Am Donnerstagabend diskutierte Markus Lanz im ZDF über ein heikles Thema, das aufgrund eines Verbrechens in jüngster Vergangenheit intensive Debatten, Wut und Empörung ausgelöst hat: sexuelle Gewalt an Kindern. Am Wochenende war ein Fall des schweren sexuellen Missbrauchs mehrerer Kinder in Münster bekannt geworden. Der 27 Jahre alte Hauptverdächtige war wegen Kinderpornografiebesitzes bereits zweifach vorbestraft.
Ein widerliches Verbrechen, das ähnlich oder in Ansätzen mehrfach täglich in Deutschland begangen wird. Laut einer Statistik des Bundeskriminalamts gibt es hierzulande jeden Tag 43 neue Opfer von Kindesmissbrauch. Erschreckend: Nirgendwo anders auf der Welt werden so viele Bilder und Filme mit pädophilen Inhalten verbreitet wie in Europa.
Justizministerin Christine Lambrecht hatte in der aufkochenden Debatte um härtere Strafen für die Täter im Kreuzfeuer der Kritik gestanden. Während die Innenminister der Länder den Besitz von Kinderpornografie als Verbrechen betrachten und mit Gefängnisstrafen belegen wollten, hatte die SPD-Politikerin dafür plädiert, dass es lediglich ein Vergehen sein solle. Mittlerweile hat sie ihre Meinung aber revidiert. Am Donnerstagabend forderte Markus Lanz von Lambrecht Antworten auf drängende und noch offene Fragen.
Unter anderem sei es für ihn unverständlich, wie jemand zweimal wegen des Besitzes von Kinderpornografie für jeweils zwei Jahre auf Bewährung verurteilt werden kann – wie es im Fall des Münsteraner Täters vor seiner aktuellen und dritten Festnahme passiert war. "Was muss geschehen, damit jemand beim dritten Mal endlich dahin geht, wo er hingehört?", fragte Lanz. Sprich: ins Gefängnis.
Es gehe nicht allein darum, Strafrahmen zu erhöhen, so die Ministerin. Sondern sich zu fragen, warum diese Urteile zur Bewährung ausgesetzt werden. Dann teilte sie Zahlen mit der ZDF-Talkrunde, die bei Lanz und seinen Gästen für entsetzte Blicke sorgten:
Eine Aussage, die der Moderator nicht recht glauben konnte. Warum die Täter nicht direkt ins Gefängnis müssten? Man müsse die Einzelfälle bewerten, so Lambrecht, die Richter würden ihre Gründe gehabt haben und lediglich das geltende Recht anwenden. Man wollte den Strafrahmen für sexuelle Gewalt gegen Kinder in Deutschland erhöhen, erklärte sie und zudem dafür sorgen, dass nicht mehr (wie zuvor) die Wiederholung einer Tat nötig sei, um einem Verbrecher ein härteres Urteil aufzuerlegen. Lambrecht: "Das will ich abschaffen. Ich glaube, das ist der Grund, warum viele Richter diese Möglichkeiten immer wieder nutzen."
Weiter zeigte die Ministerin auf, dass Menschen, die in Deutschland schwerste Fälle von Kindesmissbrauch begehen, laut Statistik kaum die höchstmögliche Strafe fürchten müssten: "Tatsächlich werden Höchststrafen kaum ausgesprochen." Nur 0,5 Prozent aller Urteile bei schwerem sexuellen Missbrauch würden mit dem hohen Strafrahmen zwischen zehn bis fünfzehn Jahren ausgesprochen werden, erläuterte sie. Der Gastgeber schaute ungläubig, verzog das Gesicht. Eine Zahl, die ihm geradezu lächerlich erschien. "0,5 Prozent? Also praktisch nichts!", bemerkte Markus Lanz, der selbst drei Kinder hat, aufbrausend. Laut Lambrecht würden Richter dieses Strafmaß "ein oder zweimal pro Jahr" aussprechen.
"Das zeigt, dass dieser Rahmen gar nicht ausgeschöpft ist", so die Ministerin und wiederholte ihren Plan, die Rechtssprechung anzupassen, um künftig Wiederholungstäter schneller ins Gefängnis bringen zu können.
Markus Lanz zeigte sich mit ihren Antworten halbwegs zufriedengestellt, hakte dann aber doch noch nach, warum Christine Lambrecht Forderungen aus der Union nach härteren Strafen für Kinderschänder zunächst zurückgewiesen hatte. Mittlerweile geht auch die Ministerin den Weg, den sexuellen Missbrauch von Kindern grundsätzlich zum Verbrechen hochzustufen. Sie hätte lediglich die aktuelle Gesetzeslage beschrieben, so Lambrecht. "Es hat mich getroffen, dass der Eindruck entstanden ist, ich würde mich gegen ein härteres Strafmaß wehren." Dann erklärte sie:
Aber: Wer sie kenne, so Lambrecht, die seit über zwei Jahrzehnten im Bundestag sitzt, wisse, dass sie trotz der vorherigen Debatte alles dafür tun würde, dass diese "widerlichen Taten" angemessen bestraft werden.
(ab/mit Material von dpa)