Christian Drosten ist einer der bekanntesten Corona-Spezialisten in Deutschland.Bild: ap / Michael Kappeler
Deutschland
26.01.2021, 17:3926.01.2021, 18:21
Leonard frick
Zu Beginn der Pandemie wurden sie als vertrauenswürdige Helden gefeiert, mit der Zeit allerdings auch kritisiert, teilweise sogar angefeindet: Prominente Virologen wie Christian Drosten, Alexander Kekulé und Hendrik Streeck.
Nicht nur vonseiten der Bevölkerung oder Politik hagelte es hin und wieder Kritik. Beispielsweise, als Streeck seine umstrittene Heinsberg-Studie präsentierte (zur Erinnerung: Dem Bonner Virologen wurde unterstellt, seine Ergebnisse zu früh und auf Druck der Politik veröffentlicht zu haben, um eine Lockerung der Corona-Maßnahmen zu begründen). Auch sticheln die Virologen gegeneinander, zum Beispiel, als Drosten behauptete, Kekulé habe in der wissenschaftlichen Community keine Relevanz.
Dass Wissenschaft von einem regen Austausch lebt, ist klar. Dass es für Laien aber manchmal schwer nachzuvollziehen ist, was wissenschaftlicher Fakt und was Meinung ist, ebenso. Deswegen hat watson noch einmal die prominentesten Aussagen der Virologen Drosten, Kekulé und Streeck zusammengefasst und ihre Haltung gegenüber kritischen Stimmen auf den Punkt gebracht.
Christian Drosten
Bild: dpa / Christophe Gateau
Der 48-Jährige ist eine der prominentesten Figuren in der Corona-Debatte. Der Virologe der Berliner Charité, einer der weltweit führenden Experten für Corona-Viren, steht für einen öffentlichen Umgang mit Informationen und versucht, sich laiengerechter Sprache zu bedienen.
Durch den NDR-Podcast "Coronavirus-Update" wurde Drosten zu Anfang der Pandemie deutschlandweit bekannt. Dort versuchte er – zu Beginn täglich – das Geschehen aus wissenschaftlicher Sicht für die breite Bevölkerung zu erklären.
Am Freitag veröffentlichte der "Spiegel" ein Interview mit dem Virologen, in dem er gefragt wird, ob Experten mehr Schaden anrichten als Corona-Leugner, wenn sie "gegen wissenschaftliche Maßnahmen" argumentieren. Für Drosten ist die Sache einfach, er versuche "mit Fakten zu überzeugen". Er wolle wissenschaftliche Erkenntnisse in erklärender Sprache und für jeden zugänglich auf Twitter oder in Interviews veröffentlichen.
Drosten ist sich bewusst, dass diese Strategie vielleicht "ein bisschen kurzsichtig" ist, aber er sieht es als Aufgabe des Journalismus klarzustellen, welchen Studien man vertrauen könne. Dabei stören ihn veraltete Studien nicht, denn die kämen in der Wissenschaft vor. Als Problem sieht der Virologie vor allem, wenn ohne Begründung argumentiert werde. "Da entsteht eine 'false balance' – die Leute bekommen den Eindruck, es handle sich um Wissenschaft", sagt Drosten.
Auch Politiker fallen auf Argumente ohne ausreichend Datenlage herein, denn "woher soll ein Politiker denn auch wissen, wer sich wirklich auskennt?", fragt Drosten. Aber zur Bekämpfung von ausschließlich meinungsbasierten Vorträgen habe er keine Zeit. "Menschen, die andere persönlich angreifen, die ähneln doch, je nach Stil, dem Autofahrer, der in seinem Wagen hockt und andere Verkehrsteilnehmer anschreit", sagt er. So wolle er sich nicht benehmen.
Auch er habe im Jahr 2020 Fehler gemacht, zum Beispiel in der Kommunikation. Manche seiner Twitter-Einträge seien "naiv" gewesen, gibt er zu. "Mir war in dem Moment nicht bewusst, dass das provokant wirken könnte", erklärt er seine Tweets.
Die Richtigkeit seiner Aussagen will er aber nicht anzweifeln. "Mit meinen wissenschaftlichen Einschätzungen zur Pandemie habe ich, glaube ich, grundsätzlich nicht ganz falschgelegen", sagt er.
Alexander Kekulé
Bild: www.imago-images.de / teutopress GmbH
Kekulé ist Biochemiker. Er lehrt an der Martin-Luther-Universität in Halle und Mitglied der Schutzkommission der Bundesregierung. Im "Corona-Kompass", einem Podcast im MDR, berichtet er regelmäßig über Neuigkeiten in der Pandemie.
