Konnten bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg mit ihrem Amtsbonus punkten: Malu Dreyer (l.) und Winfried Kretschmann. (Archivbild)Bild: Getty Images Europe / Sean Gallup
Analyse
Historische Wahlschlappe für die CDU im Südwesten: So wurde die Partei bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz abgestraft
In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz wurde am Sonntag das Superwahljahr 2021 eingeläutet – und die bisherigen Amtsinhaber dabei bestätigt.
Anmerkung: Es handelt sich bei den Zahlen um erste Hochrechnungen. Wegen der hohen Anzahl an Briefwähler können die finalen Ergebnisse der Auszählung noch stärker abweichen als bei bisherigen Wahlen.
In Rheinland-Pfalz konnte Malu Dreyer nach aktueller Hochrechnung ihre Ampel-Regierung verteidigen. Mit 35,7 Prozent liegt die SPD dort nur leicht unter ihrem Ergebnis von 2016. Damals konnte Malu Dreyer als Spitzenkandidatin 36 Prozent der Stimmen gewinnen. Die CDU musste leichte Verluste hinnehmen und liegt mit 26,8 Prozent knapp fünf Prozentpunkte unter ihrem Ergebnis von 2016 (31 Prozent). Die AfD hat sich leicht verschlechtert und rutscht von 9,6 Prozent auf 10 Prozent. Die FDP bleibt ungefähr gleich bei 6 Prozent und die großen Gewinner sind wie in Baden-Württemberg auch die Grünen, die sich von 5,3 Prozent auf 8 Prozent verbessern konnten. Erstmals schaffen auch die Freien Wähler den Einzug in den Landtag.
Damit wäre nach aktuellem Stand die Fortsetzung der Ampel-Regierung unter Malu Dreyer möglich und wahrscheinlich.
In Baden-Württemberg konnte Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach aktueller Hochrechnung mit seiner Partei sogar Zugewinne vermelden. Von 30 Prozent bei der vergangenen Wahl 2016 konnte die Partei auf 32,3 Prozent zulegen. Die großen Gewinner des Abends sind daher auch in Baden-Württemberg die Grünen. Großer Verlierer ist hingegen der Juniorpartner CDU. Jahrzehntelang regierte die CDU das Bundesland, nun fuhr sie am Sonntag mit 23,5 Prozent ihr historisch schlechtestes Ergebnis ein. 2016 hatte die CDU bereits mit 27 Prozent ein katastrophales Ergebnis eingeholt, nun kann sie nicht einmal von der Regierungsarbeit profitieren.
Die traditionell in Baden-Württemberg eher schwache SPD bleibt bei ungefähr 11,1 Prozent, die FDP kann etwas zulegen von 8,3 Prozent bei der Landtagswahl 2016 auf 10,7 Prozent. Damit wäre rein rechnerisch auch eine Ampelkoalition zwischen Grünen, SPD und FDP möglich. Die bisherige Regierung aus Grünen und CDU hätte ebenfalls eine solide Mehrheit im Landtag. Die AfD rutscht von 15,1 Prozent 2016 auf 10,5 Prozent ab.
Die Linkspartei verpasst nach aktuellem Stand in beiden Parlamenten den Einzug in den Landtag.
Baden-Württemberg
"Eine unbeliebte Kandidatin hat schlechte Chancen gegen einen so beliebten Amtsinhaber wie Winfried Kretschmann."
Politikwissenschaftlerin Isabelle Borucki von der Uni Duisburg zieht ein durchwachsenes Fazit. Zwar sei der jüngste Skandal um die Beschaffung von FFP2-Masken, bei denen einige Unions-Abgeordnete im Bundestag hohe Provisionen kassierten, ihrer Meinung nach mitverantwortlich für das schlechte Ergebnis der CDU, allerdings sei die Partei in Baden-Württemberg auch selbst schuld. Gegenüber watson erklärt Borucki:
"Die Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann hat ebenfalls keine gute Figur abgegeben. Eine unbeliebte Kandidatin hat einfach auch schlechte Chancen gegen einen so beliebten Amtsinhaber wie Winfried Kretschmann."
Dabei stellt Borucki auch in Frage, inwieweit die Partei seit der vergangenen Wahl aus ihren Fehlern gelernt hat:
"Bisher kommen die Spitzenkandidaten aus demselben Dunstkreis, dem Umfeld von Günther Oettinger und Stefan Mappus", den beiden ehemaligen CDU-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg. Aus diesem Umfeld waren auch die Spitzenkandidaten bei den Landtagswahlen 2011 und 2016 angetreten und konnten ebenso wie Eisenmann, die früher Büroleiterin von Günther Oettinger war, wenig überzeugende Ergebnisse liefern. Boruckis Fazit: "Es muss eine personelle Erneuerung und einen Generationenwechsel in der CDU Baden-Württemberg geben. Bei der nächsten Wahl brauchen sie einen Kandidaten, der nicht zu diesem Klüngel gehört. Die Frage ist nur: Wer?"
Spontan fallen Borucki da auch wenige Personen ein. Gerade junge Hoffnungsträger aus Baden-Württemberg wie Kai Whittaker sitzen im Bundestag und machen eben keine Landespolitik.
Auch für Armin Laschet könnte das Ergebnis in Baden-Württemberg unbequem werden, so Borucki: "Solche Erdrutsch-Verluste müssen Auswirkungen auf die Bundespartei haben." Gerade wenn Laschet im Herbst Kanzler werden würde, sei es entscheidend, wie viele Länder im Bundesrat unionsgeführt sind. Ein Ausscheiden der CDU aus der Landesregierung in Baden-Württemberg, wäre also ein verheerendes Signal für die Bundes-CDU.
Rheinland-Pfalz
"Die Wähler wollen offensichtlich die Ampel und Malu Dreyer als Ministerpräsidentin."
Hinsichtlich der Wahlergebnisse in Rheinland-Pfalz spricht Politikwissenschaftlerin Borucki vom "Dreyer-Faktor". Dort habe die SPD-Amtsinhaberin für die SPD "fantastische Zahlen" eingefahren. Das bisherige Wahlergebnis sieht Borucki als Bestätigung der bisher regierenden Ampel-Koalition: "Malu Dreyer ist mit dieser Ansage in den Wahlkampf gezogen und dafür wurde sie belohnt. Die Wähler wollen offensichtlich die Ampel und Malu Dreyer als Ministerpräsidentin."
Einen Aufwärtstrend für die Bundes-SPD bei der kommenden Bundestagswahl sieht Borucki allerdings nicht zwangsläufig: "2016 hatte Malu Dreyer ebenfalls einen Sieg in Rheinland-Pfalz eingefahren. Den Bundestrend konnte sie damit aber nicht umkehren. Am Ende ging die SPD 2017 mit ihrem bisher schlechtesten Ergebnis aus der Bundestagswahl hervor."
Ob die Bundesparteien die Landtagswahl nun als richtungsweisend verstehen oder auf die entscheidende Rolle der Amtsinhaber Winfried Kretschmann und Malu Dreyer hinweisen, bleibt abzuwarten. Vor der Bundestagswahl im September wird noch in Sachsen-Anhalt gewählt. Sollte sich der Trend dort ebenfalls abzeichnen, wäre das ein entscheidendes Signal für die Bundespolitik.
Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Montag überraschend die Ukraine besucht. Es war sein zweiter Besuch seit Beginn des russischen Angriffskriegs. Mit einem Sonderzug fuhr Scholz gut neun Stunden von Polen nach Kiew.