NSU 2.0 – der Name sagt eigentlich schon alles. Mit dieser Unterschrift verschicken bislang unbekannte Personen Drohmails an mehrere Politikerinnen und Politiker, die Kabarettistin Idil Baydar und weitere. Rund 70 Fälle sind zurzeit bekannt. Bei "Dunja Hayali" am Donnerstagabend im ZDF geht es um genau dieses Thema.
Die Aufklärung der Fälle stockt, die erste Mail wurde schon vor zwei Jahren bekannt. Der Vorwurf an die hessische Polizei und Politik lautet, die Aufklärung nicht ernst oder stringent genug zu verfolgen. Einer, der selbst von diesen Drohmails betroffen ist, ist Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker hat aus seinen Erfahrungen nicht abgeleitet, dass die Polizei ein strukturelles Rassismus-Problem hat, auch wenn er, wie er erzählt, selbst schon Opfer von Racial Profiling wurde.
Abgesehen von Özdemir sind noch zwei Innenpolitiker in der Runde zu Gast, der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) und Christian Heinz (CDU), Mitglied des Innenausschusses im Hessischen Landtag. Es geht um die Frage, wie es passieren konnte, dass die Daten und Adressen der von den Drohmails betroffenen Personen, teilweise aus dem Polizeicomputer abgefragt wurden.
Heinz würde sich wünschen, dass sich der Generalbundesanwalt in die Drohmail-Affäre einschaltet, da er darin nicht mehr nur ein Thema für die Staatsanwaltschaft Frankfurt, sondern für ganz Deutschland sieht. Cem Özdemir widerspricht dem jedoch.
Heinz geht darauf gar nicht mehr ein, sondern redet im Anschluss darüber, wo er die Probleme sieht. "Mein Eindruck ist, dass es in der Vergangenheit einen zu lachsen Umgang mit Datenschutz bei der Polizei gab. Ich hatte mir sowas nicht vorstellen können", sagt Christian Heinz. Es sei gängige Praxis gewesen, dass sich ein Kollege morgens eingeloggt habe und dieser Zugang dann den Tag von einer ganzen Ermittlungsgruppe genutzt worden sei. Dieses Vorgehen habe nun allerdings "endlich" ein Ende.
Moderatorin Hayali schwenkt im Anschluss schnell auf ein anderes heikles Thema um – die Rassismus-Studie in den Reihen der deutschen Polizei, gegen die sich Innenminister Horst Seehofer (CSU) sehr entschieden ausgesprochen hat, weil man sie nicht benötige. Diese Ansicht vertritt Bayerns Innenminister und Seehofers Parteikollege Joachim Herrmann wenig überraschend auch. "Racial Profiling darf es nicht geben, es ist verboten, Punkt aus", sagt er.
Das will Moderatorin Hayali so nicht stehen lassen. "Über eine rote Ampel zu fahren ist auch verboten, trotzdem machen es die Leute", erwidert sie. "Dann stellt man sich an die rote Ampel und dann muss ich denjenigen schnappen, wenn er bei rot drüberfährt", kontert Herrmann. Was er damit sagen will: Für ihn sind die rassistischen Tendenzen einiger Polizeibeamter Einzelfälle, um die man sich zwar intensiv kümmern müsse, aber man müsse daraus keine groß angelegte Untersuchung machen.
Dunja Hayali sieht das ganz offensichtlich anders. "Nochmal die Frage an Sie, Herr Herrmann. Wäre es nicht sinnvoll, das subjektive Empfinden wirklich valide zu untersuchen mit einer methodischen Studie mit belastbaren Datengrundlagen? Warum sträuben Sie sich so?"
Herrmann windet sich: "Ich sträube mich nicht. Ich weiß einfach nicht, was dabei rauskommen soll." Es gebe Stimmen für und gegen eine solche Studie. Und er ist erkennbar dagegen.
Hayali hingegen sucht in der Runde regelrecht nach Stimmen, die sich für eine Rassismus-Studie aussprechen.
Fündig wird sie bei Cem Özdemir. Der ist zwar für eine Studie, betont aber auch immer wieder, dass er die Polizei nicht unter Generalverdacht stellen würde. Es wirkt zeitweise so, als würde Hayali von Özdemir andere Antworten erwarten.
Doch Özdemir macht da nicht mit: Bereits zu Beginn hatte er ausdrücklich geäußert, wie dankbar er der Polizei sei. Der Politiker steht unter Polizeischutz und habe dementsprechend großen Respekt vor den Beamten, die ihn "mit ihrem Leben" beschützen würden. Es dürfe keinen Generalverdacht gegen Polizisten geben, sagt Özdemir außerdem in der Sendung und betont: "Wollen wir mal nicht vergessen: Polizisten sind auch Opfer." Zum Beispiel von Rechtsradikalen.
Eine Studie würde er sich dennoch wünschen. "Eigentlich sollte man doch sagen: Wir sind so selbstbewusst, wir machen so eine Studie", sagt er. Diese würde die Polizei gleichwohl sogar entlasten können.
Und auch Christian Heinz wünscht sich die Studie – allerdings nicht so eine, wie sie gerade in Berlin ablaufe. Dort gehe man seinem Eindruck nach von vorneherein davon aus, dass jedem Polizeibeamten erstmal zu misstrauen sei. Das lehne Heinz strikt ab. Den bayerischen Innenminister kann das alles aber nicht überzeugen. "Ich kann nicht erkennen, dass das (Rassismus, Anm. d. Red.) ein Massenproblem bei der Polizei ist", sagt Joachim Herrmann. Das könnte eine solche Studie ja dann auch ans Licht bringen. Herrmann wirkt ein wenig so, als hätte er zumindest ein kleines bisschen Angst vor einem möglichen Ergebnis.