Ein Ostern in Freiheit? Zurzeit ist das noch undenkbar.Bild: dpa / Annette Riedl
Deutschland
Deutschland droht ein zweites Ostern mit Corona-Fesseln. Die Zeichen
stehen vor der Bund-Länder-Schalte eher auf eine Verschärfung der
Corona-Regeln. Die Rufe nach flexiblerer Handhabung werden lauter.
Und manche machen ein bisschen Hoffnung für das Osterfest.
Vor dem Hintergrund rasant steigender
Corona-Infektionszahlen dringen die Kommunen auf flexiblere Regeln
für Beschränkungen. Der Deutsche Städtetag sowie der Deutsche Städte-
und Gemeindebund forderten vor der nächsten Bund-Länder-Runde am
Montag eine Abkehr von der starren Fokussierung auf den Inzidenzwert,
der die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer
Woche beschreibt. Ab einem Wert von 100 sollen gemäß einer von Bund
und Ländern vereinbarten Notbremse Öffnungsschritte wieder kassiert
werden. Immer mehr Bundesländer haben diese Marke in den vergangenen
Tagen überschritten. Auch im bundesweiten Durchschnitt liegt die
Sieben-Tage-Inzidenz inzwischen über 100.
Das Robert Koch-Institut (RKI) teilte am Sonntag mit, die Zahl der
binnen einer Woche gemeldeten Corona-Neuinfektionen pro 100 000
Einwohner liege nun bei 103.9. Am Vortag hatte sie 99.9 betragen. Die
bundesweite Inzidenz von über 100 ist vor allem von symbolischer
Bedeutung und hat keine zwingenden Folgen für den Umgang mit der
Pandemie. Entscheidend ist die Inzidenz in einzelnen Regionen.
Unterstützung der Bürgermeister für Bund und Länder bröckelt
Innerhalb eines Tages meldeten die Gesundheitsämter 13.733 neue
Corona-Infektionen. Am Sonntag vor einer Woche waren es noch 10.790. Außerdem wurden 99 neue Todesfälle innerhalb eines Tages mit dem
Coronavirus gemeldet – nach 70 registrierten Todesfällen am
vergangenen Sonntag. Die Daten geben den Stand des RKI-Dashboards vom
frühen Sonntagmorgen wieder, nachträgliche Änderungen sind möglich.
Sonntags sind die vom RKI gemeldeten Fallzahlen meist niedriger,
unter anderem weil am Wochenende weniger getestet wird.
Städtetagspräsident Burkhard Jung zeigte sich unzufrieden mit der
Corona-Politik. "Ich mache mir Sorgen, dass die Corona-Politik von
Bund und Ländern die Unterstützung vor Ort verliert - auch bei den
Oberbürgermeistern", sagte Jung den Zeitungen der Funke Mediengruppe
(Sonntag). Die Geschlossenheit unter den Oberbürgermeistern bekomme
Risse. Jung monierte Festlegungen zu Corona-Tests ohne Beachtung der
Infrastruktur, Beschlüsse zur Öffnung von Schulen und Kitas ohne eine
erkennbare Teststrategie und zu viel Bürokratie.
Kritik an Fokussierung auf Inzidenzwert
Jung forderte von Bund und Ländern, nicht nur auf die Inzidenzwerte
zu schauen. "Wir sollten in Deutschland einen neuen Corona-Indikator
einführen, der auch die Impfquote, die Belastung der
Intensivstationen und die Fallsterblichkeit berücksichtigt." Auch der
Städte- und Gemeindebund mahnte, der Inzidenzwert sollte nicht der
einzige Maßstab sein. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte der
"Welt am Sonntag", auch Aspekte wie die Belastung der Krankenhäuser
in der Region oder klar eingrenzbare Hotspots müssten berücksichtigt
werden.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Bevölkerung bereits auf
verschärfte Corona-Regeln eingestellt. "Wir werden leider auch von
dieser Notbremse Gebrauch machen müssen", sagte sie am Freitag. In
Hamburg gelten schon seit Samstag wieder härtere Corona-Auflagen.
Ministerpräsidenten senden unterschiedliche Signale
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder verlangte, die Notbremse müsse
überall in Deutschland gleich und konsequent angewendet werden.
"Sonst wird sie ein zahnloser Tiger, und die Sicherungswirkung
verpufft", sagte der CSU-Chef der "Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung". Öffnungsschritten erteilte Söder eine Absage. "Wer
jetzt die falschen Schritte geht, riskiert, dass aus der dritten
Welle eine Dauerwelle wird", warnte er. Auch Baden-Württembergs
Regierungschef Winfried Kretschmann (Grüne) hatte die Bürger eher auf
Verschärfungen eingestimmt. Sein Thüringer Kollege Bodo Ramelow
(Linke) hält Öffnungen ebenfalls nicht für geboten. Thüringen hat
bundesweit den höchsten Inzidenzwert.
Es gibt aber auch Ministerpräsidenten, die mit Blick auf Ostern
zumindest kleine Öffnungsschritte zulassen wollen. Sachsen-Anhalts
Regierungschef Reiner Haseloff sagte der "Welt am Sonntag": "Im
Hinblick auf die Osterferien könnte für Landeskinder autarker Urlaub
möglich sein – also innerhalb der Grenzen Sachsen-Anhalts, etwa im
Harz." Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD)
sagte der Zeitung, man müsse Möglichkeiten schaffen, "dass die
Menschen in den anstehenden Osterferien bei uns wandern und in einem
Gartenlokal einkehren können, statt nach Mallorca zu fliegen und am
Ballermann zu feiern". Dreyer will sich bei der Schalte am Montag für
"flexiblere Lösungen im Sinne von Modellkommunen und -landkreisen"
einsetzen.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz warnte indes: "Aus meiner Sicht
sollte es zu Ostern besser keine große Reisewelle geben. Das können
wir uns in der aktuellen Infektionslage einfach nicht leisten." Auch
eine allgemeine, bundesweite Öffnung der Außengastronomie zu Ostern
lehnt Scholz ab. Familienbesuche über die Feiertage sollten aus
seiner Sicht hingegen möglich sein.
Testballons für mehr Normalität
Versuche, sich wieder an mehr Normalität im Alltagsleben
heranzutasten, gibt es einige. Beim Fußball waren bei der
Drittliga-Partie Hansa Rostock gegen den Halleschen FC am Samstag 777
Zuschauer zugelassen. Rostock weist sehr niedrige Inzidenzwerte auf.
Der Reisekonzern TUI fliegt an diesem Sonntagvormittag nach langer
Zwangspause wieder die ersten Urlauber nach Mallorca. Und in Berlin
öffnen die ersten Bühnen für ein Pilotprojekt, das Aufführungen vor
getestetem Publikum ermöglichen soll.
Nach Ansicht des Gründers des Mainzer Pharmaunternehmens Biontech,
Ugur Sahin, könnte die Lockdown-Politik im Herbst enden. "In vielen
Ländern in Europa und in den USA werden wir wahrscheinlich Ende des
Sommers in der Situation sein, nicht mehr in einen Lockdown zu
müssen", sagte Sahin der "Welt am Sonntag". "Es wird natürlich
weiterhin lokale Aufbrüche geben, das wird ein Hintergrundrauschen
bleiben. Es wird Mutationen geben. Aber diese werden mit großer
Wahrscheinlichkeit keinen Schrecken verbreiten", erwartet Sahin. Das
Virus werde aber nicht verschwinden. Man müsse dann sehen, "ob man
jedes Jahr oder alle fünf Jahre eine Impfung braucht".
(vdv/dpa)
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