Dass Donald Trump ein recht oberflächlicher Typ ist, hat er bereits bei einigen Gelegenheiten durchblicken lassen. Die Auswahl seiner Frauen, die vielen Maßnahmen, um seine Haare in Form und Fülle zu halten, aber auch die Bemerkung, er würde seine eigene Tochter aufgrund ihrer Schönheit daten, zeigen, dass er es privat eher auf Äußerlichkeiten abgesehen hat. Dieses Verhaltensmuster lässt sich wohl auch durch seine Biografie begründen, schließlich war Trump 14 Staffeln lang Reality-TV-Star in "The Apprentice". Und im TV ist Aussehen schließlich nicht zu vernachlässigen.
Auch bei seinen Kontrahenten war Donald Trump stets darauf erpicht, sie auf äußere Merkmale zu reduzieren. Den demokratischen Präsidentschaftskandidaten und ehemaligen New Yorker Bürgermeister Mike Bloomberg nannte er aufgrund seiner Körpergröße immer nur den "kleinen Mike Bloomberg" und während des US-Wahlkampfs 2015 imitierte er einen körperlich behinderten Reporter bei einer Rally.
Doch scheinbar spielen Äußerlichkeiten auch bei der Auswahl von Trumps Mitarbeitern eine Rolle: In seinem Enthüllungsbuch "The Room Where It Happened" mutmaßt der ehemalige Sicherheitsberater John Bolton nun, warum er zunächst nicht eingestellt wurde und kommt zu dem Schluss, dass es möglicherweise an seinem Aussehen gelegen haben könnte.
Nachdem Donald Trump 2016 überraschend die Wahl gewonnen hatte, war das ganze Land zunächst unter Schock. Den Beschreibungen von John Bolton zufolge dauerte es einige Stunden, bis Fox News organisatorisch in der Lage war, ihn zum Wahlsieg zu interviewen. Bolton ist dort als Experte regelmäßiger Interviewpartner und der Sender unterstützte Trumps Kandidatur maßgeblich. Doch selbst Trumps Haus- und Hofsender hatte offenbar nicht mit einem Sieg gerechnet.
Boltons Beschreibungen zufolge war selbst das Wahlkampfteam des heutigen US-Präsidenten von der Wahlentscheidung überrascht und musste sich erst einmal sortieren. Es war wohl auch noch nicht geklärt, wer welchen Job bekommen sollte und so gingen wilde Spekulationen herum. Auch John Bolton wurde gratuliert, er würde nun der nächste Außenminister werden.
Dass er dann doch nicht Außenminister wurde, sondern zunächst einmal Rex Tillerson, ärgerte Bolton wohl nachhaltig. Die "Washington Post" zitierte damals einen angeblichen Insider, der darauf hinwies, dass es an Boltons Schnauzer liegen könne: "Ich kenne niemanden, der Donald Trump nahesteht, der so einen Bart hat". Für Bolton zunächst nur Spekulation:
Einige Seiten später kommt Bolton in seinem Buch trotzdem nochmal auf Äußerlichkeiten zu sprechen. Denn auch das Amt des nationalen Sicherheitsberaters bekam er zunächst nicht – sondern der Offizier H. R. McMaster, der zum Vorstellungsgespräch in kompletter Uniform erschienen war, genauso wie der dritte Kandidat, General Robert Caslen.
Dass jemand wie Donald Trump sich von Äußerlichkeiten – sprich von einer schicken Uniform – hat blenden lassen, passt hier also sehr gut in Boltons Erzählung. Er hingegen sei mit seinem Schnauzer eben unerwünscht gewesen, so der Eindruck.
Es klingt verrückt. Aber kann ein Schnurrbart wirklich ein Hemmnis für eine Karriere in der Politik sein? Rebekah Herrick, Professorin für Politikwissenschaft an der Oklahoma State University veröffentlichte 2015 einen Artikel mit dem Titel "Warum Bärte und Schnurrbärte für moderne Politiker selten sind".
