Wirtschaftsminister Robert Habeck schließt nicht aus, dass Kohlekraftwerke in Deutschland länger laufen müssen, um das Land energiepolitisch unabhängiger von Russland zu machen. "Da muss der Pragmatismus jede politische Festlegung schlagen, die Versorgungssicherheit muss gewährleistet sein", sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch im Deutschlandfunk. Im Zweifel sei diese Sicherheit wichtiger als Klimaschutz.
Mittelfristig aber seien Unabhängigkeit in der Energiepolitik und eine klimaneutrale Energieproduktion das gleiche. Je stärker sich Deutschland auf eigene Energiequellen stütze, desto souveräner könne das Land außenpolitisch reagieren. In den vergangenen Jahren sei die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen immer größer geworden, sagte Habeck. "Wir haben uns da ganz schön in eine Ecke manövriert", so der Minister. Doch selbst wenn Russland seine Gaslieferungen stoppen sollte, sei man vorbereitet. "Für den laufenden Winter und den Sommer kann ich Entwarnung geben, das würden wir gut überstehen."
Habeck, der am Montag zu politischen Gesprächen in die USA gereist war, berichtete, Deutschland werde dort nach der Kehrtwende in der Verteidigungspolitik als starker Partner wahrgenommen. Die USA und Europa kämpften für die gleichen Werte – auch wenn die USA in der Handel- und Energiepolitik ein starkes eigenes Interesse hätten.
In Washington, wo zuvor auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock zu Besuch gewesen waren, hatte man Habeck mit Anerkennung und Zuspruch überschüttet. Nicht nur Ex-Zentralbankchefin Janet Yellen, sondern auch Handels- und Energieministerin, Sicherheits- und Energieberater und US-Außenminister Antony Blinken sollen das Gespräch mit dem Grünenpolitiker gesucht haben. Die Anerkennung gelte ihm vor allem wegen seiner Rolle beim Stopp von Nord Stream 2.
Zum Kurswechsel in der deutschen Verteidigungspolitik sagte Habeck: "Die Waffenlieferungen, die jetzt ja beschlossen wurden, wären vielleicht auch eine Maßnahme gewesen, um den Krieg zu verhindern." Ehrlicherweise müsse man aber sagen, dass den russischen Präsidenten Wladimir Putin wohl wenig davon abgehalten hätte, die Ukraine anzugreifen.
(dpa-afxp/fw)