In Deutschland steigen die Corona-Zahlen gerade wieder an, das Robert-Koch-Institut meldete für Samstag, 1. August, 955 Neuinfektionen. Ein deutlicher Anstieg, vergleicht man die Zahl etwa mit der vom Samstag vor drei Wochen, als das RKI 378 neue Fälle an einem Tag gezählt hatte.
Dennoch haben sich in Berlin an diesem ersten Augustsamstag tausende Menschen zu einer Demonstration gegen die Corona-Politik der Regierung getroffen. Und haben dabei – wie auf verschiedenen Aufnahmen in sozialen Netzwerken zu sehen ist – überwiegend auf das Tragen von Masken oder die Einhaltung von Mindestabstand verzichtet. Unter dem Motto "Das Ende der Pandemie Tag der Freiheit", versammelten sich laut Polizeiangaben schon zu Beginn des Protestmarsches an die 10.000 Menschen. So viele waren eigentlich für die Abschlusskundgebung angemeldet.
Den Titel "Tag der Freiheit" trägt auch ein Propagandafilm der Nazi-Ikone Leni Riefenstahl über den Parteitag der NSDAP 1935.
Am Nachmittag dann zählte die Polizei 17.000 Teilnehmer. Eine "exorbitant höhere Zahl" konnten die Sicherheitskräfte nicht bestätigen. In sozialen Medien, vor allem in der Messenger-App Telegram war verbreitet worden, bis zu 800.000 Menschen hätten an der Demo teilgenommen. Gegen 15 Uhr beendete der Veranstalter dann die Demonstration vorzeitig, die Polizei verbreitete die Nachricht per Lautsprecher unter den Teilnehmern.
Menschen mit Mund-Nasen-Schutz wurde aus dem Protestzug "Masken weg" entgegengerufen. Zu größeren Zwischenfällen kam es zunächst nicht. An mehreren Stellen wurden Protestzug und Gegendemonstranten von Polizeieinheiten abgeschirmt. Gegendemonstranten unter dem Motto "Omas gegen rechts" riefen dem Zug "Nazis raus" entgegen, der Spruch schallte als Echo zurück.
Bei den Demonstranten waren Ortsschilder und Fahnen verschiedener Bundesländer zu sehen. Ihrem Unmut über die Schutzmaßnahmen gegen das Coronavirus machten die Menschen mit Trillerpfeifen und Rufen nach "Freiheit" oder "Widerstand" Luft. Auch Parolen wie "Die größte Verschwörungstheorie ist die Corona-Pandemie" waren zu hören.
Über Twitter schrieb die Polizei am Mittag, es sei bei der Versammlung auf der Straße Unter den Linden "ziemlich voll geworden". Die Teilnehmer seien auf ausreichende Abstände und das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung hingewiesen worden, mitunter "vehement" wie Polizei twitterte. Verstöße würden außerdem "dokumentiert, sodass auch im Nachgang die Ahndung möglich ist".
Am Samstagmittag stellte die Polizei dann Strafanzeige gegen den Leiter der Versammlung, wegen "Nichteinhaltung der Hygieneregeln".
Organisiert wurde die Demonstration von der Stuttgarter Initiative Querdenken 711. Nach Angaben von Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) riefen auch verschiedene Neonazi-Organisationen zur Teilnahme auf. Die NPD Berlin etwa rief bereits am 29. Juli dazu auf, sich bei der Demo zu beteiligen.
Auch Gegenprotest formierte sich am Samstag. Auf Twitter etwa trendete etwa der Hashtag #COVIDIDIOTS, unter dem tausende ihre Abneigung gegenüber den Protestierenden und ihrer offen zur Schau getragenen Ablehnung von Pandemie-Verhaltensweisen zum Ausdruck brachten.
Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken etwa twitterte: "Tausende #Covidioten feiern sich in #Berlin als 'die zweite Welle', ohne Abstand, ohne Maske. Sie gefährden damit nicht nur unsere Gesundheit, sie gefährden unsere Erfolge gegen die Pandemie und für die Belebung von Wirtschaft, Bildung und Gesellschaft."
Brandenburgs CDU-Landtagsfraktionschef Jan Redmann schrieb auf Twitter: "Wieder 1000 Neuinfektionen/Tag und in Berlin wird gegen Coronaauflagen demonstriert? Diesen gefährlichen Blödsinn können wir uns nicht mehr leisten."
Zudem sollen mehrere Gegendemonstrationen stattfinden, unter anderem wurde eine Veranstaltung "Kein Fußbreit den Verschwörungstheoretikern" mit 500 Menschen angemeldet. Insgesamt werden am Wochenende in Berlin bei dutzenden Veranstaltungen etwa 22.000 Demonstranten erwartet. Am Samstag war die Polizei mit 1100 Kräften im Einsatz.
Eine ebenfalls für Samstag angemeldete Veranstaltung des Verschwörungsmythikers Attila Hildmann war im Vorfeld unter anderem wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung untersagt worden. Es war das zweite Verbot einer Hildmann-Kundgebung in Folge.
(pcl/mit Material von dpa und afp)