Familienministerin Franziska Giffey präsentiert den "Meilenstein".Bild: ZB / Britta Pedersen
Deutschland
Der Staat ist laut Grundgesetz verpflichtet, die Gleichberechtigung zu fördern. Frauenministerin Giffey feiert es als Erfolg, dass sich dazu mit einer Gleichstellungsstrategie nun die ganze Bundesregierung bekennt. Doch mit einem konkreten Plan kommt sie noch nicht weiter.
09.07.2020, 10:3409.07.2020, 11:17
Die Chancengleichheit von Männern und Frauen soll
künftig Aufgabe der ganzen Bundesregierung sein – und nicht mehr nur
Sache der Frauenministerin. Dazu bekennt sich das Kabinett in der
ersten nationalen Gleichstellungsstrategie, die die Ministerinnen und
Minister der schwarz-roten Koalition am Mittwoch in Berlin
verabschiedeten. Gesetze und Förderprogramme sollen das Thema stärker
als bisher berücksichtigen.
Familienministerin Franziska Giffey
sprach von einem Meilenstein, räumte aber auch ein, dass es keine
Sanktionen gebe, wenn Kabinettskollegen sich nicht daran hielten.
Die Strategie hat zum Ziel, was das Grundgesetz eigentlich ohnehin
vorschreibt: die "tatsächliche Durchsetzung" der Gleichberechtigung
von Frauen und Männern zu fördern.
Es habe Jahrzehnte gedauert, bis
sich das gesamte Kabinett dazu bekenne und das Thema nicht mehr dem
Frauenministerium überlassen werde, sagte Giffey. Ihre Vorgängerin im
Amt, Katarina Barley, sieht in der Strategie auch "ein wichtiges
Signal" für die deutsche EU-Ratspräsidentschaft – die SPD-Politikerin
ist inzwischen Abgeordnete im EU-Parlament.
Keine Sanktionen vorgesehen
Zu den Zielen der Strategie gehört, mehr Frauen in Führungspositionen
zu bringen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern und
die Sorgearbeit zwischen Männern und Frauen gerechter zu verteilen.
Neue, überraschende Vorhaben der Regierung sind auf den 124 Seiten
eher nicht zu finden. Es werden hauptsächlich Projekte genannt, die
bereits vereinbart waren – etwa das Rückkehrrecht in Vollzeit oder
schnelles Internet und mehr öffentlicher Nahverkehr auf dem Land, um
auch dort Familie und Beruf besser vereinbar zu machen.
Zweck der Strategie sei auch, die vielen Dinge, die passieren,
zusammenzubringen, erklärte Giffey. Es bleibe aber noch viel zu tun.
Dafür sei die Strategie eine "wichtige Grundlage". Sie sei ein
"Meilenstein", der für künftige Bundesregierungen Maßstäbe setze.
Und was, wenn die anderen Ministerien das nicht so sehen? Alle hätten
sich selbst verpflichtet und müssten sich daran politisch messen
lassen, betonte Giffey. "Wir haben das hier jetzt schriftlich." Wenn
andere sich nicht daran hielten, könne man das über die Strategie
auch "thematisieren", auch in der Öffentlichkeit.
Sanktionsmechanismen für die Ressorts gebe es aber nicht.
Kritik an der Strategie kam unter anderem vom Frauenrat, einem
Dachverband von Frauen-Organisationen. Es fehlten konkrete
Zielsetzungen und verbindliche Ziele über die nächste Bundestagswahl
hinaus, beklagte die Frauenrats-Vorsitzende Mona Küppers.
Ausweitung der Frauenquote stockt
Mit einem konkreten Vorhaben kommt die SPD-Politikerin Giffey beim
Koalitionspartner noch nicht voran, nämlich mit der Ausweitung der
Frauenquote für Aufsichtsräte und der Vorgabe, dass in rein männliche
Unternehmens-Vorstände mit mindestens vier Mitgliedern künftig eine
Frau nachrücken soll, wenn ein Platz frei wird.
Die Ressortabstimmung
habe ergeben, dass es von den unionsgeführten Ressorts – dazu zählt
das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) - keine
Zustimmung gebe, sagte Giffey.
Bundeswirtschaftsministerium Altmaier stellt sich noch gegen eine Frauenquote für AufsichtsräteBild: NurPhoto / Emmanuele Contini
Giffey hofft auf eine Einigung im Sommer, nachdem Kanzlerin Angela
Merkel (CDU) zuletzt Sympathie für die Überlegungen signalisiert
hatte. Christiane Benner vom Vorstand der Gewerkschaft IG Metall
forderte "Siebenmeilenstiefel" für die Ausweitung der Quote.
Bei einem anderen Thema macht Giffey sich dagegen keine Hoffnungen:
beim Ehegattensplitting im Steuerrecht, das aus ihrer Sicht die
"klassische Einverdiener-Familie" bevorzuge, in der meistens der Mann
der Hauptverdiener sei. "Das ist nichts für diese Legislatur", sagte
sie, werde aber im Wahlprogramm der SPD stehen.
(lau/dpa)
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