Dafür hatte sie vergleichen, wie Studenten aus Oklahoma auf Bilder von bärtigen beziehungsweise glattrasierten Kongressmitgliedern reagierten. Eine Erkenntnis daraus: Bei (schnurr-)bärtigen Politikern denken Wähler eher, dass diese nicht für feministische Politik einstehen – dafür aber auch weniger dazu neigen, Gewalt anzuwenden.
Eine andere Studie aus dem Jahr 2013 ergab, dass Männer umso männlicher erscheinen, je buschiger ihr Bart ist.
Herrick sagte zum Magazin "Politico" einst: "Es macht Sinn, dass Trump sich Sorgen um Männer mit Gesichtsbehaarung in seinem Team macht, die ein Bild von Übermännlichkeit präsentieren – insbesondere, weil er bereits Probleme hat, bei der weiblichen Wählerschaft zu punkten, und weil ihm schon einmal sexuelle Belästigung vorgeworfen wurde."
USA-Experte Thomas Jäger von der Uni Köln hingegen sieht in Boltons Worten auch Kalkül des Erzählers:
Tatsächlich wurde Bolton 2018 schließlich doch nationaler Sicherheitsberater – trotz Schnauzer. Sein Vorgänger McMaster wurde nie wirklich warm mit dem Präsidenten, angeblich auch, weil er Trump zu viele Entscheidungsmöglichkeiten ließ, was diesen wohl überforderte.
John Bolton nahm den Job schließlich an, obwohl er von außen mitverfolgt hatte, wie es seinem Vorgänger ergangen war: "Niemand konnte an diesem Punkt behaupten, dass er nicht wusste, welches Risiko er eingeht". Doch Bolton meinte, besser zu sein, als diejenigen, die bis dato vergeblich versucht hatten, Trump etwas Vernunft einzuhauchen.
Schlussendlich sollte er damit Unrecht haben, denn auch er scheiterte an den Strukturen, die Donald Trumps Chaos und Inkompetenz – zumindest wenn man Boltons Buch Glauben schenkt – verursacht hatten. Am Ende wurde Bolton wegen unterschiedlicher Ansichten einfach vor die Tür befördert. Allerdings waren sich Präsident und Berater noch nicht mal darüber einig, wie genau die Trennung geschah.
Trump twitterte, dass er John Bolton am vergangenen Abend entlassen habe. Woraufhin Bolton klarstellen wollte, dass er auf eigenen Wunsch gegangen sei. Im Buch bleibt er bei dieser Darstellung und erklärt, er habe Trump seinen Rücktritt angeboten und dieser habe gesagt: "Wir reden morgen darüber". Am Ende reiht sich seine Geschichte in die vieler Mitarbeiter und Kabinettsmitglieder ein, die Donald Trump in nur dreieinhalb Jahren verschlissen hat.
Inzwischen spricht sich John Bolton ganz klar gegen eine Wiederwahl Donald Trumps aus. Auch sein Buch lässt keinen Zweifel an dessen Unfähigkeit, das höchste Amt im Staat auszufüllen. Immer wieder schildert Bolton, wie disfunktional und naiv Trump seine Außenpolitik gestaltet.
Trump hatte daher auch zunächst gegen die Veröffentlichung des Buches geklagt, konnte dessen Erscheinen allerdings nicht verhindern. Für USA-Experte Thomas Jäger stellt Boltons Bericht jedoch keine ernstzunehmende Gefahr für den Präsidenten dar:
Trotzdem wird die Luft gerade dünn für den US-Präsidenten. Die hohen Fallzahlen von Corona-Infizierten und das mangelhafte Krisenmanagement der Trump-Administration könnten auch überzeugte Trump-Wähler zur Abkehr bewegen. Immerhin sind die Auswirkungen nun auch in Trumps Supporter-Staaten spürbar.
Das könnte zumindest für viele ein triftigerer Grund sein, ihn nicht mehr zu wählen, als die Oberflächlichkeit, mit der Donald Trump seine Mitarbeiter offenbar aussucht. Denn so wirklich überrascht hat das wohl niemanden.