Die Gehälter in der Altenpflege in Deutschland sind nicht bundesweit geregelt.Bild: iStockphoto / Inside Creative House
Deutschland
26.02.2021, 10:2226.02.2021, 10:21
Der geplante flächendeckende Tarifvertrag für die
Altenpflege in Deutschland steht vor dem Aus. Die Arbeitgeberseite
der Caritas hat sich am Donnerstag dagegengestellt. Damit kann –anders als seit mehr als einem Jahr geplant – ein Tarifvertrag, den
die Gewerkschaft Verdi mit einem Pflegeverband geschlossen hat, nicht
durch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für allgemeinverbindlich
erklärt werden. Völlig unklar ist, wie die zerklüftete Lohnlandschaft
bei den Altenpflegerinnen und -pflegern in Deutschland nun
einheitlicher werden soll.
Geplantes Einkommen und Mindestlohn:
Die Gewerkschaft Verdi und der Arbeitgeberverband BVAP hatten
den Tarifvertrag Altenpflege im September ausgehandelt. Er sieht eine
Erhöhung der Einkommen bis auf 18,50 Euro für examinierte
Altenpflegekräfte ab Januar 2023 vor. Beantragt werden sollte, einen
zwischen Verdi und BVAP abgeschlossenen Tarifvertrag für
allgemeinverbindlich zu erklären. Laut Gesetz müssen Caritas und
Diakonie, wo viele Pflegekräfte beschäftigt sind, zu so einem Antrag
in dieser Branche ein Votum abgeben. Bisher gibt es in Ost- und
Westdeutschland unterschiedliche Mindestlöhne für Pflegehilfskräfte,
die bis September auf einheitlich 12,55 Euro pro Stunde steigen
sollen. Ab Juli sollen Pflegefachkräfte mindestens 15 Euro bekommen.
Was nun geschah:
Am Zug war die 62-köpfige arbeitsrechtliche Kommission
des Caritasverbandes, die für die 25.000 Caritas-Einrichtungen und
-Dienste zuständig ist. Der Antrag auf Allgemeinverbindlichkeit fand
dort am Donnerstag nicht die nötige Mehrheit. "Offenbar hat die
Kommission mehrheitlich befunden, dass sich der vorgelegte
Tarifvertrag nachteilig auf den caritaseigenen Tarif und auf die
Einrichtungen und Dienste der Caritas sowie deren Beschäftigte
ausgewirkt und letztlich nicht zur Verbesserung der Bedingungen in
der Pflege beigetragen hätte", teilte Caritas-Präsident Peter Neher
mit.
Reaktionen auf die Entscheidung:
Die Mitarbeiter-Seite der Caritas warf der Dienst- beziehungsweise Arbeitgeberseite mangelnde Solidarität vor – sie hätten das Ende von
Dumpinglöhnen bei Tausenden privaten Anbietern verhindert. Heil
sagte: "Heute ist ein schlechter Tag für die Pflege in Deutschland."
Der Deutsche Gewerkschaftsbund sowie die Grünen und die Linke im
Bundestag sprachen von einer vertanen Chance, einem bitteren Tag oder
einem Schlag ins Gesicht der Betroffenen. Sylvia Bühler vom
Verdi-Vorstand sagte an die Adresse der Caritas-Dienstgeber:
"Ideologie schlägt Humanität." Verlierer seien die rund 1,2 Millionen
Beschäftigten in der Altenpflege. Genugtuung herrschte hingegen bei
privaten Pflegeanbietern. Die Entscheidung drücke "trotz hohen
politischen Drucks ein klares Bekenntnis zur grundgesetzlich
verankerten Tarifautonomie" aus, sagte der Präsident des bpa
Arbeitgeberverbands, Rainer Brüderle.
Was aus dem Tarufvertrag wird:
Er dürfte nicht breit zur Anwendung kommen. Zwar entscheidet an
diesem Freitag noch die entsprechende Kommission der Diakonie. Heil
sagte, wenn es hier eine positive Entscheidung gebe, könnten sich
eventuell noch einmal alle Beteiligten zusammensetzen und den Weg
über die Allgemeinverbindlichkeit doch noch frei machen. Doch davon
wird bei den Beteiligten eher nicht ausgegangen.
Perspektiven:
Heil will "alle Wege" für höhere Pflegelöhne nutzen. Nun will er
die Pflegemindestlohnkommission neu einberufen, so dass hier
mittelfristig höhere Lohnuntergrenzen vereinbart werden können. Heil
forderte zudem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zur Vorlage
eines Gesetzes für eine Pflegereform auf. Spahn hatte im Herbst
entsprechende Eckpunkte vorgelegt und ein Gesetz angekündigt. Ein
Sprecher Spahns sagte über die Caritas-Entscheidung: "Das ist keine
Entscheidung gegen bessere Bezahlung in der Pflege. Auch ohne einen
allgemeinverbindlichen Tarifvertrag können, müssen und werden die
Pflegelöhne weiter steigen."
Was Spahn plant:
Spahn hatte bereits im vergangenen Jahr eingeräumt, dass die Lage
unzureichend sei – und durch die Corona-Pandemie weiter verschärft
werde. In Spahns Eckpunkten steht unter anderem das Vorhaben: "Die
Entlohnung entsprechend Tarif für ambulante und stationäre
Pflegeeinrichtungen soll künftig Voraussetzung für die Zulassung zur
Versorgung werden." Denn die Situation vieler Beschäftigten in der
Altenpflege ist seit Jahren wegen Überlastung, Personalmangels,
steigender Ansprüche und fehlender Wertschätzung angespannt.
(lfr/dpa)
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