Nach Fällen mutmaßlichen Abrechnungsbetrugs in Corona-Testzentren wollen Bund und Länder, dass künftig kontrolliert wird – doch die potenziellen Stellen dafür winken ab. Die Kommunen und ihre Gesundheitsdienste lehnen es ebenso ab, die Kontrollen zu übernehmen, wie die Kassenarzt-Vereinigungen. Entsprechend äußerten sich Städtetag, Gemeindebund und Landkreistag sowie der Ärzteverband des öffentlichen Gesundheitswesens, aber auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung in mehreren Interviews.
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern waren am Montag übereingekommen, als Konsequenz aus dem Verdacht auf Abrechnungsbetrug bei Teststellen sehr schnell strengere Überwachungsvorgaben zu machen. So könnten unter anderem Abrechnungsdaten für Tests von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) zusätzlich abgeglichen werden müssen und auch die Finanzämter einbezogen werden. Dazu wollen die Minister mit den Kommunalverbänden und den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) als Test-Abrechnungsstellen über konkrete Maßnahmen sprechen.
"Wir als Kommunen können flächendeckende Überprüfungen jedenfalls nicht leisten, zumal die Gesundheitsämter in die Abrechnungsfragen nicht eingebunden sind", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, der "Saarbrücker Zeitung". Sein Kollege Gerd Landsberg vom Städte- und Gemeindebund fügte in der "Rheinischen Post" hinzu: "Dafür sind wir weder ausgestattet noch personell in der Lage." Landkreistag-Präsident Reinhard Sager sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag), die Gesundheitsämter kontrollierten, ob die Bestimmungen zur Durchführung von Tests eingehalten würden. "Die Gesundheitsämter sind aber keine Buchprüfer."
Ähnlich argumentierte die Vize-Verbandschefin der Amtsärzte in der "Rheinischen Post". Die Abrechnung nicht vorgenommener Tests sei ein strafrechtlich relevanter Betrug. "Gesundheitsämter sind keine Ermittlungsbehörden für Wirtschaftskriminalität", sagte Elke Bruns-Philipps. Dazu seien sie weder personell in der Lage noch befugt.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen sieht die Aufgabe bei den Kassenärztlichen Vereinigungen (KV). Er würde sich wünschen, dass sie die Zahl der durchgeführten Tests überprüften – analog zu den Abrechnungen der Ärzte, sagte er dem RND.
Doch auch die wollen nicht. "Mehr als zu prüfen, ob die Rechnungen formal korrekt sind, können wir nicht tun", sagte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Das sieht die Testverordnung nicht vor, und es wäre für die KVen auch nicht leistbar." Er meinte, die Städte und Gemeinden sollten die Zulassung strenger handhaben. "Es gilt, die Vorauswahl der Marktteilnehmer dringend zu verbessern."
Dedy schlug vor, dass Test-Anbieter im Abrechnungsverfahren offenlegen müssen, wen sie getestet haben. "Auch wenn Datenschützer jetzt sagen sollten, das könnte problematisch sein – wir müssen dafür sorgen, dass das Abrechnungsverfahren wasserdicht wird." Dem widersprach aber Landsberg mit Verweis auf den Datenschutz: "Es wäre deshalb sicherlich nicht akzeptabel, die Namen, Anschriften und Telefonnummern von getesteten Personen länger als unbedingt notwendig zu speichern."
Die SPD warf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vor, Warnungen aus den Koalitionsfraktionen missachtet zu haben. "Diese klaren Warnungen und Hinweise hat der Gesundheitsminister in den Wind geschlagen", sagte ihr Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Im Fernsehsender Phoenix fügte der Finanzpolitiker hinzu: "Deshalb trägt er die politische Verantwortung."
Auch der haushaltspolitische FDP-Fraktionssprecher Otto Fricke sah Spahn in der Hauptverantwortung, wunderte sich auf Phoenix jedoch, dass Finanzminister Olaf Scholz (SPD) nicht genauer hingeschaut habe. "Bislang hat der Finanzminister bei allen zusätzlichen Ausgaben die Finger drauf gehabt. Aber hier hat er es nicht genau genug gemacht."
Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag (CDU), wies die Vorwürfe gegen Spahn zurück. Rechtssicherheit gebe es, wenn die Getesteten ihren Test zunächst selbst zahlen und dann zur Erstattung einreichen müssten, sagte sie dem "Tagesspiegel" (Dienstag): "Aber dann wird mit Recht massive Kritik am Dokumentationsaufwand und der Bürokratie kommen." Man habe deshalb zunächst auf Tempo beim Aufbau gesetzt – ohne Vorleistung.
(pas/dpa)