Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (l.) mit der Kanzlerin Angela Merkel. Bild: AP / Olivier Matthys
Deutschland
Wann wird man sagen können, die deutsche EU-Ratspräsidentschaft war ein Erfolg? Kann Deutschland in führender Rolle im UN-Sicherheitsrat etwas ausrichten? Es gibt einige Prüfsteine – und eine alles überragende Aufgabe.
01.07.2020, 06:5901.07.2020, 12:07
So viel internationale Verantwortung auf
einmal hat Deutschland lange nicht mehr gehabt. An diesem Mittwoch
übernimmt die Bundesregierung für ein halbes Jahr die Präsidentschaft
der 27 EU-Staaten. Gleichzeitig geht für einen Monat der Vorsitz im
wichtigsten Gremium der Vereinten Nationen, dem UN-Sicherheitsrat, an
Deutschland über. Was kann Berlin in der doppelten Führungsrolle
ausrichten? Für einige Projekte sieht es gut aus. Andere sind wohl
chancenlos.
Das Haushaltspaket
Schon im Juli sollen der nächste siebenjährige EU-Haushaltsrahmen für
die Zeit bis 2027 und ein Programm zur wirtschaftlichen Erholung nach
der Corona-Krise von allen 27 EU-Staaten einstimmig gebilligt werden.
Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag der EU-Kommission: 1,1 Billionen
für den Haushalt plus 750 Milliarden Euro mit Krisenhilfen, die
gleichzeitig Klimaschutz und Digitalisierung voranbringen sollen.
Erwartet wird eine Einigung; die Frage ist nur, ob das schon beim
EU-Gipfel am 17. und 18. Juli gelingt. Viele Details sind umstritten.
Die Rolle Deutschlands ist vor allem, eine Brücke zu den anderen
EU-Nettobeitragszahlern zu schlagen – darunter die "sparsamen Vier"
Österreich, Schweden, Dänemark und die Niederlande. Nötig sind
wahrscheinlich finanzielle Zugeständnisse.
Den Brexit zu Ende bringen
Großbritannien hat die EU zwar verlassen, gehört aber bis zum
Jahresende noch zum Binnenmarkt und zur Zollunion. Wie läuft danach
der Handel möglichst reibungslos? Das soll in einem Abkommen
festgelegt werden, über das schon monatelang erfolglos verhandelt
wird. Bis Anfang November muss es fertig sein, sonst käme ein
ungeregelter wirtschaftlicher Bruch.
Deutschland ist erstmal nur Nebendarsteller, denn die Verhandlungen
führt EU-Chefunterhändler Michel Barnier. Doch wird es in der heißen
Phase im Herbst darum gehen, mögliche Kompromisslinien im Kreis der
27 EU-Staaten zu klären. Im Idealfall steht zum Jahresende ein
ratifiziertes Abkommen, das Zölle und Handelshemmnisse verhindert.
Neues Klimaziel setzen
Im Pariser Klimaabkommen hat auch die Europäische Union zugesagt, ihr
Klimaziel nachzuschärfen, um die Überhitzung der Erde zu stoppen.
Derzeit gilt: Die EU will bis 2030 ihre Treibhausgase um 40 Prozent
unter den Wert von 1990 drücken. Im Gespräch ist eine Erhöhung auf
50, 55 oder sogar 65 Prozent. Nach einer Folgenprüfung will die
EU-Kommission im Herbst einen offiziellen Vorschlag machen.
Deutschland fiele es dann zu, im Kreis der EU-Länder und danach auch
mit dem Europaparlament einen Kompromiss zu suchen. Dass beides vor
Jahresende klappt, ist eher unwahrscheinlich.
Probleme bei der Migration angehen
Noch unsicherer sind die Chancen für die Reform des Asyl- und
Migrationsrechts. Seit Jahren streiten die EU-Staaten darüber. Die
Länder an den südlichen Außengrenzen wollen die Abkehr vom
sogenannten Dublin-System, wonach in der Regel zunächst das Land für
Asylverfahren zuständig ist, wo ein Migrant zuerst europäischen Boden
betritt. Sie wollen eine Verteilung der Menschen. Östliche Staaten
wie Tschechien und Ungarn, aber auch Österreich sind strikt dagegen.
