Angesichts des rasant fortschreitenden Klimawandels hat Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) größere Kraftanstrengungen und mehr Geld für den Klimaschutz angekündigt. Neues Ziel ist es, den Freistaat bis 2040 klimaneutral zu machen. Allein im kommenden Jahr wolle man dafür eine Milliarde Euro ausgeben, hochgerechnet bis 2040 insgesamt 22 Milliarden Euro. Das sagte Söder am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Landtag.
Die umstrittene Mindestabstandsregel für Windkraftanlagen soll etwas gelockert werden, um mehr Windräder etwa im Staatswald zu ermöglichen - dort und in anderen Bereichen soll nur noch ein Mindestabstand von 1000 Metern gelten. Die von Söder angekündigte Photovoltaik-Pflicht für Neubauten wird es wegen des Widerstands von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) dagegen nicht geben - Söder will stattdessen nun für eine bundesweite Pflicht kämpfen. Zugleich sprach er sich für den Kohleausstieg nicht erst bis 2038, sondern schon bis 2030 aus. Es müsse geprüft werden, "ob ein Ausstieg aus der Kohle nicht schneller möglich ist" - 2038 halte er für "unambitioniert".
Grünen-Fraktionschef Ludwig Hartmann warf Söder postwendend eine vollkommen verfehlte Klimaschutzpolitik vor. "Führungsstärke statt Inszenierung – darauf wartet der Klimaschutz", sagte er. Der Klimaschutz in Bayern gehe seit Söders Wahl zum Ministerpräsidenten nicht voran. "Klimaschutz heißt verändern, um zu bewahren", sagte Hartmann.
Bei Söder fehle aber eine klare Linie, "wo wollen Sie eigentlich hin?" Zudem kritisierten die Grünen, die angekündigte "Mini-Änderung" bei der Windkraft reiche keinesfalls aus. Das, was Söder insgesamt vorgelegt habe, sei "ein Witz auf Kosten der nächsten Generationen", kritisierte der Grünen-Abgeordnete Martin Stümpfig. Auch SPD-Fraktionschef Florian von Brunn warf Söder vor, das Angekündigte reiche bei Weitem nicht aus.
"Wichtige klingende Überschriften und Absichtserklärungen retten noch nicht das Klima." Mittelfristig müsse man fünf Milliarden Euro pro Jahr in den Klimaschutz investieren. FDP-Fraktionschef Martin Hagen warf Söder einen "Irrweg aus Planwirtschaft und Symbolpolitik" vor: "Ein Bundesland im Alleingang bis 2040 klimaneutral zu machen ist reine Symbolpolitik ohne jeden Effekt auf das globale Klima."
AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner kritisierte, Söder und andere missbrauchten die Hochwasserkatastrophe für ihre Politik.
Bei der Windkraft soll es nach Worten Söders zwar grundsätzlich bei der sogenannten 10H-Regel bleiben - danach müssen Windräder grundsätzlich das Zehnfache ihrer Höhe von der nächsten Wohnbebauung entfernt sein. Im Staatswald, in vorbelasteten Gebieten, auf Truppenübungsplätzen, aber auch beim sogenannten Repowering bestehender Anlagen soll künftig aber nur noch ein Mindestabstand von 1000 Metern eingehalten werden müssen. Man wolle entsprechende Ausnahmetatbestände schaffen, sagte Söder. Allein im Staatswald könnten so 500 neue Anlagen entstehen. "Wir wollen mehr Wind, aber wir wollen es mit den Bürgern und nicht gegen die Bürger."
Bei der Photovoltaik will Söder vier mal so viele Anlagen auf staatlichen Dächern durchsetzen, 1300 statt 340, aber auch entlang von Autobahnen, an Lärmschutzwänden, auf Parkplätzen und ähnlichem. Zudem soll es nochmals neue Anreize für private Photovoltaik-Anlagen geben. Auf Bundesebene werde er sehr für eine Solar-Pflicht für Neubauten kämpfen, sagte der CSU-Chef. Sollte es bundesweit keine solche Pflicht geben, werde man das Thema in Bayern neu aufrufen.
Die Geothermie soll nach dem Willen des Regierungschefs bis 2050 rund 25 Prozent des gesamten bayerischen Wärmebedarfs decken. Insgesamt kündigte Söder mit Blick auf die laufende Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes ein Klima-Programm für Bayern mit 50 Maßnahmen in fünf Bereichen an: erneuerbare Energien, natürliche CO2-Speicher (zum Beispiel Moor-Sanierungen), Klima-Architektur, nachhaltige Mobilität und Klimaforschung. Gesetzlich festschreiben will er die Reduktion der Treibhausgas-Emissionen um 65 Prozent bis zum Jahr 2030.
Beim Bauen will Söder, wo immer möglich, auf Holz setzen. Er kündigte dazu Förderprogramme an, auch für mehrgeschossiges Bauen. Zudem setzt Söder auf Programme zur Stadtbegrünung und auf Urban Farming.
Im Bereich der Mobilität will Söder unter anderem die Zahl der E-Ladesäulen bis 2030 von jetzt 7000 verzehnfachen. Kleine Bahnstrecken im Freistaat sollen reaktiviert und ausgebaut werden. Die Klima- und Wasserstoff-Forschung soll weiter ausgebaut werden. Die Hochwasserrisiken in Bayerns Kommunen sollen nach dem Willen Söders künftig von einer unabhängigen Stelle bewertet werden. "Wir brauchen einen verpflichtenden Hochwasser-Tüv", sagte er.
Schutzkonzepte müssten vertieft und langfristiger gedacht werden. Zugleich mache das Wasser aber auch Sorgen, weil Niederschläge vielerorts nicht mehr ausreichend seien. Daher müsse auch ein sparsamerer Umgang mit Wasser Ziel der künftigen Klimapolitik sein.
Söder betonte, die jüngsten Hochwasserkatastrophen in Deutschland belegten den fortschreitenden Klimawandel. "Wir stehen an der Schwelle epochaler Veränderungen", sagte er. Die Unwetter seien deutliche Warn- und Weckrufe. Das Klima ändere sich rasant – nicht irgendwo auf der Welt, sondern mitten in Bayern und Deutschland. Deswegen müsse man rasch handeln und den Klimaschutz verstärken. Söder verteidigte dabei die bisherigen Anstrengungen Bayerns beim Klimaschutz - der Freistaat stehe hier im Vergleich der Bundesländer gut da. Er betonte aber auch: "Wir können und müssen mehr machen."
Scharfe Kritik kam nicht nur von der Opposition, sondern etwa auch vom Bund Naturschutz. Söder bleibe konkrete und schnell wirksame Maßnahmen zum Klimaschutz schuldig, sagte der Vorsitzende Richard Mergner. Er kritisierte insbesondere, Nachbesserungen an der 10H-Regel reichten nicht aus - diese müsse ganz abgeschafft werden.
(fgr/dpa)