdem grenzt die Stadt direkt an die besonders betroffene französische Region Grand-Est.
Der Oberbürgermeister der Stadt, Martin Horn hat daher ein Verbot erlassen, dass es untersagt, öffentliche Plätze zu betreten. Das Verbot soll vom 21. März bis zum 3. April gelten.
Im Bayerischen Mitterteich, nahe der Grenze zu Tschechien, besteht bereits jetzt eine komplette Ausgangssperre. Es ist die erste Stadt in Bayern, die sich zu solchen Maßnahmen entschlossen hat. Die Stadt hat bei 6500 Einwohnern bereits 40 bestätigte Coronafälle, weshalb zu dieser drastischen Maßnahme gegriffen wurde. Bis zum 2. April soll die Ausgangssperre dauern.
Konkret bedeutet das, dass Einwohner nur noch für wichtige Besorgungen und Arztbesuche auf die Straße dürfen und sich auch in den Supermärkten an Abstandsregeln halten müssen. Die Polizei und die Feuerwehr kontrollieren die Maßnahmen und achten darauf, dass auf den Straßen kein unnötiger Verkehr stattfindet.
Laut Informationen der "Süddeutschen Zeitung" halten sich die Einwohner größtenteils daran.
In Nordrhein-Westfalen hat Leverkusen am Freitagmorgen zur Eindämmung des Coronavirus ein Versammlungsverbot für mehr als zwei Menschen unter freiem Himmel erlassen. Ausnahmen gibt es nur für Familien, Wohngemeinschaften, zwingende berufliche Gründe oder Warteschlangen vor Supermärkten.
Der Berliner Landesregierung wurde zuletzt vorgeworfen, zu lange mit klaren Maßnahmen gewartet zu haben. In einem Berliner Klub hatten sich mehrere Menschen mit dem Coronavirus infiziert und auch am Donnerstag noch waren die Berliner Straßen kaum leerer als sonst.
Auch jetzt will man wohl mit Zwangsmaßnahmen so lange wie möglich warten. Ein Sprecher des Regierenden Bürgermeister von Berlin erklärt auf Anfrage von watson:
Offiziell dürfen die örtlichen Gesundheitsämter bei der Durchsetzung der Quarantäne-Maßnahmen Amtshilfe von der Polizei anfordern. In den betroffenen Städten Freiburg und Mitterteich ist es auch die Polizei, die die Ausgangssperren in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr durchsetzt.
Die Bundeswehr unterstützt die Bekämpfung des Coronavirus in Form einer Katastrophenhilfe, was sie beispielsweise auch beim Oder-Hochwasser 2002 getan hat. Sie verteilt Essen an LKW-Fahrer, die an den Grenzübergangen nach Polen feststecken und bereitet die Bundeswehrkrankenhäuser auf die Behandlung von Coronapatienten vor.
Es gab auch schon bei bisherigen Diskussionen großen Widerstand dagegen, die Bundeswehr ergänzend zur Polizei für Ordnungsaufgaben heranzuziehen. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer machte am Donnerstag klar, dass die Bundeswehr nicht bei der Kontrolle der Einhaltung einer möglichen Ausgangssperre beteiligt sein wird.