Noch vor wenigen Monaten schnitten die Grünen in den Umfragen bestens ab. Doch mittlerweile befinden sie sich wieder im Sinkflug. Wie kann das sein und was wird dagegen getan, wollte Markus Lanz am Dienstagabend von der Grünen-Chefin Annalena Baerbock wissen. Neben der Politikerin war auch Ökonom Hans-Werner Sinn sowie Mary L. Trump, die Nichte des US-Präsidenten, und der langjährige Mannschaftsarzt des FC Bayern München, Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in der Talk-Runde zu Gast.
Den Anfang machte Trumps Nichte, die erst kürzlich ihr Buch "Zu viel und nie genug – Wie meine Familie den gefährlichsten Mann der Welt erschuf" herausbrachte. Bei "Lanz" erklärte sie, dass es vor allem die mächtige Position und die "Unfähigkeit seinen Job zu machen" sei, die Trump so "unglaublich gefährlich" mache.
In der Familie habe man vor seiner Kandidatur auch nicht damit gerechnet, dass er tatsächlich kandidiert und erst recht nicht, dass er es ins Weiße Haus schafft. Denn Donald Trump "hat in seinem Leben noch nie irgendwas erreicht", sagte sie. Seine Erfolge hätten immer auf dem Erfolg ihres Großvaters beruht und auf dessen Geld, Einfluss und Beziehungen. Trump selbst sei kein erfolgreicher Geschäftsmann gewesen, berichtete sie. Stattdessen habe er Hotels, Casinos und auch eine Airline in den Ruin getrieben. "Er hat nie irgendwas allein erreicht", machte Mary Trump deutlich. Auch die letzte Wahl könne man da ihrer Meinung nach sehr infrage stellen.
Dennoch würde sie eine Wiederwahl Trumps zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausschließen, wie sie bei "Lanz" weiter erklärte. Ihre Prognose ist düster:
Auf die Frage, wie Trump mit einer Niederlage umgehen würde und ob er möglicherweise das Weiße Haus nicht kampflos räumt, erklärte sie: "Leider ist das vorstellbar und wir müssen uns drauf einstellen." Wenn Joe Biden mit starker Mehrheit gewinne, dann würde Trump in seinem Narzissmus so verletzt sein, dass er wegliefe und sagen würde, Amerika hätte ihn gar nicht verdient. Wenn es jedoch eng würde, meint Mary Trump, dann gebe es diejenigen in der Partei, die ihn ermutigen würden, nicht so leicht aufzugeben und mit anderen Mitteln zu kämpfen.
Ein Szenario, angesichts dessen man sich glücklich schätzen könne, in einer gefestigten Demokratie wie in Deutschland leben zu können, meint Annalena Baerbock, ehe Lanz sie auf die aktuellen Umfragewerte der Grünen sowie die Kanzlerkandidatur von Olaf Scholz (SPD) anspricht. Doch in vielen Punkten will sich die Grünen-Chefin nicht zu sehr in die Karten blicken lassen.
Auf die Frage, was sie von Scholz halte, erklärte sie nur vielsagend, sie fände "manche Teile seiner Politikvorschläge falsch, zum Beispiel, dass das Ökologische komplett hinten runterfällt". Lanz hakte nach, ob denn für ihre Partei eine Koalition mit Scholz denkbar wäre, doch sie wiegelt ab:
Sie stellte klar, dass sie sich nicht schon 13 Monate vor einer Wahl mit möglichen Koalitionspartnern auseinandersetzen wolle – erst recht nicht in einer Pandemie und einer Hitzewelle. "Aus meiner Sicht ist jetzt nicht die Zeit, um den Wahlkampf einzuläuten", so die Parteichefin. Und weiter:
Den Versuch, gleichgültig zu wirken, nahm Lanz ihr allerdings nicht ab und versuchte sie mit den sinkenden Umfragewerten aus der Reserve zu locken. Doch Baerbock gab sich betont gelassen, erklärte ihre Partei als stabil – seit Monaten. Man wolle nicht Umfragen hinterherlaufen, die wöchentlich wechseln, sagte sie.
Doch immerhin hinsichtlich möglicher Koalitionspartner ließ Lanz so schnell nicht locker und behauptete prompt, Baerbock und Robert Habeck würden von einer schwarz-grünen Koalition träumen. Davon wollte die Politikerin aber nichts wissen. "Weiß ich nicht, woher sie meine Träume kennen", ließ sie den Moderator abblitzen und machte deutlich: "Es tut mir leid, Sie kriegen darauf heute keine Antwort."
Baerbock wollte sich von Lanz partout nicht festnageln lassen, auch nicht, als es darum ging, wer von den Grünen als möglicher Kanzlerkandidat aufgestellt wird. Nicht mal, wie über einen solchen Kandidaten in der Partei abgestimmt werden würde, wollte sie sich entlocken lassen. Da konnte Lanz noch so sehr bohren. "Wo ist das Problem?", wollte er angesichts ihres Rumgeeiers wissen und nannte danach seine Theorie: Aus rein feministischen Gründen, müsste sie antreten, weil alle anderen Parteien nur Männer ins Rennen schicken. "Ist eine Theorie. […] Jede Theorie ist denkbar", erklärte sie vielsagend. Ein Dementi klingt anders.
Doch nicht nur Lanz machte Annalena Baerbock den Abend schwer. Mit Ökonom Hans-Werner Sinn saß ein Mann in der Talk-Runde, der nicht alle Ansätze der Grünen-Politikerin teilt. Dass das Klimaproblem angegangen werden muss, sollte jedem klar sein, sagte er zwar direkt zu Beginn, doch er plädiert eher für eine "rationale Umweltpolitik". Er kritisierte vor allem den Umgang mit Elektroautos, die nun als das einzig Wahre im Kampf gegen CO2 angepriesen werden. Doch in seinen Augen hat die EU mit ihrer Formel, die Elektroautos mit null CO2 anzurechnen, nicht recht. Denn die Batterien, die in China produziert werden, seien mindestens klimatechnisch genauso problematisch wie die Energie für die Herstellung, die fast in allen Ländern noch immer aus Kohle gewonnen wird.
Auch das Pariser Klimaabkommen sorgte zwischen Sinn und Baerbock für ordentlichen Zündstoff. Er kritisierte das generelle Vorgehen gegen Verbrennungsmotoren und sprach sich viel mehr für einen CO2-Preis aus, den auch Baerbock grundsätzlich immer befürwortet. "Dann kommen die Elektroautos von ganz alleine", argumentierte er. Und: "Diese grenzenlosen Eingriffe […] können sie weglassen."
Baerbock sah das anders, nur konnte sie ihre Meinung schwer kundtun, denn immer wieder wurde sie von dem Ökonomen oder Lanz unterbrochen. Ihre Ausführungen über die Erhaltung des Stahlstandorts und Industriestandorts Deutschland kommentierte Sinn dann sogar mit den Worten: "Das ist so schrecklich."
Spätestens da war klar, dass die beiden in dieser Diskussionsrunde wohl nicht mehr auf einen gemeinsamen Nenner kommen – trotz angestrebtem CO2-Preis.
(jei)