Olaf Scholz und Klara Geywitz treten gegen Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken um den SPD Parteivorsitz an. Bild: imago images/photothek
Deutschland
Bisher ging es im Rennen um den SPD-Vorstand ziemlich zahm zu. Doch so langsam fahren die Kandidaten die Ellbogen aus. Es wird auch Zeit für mehr Kontroverse, denn in knapp einer Woche beginnt die entscheidende Stichwahl.
Die SPD ist im Duellmodus, doch ans gepflegte Streiten müssen sich die Sozialdemokraten erst gewöhnen. Zwei Kandidatenpaare sind noch übrig auf der Suche nach der neuen Parteispitze. Die Partei hat ein Wortgefecht angekündigt für Dienstagabend im Willy-Brandt-Haus. Doch die vier Bewerber brauchen mehr als eine halbe Stunde, bis wirklich gestritten wird. Dann aber geht es um zwei ur-sozialdemokratische Anliegen, die Grundrente und den Klimaschutz, und plötzlich fallen sie sich ins Wort, werden laut, sogar polemisch.
Auf diese Emotionen hat man lange gewartet im bisher recht braven Kandidatenrennen der SPD.
In knapp einer Woche beginnt eine Stichwahl, bei der es zuerst zwar um den Parteivorsitz, im Grunde aber auch um die Zukunft der großen Koalition geht. Vizekanzler Olaf Scholz und die Brandenburgerin Klara Geywitz treten gegen die Bundestagsabgeordnete Saskia Esken und den ehemaligen nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans an. Doch lange fragte man sich: Wofür steht eigentlich welche Doppelspitze und wohin will sie die SPD führen?
Es ist ja auch ein schmaler Grat, den die zwei übrig gebliebenen Kandidatenpaare gehen: Wie grenzt man sich voneinander ab, wenn doch alle gleichermaßen sozialdemokratische Themen vertreten und wissen, dass sie später wieder zusammenarbeiten müssen? Bisher gab es vor allem zaghafte Versuche, jeder betonte, für was er stehe, doch griff den Gegner kaum an.
Jetzt sind es Saskia Esken und Olaf Scholz, die sich als erste warmreden. Die Grundrente repariere nur, was vorher falsch gemacht wurde, sagt Esken. Der Staat habe sich zurückgezogen und die Menschen allein gelassen. Scholz hakt ein: Er sehe nicht ein, dass immer alles kleingeredet werde. "Wenn die SPD was erreicht, muss sie auch stolz sein auf das, was sie macht", betont er.
Auch beim Thema Klimaschutz wird der Ton scharf.
Esken spricht hart, unnachgiebig, doch Scholz steht ihr in nichts nach. Dazwischen stehen Geywitz und Walter-Borjans, die erst beschwichtigen, dann aber mitziehen. Ein Publikum gibt es nicht im Willy-Brandt-Haus, doch auf Twitter freut man sich, dass "mal richtig Beef in der Debatte" ist.
Das hatte man vorher vermisst, wo die einzige wahre Kontroverse der beiden Duos die Frage der schwarzen Null im Bundeshaushalt war: Der amtierende Bundesfinanzminister klar dafür, der frühere Landesfinanzminister dagegen.
Viele in der SPD wünschen sich eine so klare Positionierung auch zu einer anderen Frage:
Raus aus der Groko oder drinbleiben? Doch den Gefallen tun ihnen die Kandidaten nicht. Die Wahrscheinlichkeit für den Fortbestand der Koalition sei "ziemlich gewachsen", hat Scholz nach der Grundrenten-Einigung gesagt. Geywitz und er wollen gerne weitermachen mit der Union, das kann man zwischen den Zeilen lesen.
Bei Esken und Walter-Borjans ist es nicht so einfach. "Die Groko hat viel geleistet, gemessen an dem, was sie sich im Koalitionsvertrag vorgenommen hat", sagte Esken dem "Tagesspiegel". Doch die Konzepte der SPD seien verwässert und sie glaube nicht, dass die wichtigen Zukunftsfragen in der Koalition noch zu lösen seien. Walter-Borjans ist etwas vorsichtiger. Ein deutliches "Raus aus der Groko" gibt es von den beiden nicht.
Jetzt haben erneut die Parteimitglieder das Wort: Am 30. November will die SPD verkünden, welches Duo die Stichwahl gewonnen hat. Dann beginnt hektisches Arbeiten im Willy-Brandt-Haus - denn man hat nur knapp eine Woche Zeit, die Haltung der designierten Vorsitzenden in den wohl wichtigsten Antrag für den Parteitag Anfang Dezember einzuarbeiten. Dann will der Parteivorstand den Delegierten eine klare Empfehlung geben: Raus aus der Groko oder drinbleiben?
Es ist eigentlich nicht überraschend. Denn schon kurz, nachdem Elon Musk im Oktober 2022 Twitter übernahm und es zur heutigen Plattform X umgebaut hatte, löschten Reihen von linken, liberalen, demokratischen User:innen ihre Accounts.