Bundesinnenminister Horst Seehofer schlägt vor, nach einer Vorprüfung
schon an den EU-Grenzen jene Menschen abzuweisen, die keinerlei
Aussicht auf Schutz haben. Das soll die Zahlen so drücken, dass die
Verteilung leichter wird. Doch ein Konsens ist nicht in Sicht. Weil
die Fronten so hart sind, zögert die EU-Kommission mit einem
offiziellen Vorschlag. Ein Kompromiss unter deutscher Präsidentschaft
gilt als sehr unwahrscheinlich.
Debatte über Europa beginnen
Eigentlich sollte die Konferenz zur Zukunft Europas bereits im Mai
beginnen, doch dann kam Corona. Gemeint ist eine zweijährige Debatte
in verschiedenen Formaten mit Beteiligung von Bürgern. Das Ziel ist
eine demokratischere und bürgernähere EU. Das Europaparlament will
nun einen Auftakt im Herbst. Deutschland dämpft die Erwartung. Man
müsse sehen, wann die Pandemie das zulasse, sagt ein Diplomat.
Behauptung Europas zwischen China und den USA
Der Konkurrenzkampf der Weltmächte China und USA wird immer härter.
Europa muss aufpassen, dass es dabei nicht unter die Räder kommt.
"Wir haben nur dann eine Chance, uns in diesem Umfeld zu behaupten, wenn wir dies zusammen als Europäer tun."
Heiko Maas
"Sonst werden wir zum Spielball von anderen." Das
Verhältnis zu China wollte Kanzlerin Angela Merkel eigentlich bei
einem großen Gipfel mit der Pekinger Führung im September in Leipzig
neu austarieren. Der ist nun wegen der Corona-Pandemie erstmal
verschoben, soll aber trotz des Streits um das Sicherheitsgesetz für
Hongkong noch in diesem Jahr nachgeholt werden. Und was das
Verhältnis zu den USA angeht, gibt es am 3. November einen bedeutenden
Termin: Die Präsidentenwahl, bei der sich entscheidet, ob man es
weitere vier Jahre mit Donald Trump zu tun haben wird.
Moderatorenrolle im Nahost-Konflikt
Eine drohende Eskalation im Nahost-Konflikt dürfte Deutschland sowohl
in der EU als auch im UN-Sicherheitsrat fordern. Israel will
palästinensische Gebiete im Westjordanland annektieren und könnte
bereits am heutigen Mittwoch erste Schritte ergreifen. Das würde eine
Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats nach sich ziehen. Und auch die
Europäische Union müsste entscheiden, wie sie darauf reagieren will.
Der Bundesregierung würde dabei eine schwierige Moderatorenrolle
zukommen. Sie sieht eine Einverleibung besetzter Gebiete durch Israel
zwar als klar rechtswidrig an. Gleichzeitig hat Deutschland aber
wegen des Holocausts eine besondere Verantwortung für Israel. Die
Forderung nach Sanktionen, die von einigen Ländern kommen wird, wird
sie daher kaum unterstützen.
Neue Bemühungen im Libyenkrieg
Im Libyenkrieg hat Deutschland bereits im vergangenen Jahr eine
Vermittlerrolle übernommen und im Januar einen Gipfel in Berlin
organisiert. Der wurde zwar zunächst als diplomatischer Erfolg
gefeiert. Inzwischen ist davon aber nichts mehr übrig geblieben. Die
Kämpfe halten an und die Einmischung von außen hat sich eher noch
verstärkt. Im Sicherheitsrat will Deutschland trotzdem die
Teilnehmerstaaten des Gipfels wieder an einen Tisch bringen – und sie
an ihre Verpflichtungen erinnern. Erfolgschancen: eher gering.
(lin/dpa)
Mit nur 19 Jahren ist Manuel Fernandez einer der jüngsten und beharrlichsten Demokraten in Florida. Als treuer Anhänger von Kamala Harris und Joe Biden und Vorsitzender der Demokraten am Miami Dade College hat er keine Scheu, seine Überzeugungen in einem Staat kundzutun, der weitgehend für die Sache Trumps eintritt. Ein Porträt.
Manuel, "Manny", hat sich mit uns in einem Starbucks in der Nähe verabredet. Man erkennt ihn schon von weitem, den 19-jährigen Mann mit der schlanken Figur und dem schmalen Gesicht, das unter einer hellblauen Cap verloren wirkt.