Nur wenige Tage vor der Landtagswahl gibt es Wahlkampf-Streit bei der SPD Sachsen. Deren Spitzenkandidat und Wirtschaftsminister, Martin Dulig, hat am Montag einen Kurswechsel eingeleitet und macht nun Werbung für eine schwarz-rot-grüne Kenia-Koalition. Bei einigen Parteifreundinnen kommt das nicht gut an: Sie machen Wahlkampf für Rot-Rot-Grün und sind vom Vorgehen Duligs überrascht.
"Wir wurden vorab weder gefragt, noch informiert", sagt Irena Rudolph-Kokot, die als Direktkandidatin für die SPD in Leipzig antritt und auch im Parteivorstand der sächsischen SPD sitzt, zu watson. Deshalb habe sie auch etwas ungehalten reagiert. Nach einem Video des obersten Wahlkämpfers Dulig hatte sie auf Twitter gefragt: "Habe ich etwas verpasst?"
In diesem Video sagt SPD-Spitzenkandidat Dulig:
"Wir kennen die Umfragen. Wir wissen, worum es geht: Gibt es eine Mehrheit für CDU, SPD und Grüne?"
Martin Dulig
Das Wort "Regierung" wird im Video sogar Rot-Grün-Schwarz eingefärbt. Dulig ruft die Wähler auf: "Geben Sie ihre Zweitstimme der SPD." Auch in der "Wahlarena Sachsen" sprach sich Dulig am Montagabend für eine Kenia-Koalition aus. Im Juni hatte Dulig laut einem Bericht der "Freien Presse" noch gesagt: "Es wird keinen Koalitionswahlkampf und keinen Lagerwahlkampf geben."
Auf den letzten Metern vor der Wahl am Sonntag und mit den aktuellen Umfragewerten im Blick soll es nun offenbar doch ein Koalitionswahlkampf richten. Laut der jüngsten Umfrage im Auftrag der ARD-"Tagesthemen" wäre eine Kenia-Koalition aus CDU, Grünen und SPD möglich. Die einzige andere Option wäre derzeit eine Regierung aus CDU und AfD – zumindest rechnerisch. Die CDU hat eine Zusammenarbeit mit der AfD jedoch ausgeschlossen.
Kandidatinnen sind von Duligs Vorgehen überrascht
Für die Parteilinke ist Duligs Schritt, der vor allem ein Schritt in Richtung CDU ist, trotzdem nicht nachvollziehbar. "Ich war überrascht", sagt Sophie Koch zu watson. Koch ist Mitglied der Jusos und Direktkandidatin für die SPD in Dresden.
Ihre Leipziger Parteifreundin Irena Rudolph-Kokot sagt: "Ich akzeptiere Mehrheitsentscheidungen natürlich. Hätte der Parteivorstand das beschlossen, wäre es das eine. Aber das kam ein wenig plötzlich. Darüber hätte man sich vorher wenigstens austauschen können."
Duligs Kehrtwende sei jedoch weder mit den Kandidatinnen der SPD noch im Landesvorstand abgesprochen gewesen.
Auf Twitter wurde Sophie Koch ebenfalls deutlich:
Beide Kandidatinnen würden am liebsten eine rot-rot-grüne Koalition sehen. Sie sind Unterstützerinnen der Kampagne "umkrempeln", die von Mitgliedern von SPD, Grünen und Linkspartei getragen wird und für ein rot-rot-grünes Parteienbündnis in Sachsen wirbt.
Die Linke kommt in der aktuellen Umfrage auf 16 Prozent, die Grünen auf elf und die SPD auf sieben Prozent. Damit wäre Rot-Rot-Grün deutlich von einer Mehrheit entfernt.
Koch sagt dennoch: "Ich kämpfe für eine progressive Mehrheit und mag es nicht, wie man jetzt angstgetrieben in Richtung einer Kenia-Koalition steuert." Und weiter:
"Meine Befürchtung ist, dass Wähler, die Rot-Rot-Grün wollen, die SPD jetzt nicht mehr wählen."
Sophie Koch
Der richtige Zeitpunkt, um über eine mögliche schwarz-rot-grüne Koalition zu sprechen, sei nach der Wahl. "Die Umfragen sind das eine, aber wir wissen erst nach dem Endergebnis, welche Koalitionen möglich sind", sagt Sophie Koch.
Der sächsische SPD-Generalsekretär Henning Homann hingegen verteidigte das Vorgehen Duligs gegenüber der "Freien Presse": Es zeichne sich in Sachsen eine Koalition ab, "über die niemand spricht". Dass Martin Dulig das ausspreche, sei ein Zeichen von Stärke.
K-Frage in der SPD: Lauterbach und Lanz im Schlagabtausch über Scholz
In der SPD tobt derzeit die K-Frage, die Diskussion über den nächsten Kanzlerkandidaten. Kanzler Olaf Scholz zeigt sich entschlossen, erneut anzutreten. Doch die Umfragen sprechen eine andere Sprache, zumindest zum aktuellen Zeitpunkt.