Der 62-Jährige hat sich als Gastautor auf "Focus-Online" zu der Debatte gemeldet und wirft hier den "westlichen Industrienationen" vor – damit ist auch Deutschland gemeint – "versagt" zu haben. Der Professor merkt an, dass hierzulande noch Zweifel über die tatsächliche Gefahr des Virus herrschte, als asiatische Länder schon strenge Maßnahmen ausriefen. "Fachleute, die schon damals Einreisekontrollen, konsequentes Testen und Masken empfahlen, wurden als Panikmacher beschimpft", sagt er.
Der Verlauf der Pandemie sei keine Überraschung gewesen und viele der schlimmen Folgen und tragische Schicksale hätten verhindert werden können. "Alles, was das neue Virus seit dem ersten Tag der Pandemie macht, war von Anfang an vorhersehbar", sagt er und merkt an, dass dies auch von vielen Virologen "richtig vorhergesagt" wurde. Die verantwortlichen Politiker wollen aber nicht die Verantwortung für ihre Entscheidung übernehmen und schieben "die Schuld regelmäßig ihren Beratern oder dem angeblich unberechenbaren Virus zu", so Kekulé.
Der Wissenschaftler kritisiert den Umgang mit faktenbasiertem Wissen, denn dieses sei "nicht verhandelbar", das gelte für die Corona-Krise wie auch für den Klimawandel. Wer "alternative facts zur Grundlage seines Handelns macht, mag damit sein politisches Überleben sichern und wissenschaftlich unbedarfte Wähler beeindrucken – im Kampf gegen die Naturgewalten wird er jedoch fatal scheitern", kritisiert er das politische Kalkül in Zeiten der Krise.
Als Beispiel für fehlgeleitete Expertenmeinungen nennt er unter anderem die "Herdenimmunisierung", eine Variante der Corona-Bekämpfung, die vor allem in Schweden das Mittel der Wahl war. Dort wurde darauf gesetzt, dass wenn sich genügend Leute mit dem Virus infizieren, dann werde eine natürliche Immunität der Bevölkerung erreicht. "Dass Einreisekontrollen, Schnelltests und Masken sinnlos wären, behauptete nicht irgendwer, sondern unter anderem die WHO", fügt er hinzu.
Er fordert Politiker sollen "ein wenig Naturwissenschaften nachbüffeln", um die Ergebnisse der Wissenschaft besser zu verstehen und in die Entscheidungsfindung einfließen lassen zu können. Gleichzeitig müsse die Wissenschaft lernen, ihr Ergebnisse interdisziplinär darzustellen und "öffentlichkeitstaugliche Sprache" zu verwenden.
Hendrik Streeck
Bild: dpa / Federico Gambarini
Seit dem Ausbruch der Corona-Krise der der Direktor des Instituts für Virologie und HIV-Forschung der Uni Bonn immer öfter in Talkshows als Experte geladen. Der 43-Jährige sitzt im Expertenrat des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten und neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet.
Streeck sieht eine deutliche Politisierung der Corona-Debatte, sagt er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" in einem Interview. Ein Expertenrat sollte nicht politisch agieren, sondern für Entscheidungen beratend zur Seite stehen, sagt er. "Für Armin Laschet bedeutet es aber, dass er verschiedene Sichtweisen beschrieben bekommt, um dann so zu entscheiden, wie er und seine Regierung es für richtig halten", erklärt der Experte den Prozess.
Wichtig sei auch, dass die wissenschaftliche Diskussion nicht "einseitig und ideologisch" sei. "Der größte Fehler, den wir als Gesellschaft insgesamt in der Pandemie gemacht haben, war, dass wir es nicht geschafft haben, die Wissenschaftler mit unterschiedlichen Meinungen an einen Tisch zu bringen", sagt Streeck, denn die Wissenschaft lebe vom Diskurs.
Er sieht außerdem ein Problem in der öffentlichen Debatte und weist auf das "Spiegel"-Interview mit Christian Drosten hin. "Wer die 'falsche' Auffassung hat, wird entweder nur noch ignoriert oder gleich diffamiert", sagt er in Bezug auf Drosten. Der Diskurs in der Gesellschaft sei in "Schieflage" geraten, so Streeck.
Fakt sei auch, dass es in der Wissenschaft kaum eine einheitliche Meinung gebe. Es gebe immer Wissenschaftler, die zugrundeliegende Daten anders interpretieren und so zu unterschiedlichen Empfehlungen kommen. "Die Diskussion wird dadurch aber sehr ergiebig", sagt er und fordert, diese nicht zu unterbinden.
Er warnt davor, dass die zukünftigen Entscheidungen auf Grundlage politischer Motive getroffen werden. "Die Einschätzung zur Virusmutation ist eine, die ein Virologe geben kann. Aber ob jetzt ein Lockdown gemacht werden soll oder nicht, das ist eine politische Frage", sagt er.