In vielen deutschen Städten gibt es Teststationen wie diese. Bild: www.imago-images.de / Ralph Peters
Deutschland
01.06.2021, 07:4701.06.2021, 13:14
Nach Fällen mutmaßlichen Abrechnungsbetrugs in
Corona-Testzentren wollen Bund und Länder, dass künftig kontrolliert
wird – doch die potenziellen Stellen dafür winken ab. Die
Kommunen und ihre Gesundheitsdienste lehnen es ebenso ab, die
Kontrollen zu übernehmen, wie die Kassenarzt-Vereinigungen.
Entsprechend äußerten sich Städtetag, Gemeindebund und Landkreistag
sowie der Ärzteverband des öffentlichen Gesundheitswesens, aber auch
die Kassenärztliche Bundesvereinigung in mehreren Interviews.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern waren am Montag
übereingekommen, als Konsequenz aus dem Verdacht auf
Abrechnungsbetrug bei Teststellen sehr schnell strengere
Überwachungsvorgaben zu machen. So könnten unter anderem
Abrechnungsdaten für Tests von den Kassenärztlichen Vereinigungen
(KV) zusätzlich abgeglichen werden müssen und auch die Finanzämter
einbezogen werden. Dazu wollen die Minister mit den Kommunalverbänden
und den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) als
Test-Abrechnungsstellen über konkrete Maßnahmen sprechen.
Stellen lehnen Verantwortung für Kontrolle ab
"Wir als Kommunen können flächendeckende Überprüfungen jedenfalls
nicht leisten, zumal die Gesundheitsämter in die Abrechnungsfragen
nicht eingebunden sind", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen
Städtetags, Helmut Dedy, der "Saarbrücker Zeitung". Sein
Kollege Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund fügte in der
"Rheinischen Post" hinzu: "Dafür sind wir weder
ausgestattet noch personell in der Lage." Landkreistag-Präsident
Reinhard Sager sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(RND/Dienstag), die Gesundheitsämter kontrollierten, ob die
Bestimmungen zur Durchführung von Tests eingehalten würden. "Die
Gesundheitsämter sind aber keine Buchprüfer."
Ähnlich argumentierte die Vize-Verbandschefin der Amtsärzte in der
"Rheinischen Post". Die Abrechnung nicht vorgenommener Tests sei ein
strafrechtlich relevanter Betrug. "Gesundheitsämter sind keine
Ermittlungsbehörden für Wirtschaftskriminalität", sagte Elke
Bruns-Philipps. Dazu seien sie weder personell in der Lage noch
befugt.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen sieht die Aufgabe bei
den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Er würde sich wünschen, dass
sie die Zahl der durchgeführten Tests überprüften – analog zu den
Abrechnungen der Ärzte, sagte er dem RND.
Kassenärztliche Bundesvereinigung für strengere Zulassungsverfahren
Doch auch die wollen nicht. "Mehr als zu prüfen, ob die Rechnungen
formal korrekt sind, können wir nicht tun", sagte der Vorsitzende der
Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, der "Frankfurter
Allgemeinen Zeitung". "Das sieht die Testverordnung nicht
vor, und es wäre für die KVen auch nicht leistbar." Er meinte, die
Städte und Gemeinden sollten die Zulassung strenger handhaben. "Es
gilt, die Vorauswahl der Marktteilnehmer dringend zu verbessern."
Dedy schlug vor, dass Test-Anbieter im Abrechnungsverfahren
offenlegen müssen, wen sie getestet haben. "Auch wenn Datenschützer
jetzt sagen sollten, das könnte problematisch sein – wir müssen dafür
sorgen, dass das Abrechnungsverfahren wasserdicht wird." Dem
widersprach aber Landsberg mit Verweis auf den Datenschutz: "Es wäre
deshalb sicherlich nicht akzeptabel, die Namen, Anschriften und
Telefonnummern von getesteten Personen länger als unbedingt notwendig
zu speichern."
Kritik an Spahn
Die SPD warf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor,
Warnungen aus den Koalitionsfraktionen missachtet zu haben. "Diese
klaren Warnungen und Hinweise hat der Gesundheitsminister in den Wind
geschlagen", sagte ihr Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider
den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Im Fernsehsender Phoenix fügte
der Finanzpolitiker hinzu: "Deshalb trägt er die politische
Verantwortung."
Auch der haushaltspolitische FDP-Fraktionssprecher Otto Fricke sah
Spahn in der Hauptverantwortung, wunderte sich auf Phoenix jedoch,
dass Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nicht genauer hingeschaut habe.
"Bislang hat der Finanzminister bei allen zusätzlichen Ausgaben die
Finger drauf gehabt. Aber hier hat er es nicht genau genug gemacht."
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag
(CDU), wies die Vorwürfe gegen Spahn zurück. Rechtssicherheit gebe
es, wenn die Getesteten ihren Test zunächst selbst zahlen und dann
zur Erstattung einreichen müssten, sagte sie dem
"Tagesspiegel" (Dienstag): "Aber dann wird mit Recht massive Kritik
am Dokumentationsaufwand und der Bürokratie kommen." Man habe deshalb
zunächst auf Tempo beim Aufbau gesetzt – ohne Vorleistung.
(pas/dpa)
Als wäre der russische Angriffskrieg in der Ukraine nicht schon genug, eskaliert der Konflikt weiter. Nach russischen Angaben hat das Land am Donnerstagmorgen mit einer neu entwickelten Mittelstreckenrakete die ukrainische Großstadt Dnipro beschossen, eine "Hyperschall-Rakete". Sechs Sprengköpfe schlugen dort ein. Der russische Präsident Putin sagte, es seien keine Atomsprengköpfe gewesen.