Eine Pflegerin in einem Seniorenheim.Bild: www.imago-images.de / Rainer Droese
Deutschland
24.08.2020, 17:1524.08.2020, 17:41
Wieder hat ein Geschenk einer deutschen Landesregierung an Pflegekräfte für große Empörung gesorgt – und den handelnden Politikern den Vorwurf eingebrockt, Pflegekräfte abspeisen zu wollen, anstatt sich für eine anständige Bezahlung einzusetzen.
Das Geschenk des Anstoßes diesmal: Tüten mit Lyoner, der Wurstsorte also, die in manchen deutschen Regionen auch als Fleischwurst bekannt ist – und zwar in Form einer Streichpaste, in Büchsen abgefüllt.
Auf der Facebook-Seite "Pflegestreik Südwest", die sich für bessere Arbeitsbedingungen für Pflegepersonal einsetzt, wurde ein Foto mit den Lyoner-Tüten gepostet. Verfasst hat den Post der Pflegebeauftragte der Gewerkschaft ver.di, Michael Quetting. Sein Text zu den Lyonerpaketen:
"Das Pflegepersonal, das in der Coronazeit aktiv war, erhielt eine Tasche mit einem 'saarländischen Dankeschön.' Inhalt: Taschen mit je einem Lyoner Aufstrich und einem vegetarischen Aufstrich. So erhielt die Corona Intensivstation der SHG Kliniken in Völklingen für etwa 40 Kolleginnen genau drei Tüten. Die können sich nun wahrlich den Magen vollschlagen. Ich wusste bis heute gar nicht, dass es Lyoner als Paste gibt. Das haben wir vermutlich für unseren zukünftigen Astronauten entwickelt. Das dürfen jetzt die Pflegekräfte schon mal ausprobieren. #Lyonergate Oh Herr, lass Hirn regnen. Ein wenig schäme ich mich, Saarländer zu sein. Ein bisschen mehr wächst meine Wut."
Nicht als Corona-Geschenk gedacht
Die Wahrheit hinter dem Lyonergate ist offenbar aber deutlich weniger empörend als gedacht: Die Pakete kamen nämlich laut saarländischer Landesregierung gar nicht vom für Pflege zuständigen Gesundheitsministerium, sondern vom Finanz- und Europaministerium. Und sie waren laut der saarländischen Landesregierung auch keine milde Gabe an alle Pfleger, sondern nur ein Extra-Dankeschön an die Pflegeteams, die sich um Covid-19-Patienten aus der ans Saarland angrenzenden französischen Region Grand Est gekümmert haben. Das teilte das Ministerium gegenüber watson mit.
Weiter heißt es aus dem Ministerium:
"Die Auswahl der Tüten erfolgte jedoch nicht willkürlich. Im Vorfeld hat das Europaministerium die betroffenen Kliniken über die Zahl der Pflegekräfte, die französische Patienten betreut haben, abgefragt und entsprechend der Rückmeldung Tüten zur Verfügung gestellt. (Anmerkung: Eine Tüte reicht für zwei Personen aus.). Es sei auch erwähnt, dass das Europaministerium seitens der Kliniken positive Rückmeldungen auf die Dankeschön-Aktion erhalten hat."
Der verdi-Pflegebeauftragte Quettig hat seinen wütenden Post inzwischen auch überarbeitet. Er ergänzte ihn mit diesen Worten:
"Soeben höre ich, dass die Tüte aus dem Finanzministerium kam und als Dankeschön für die Grenzgänger gedacht ist. Das entlastet zwar das Gesundheitsministerium, macht die Sache aber nicht besser. Unsere Forderungen zur Aufwertung und Entlastung sind bekannt. Und die heißen eben nicht Lavendel oder Lyonerstreichwurst."
Mit der Nennung von Lavendel spielt Quettig auf den sogenannten "Lavendelgate" an: Der Wissenschaftsstaatssekretär in Rheinland-Pfalz hatte einen Lavendelstrauch gepflanzt, um sich für die Arbeit der Pflegekräfte in der Corona-Krise zu bedanken – und einen Sturm der Entrüstung geerntet.
Gegenüber watson erklärt Quetting, die veränderte Sachlage ändere aber nichts an der Empörung der Beschäftigten in der Pflege. Dort warte man weiter auf die versprochenen Boni. "Applaus war gestern", sagt der Pflegebeauftragte.
(se)
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