Friedrich Merz (von rechts), Armin Laschet und Norbert Röttgen konnten sich einigen.Bild: dpa-pool / Michael Kappeler
Deutschland
01.11.2020, 09:2601.11.2020, 19:21
Die drei CDU-Vorsitzkandidaten haben sich darauf
geeinigt, die Führungsfrage der Partei bei einem Parteitag Mitte
Januar zu lösen. Das teilte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am
Samstagabend per Twitter mit. Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz,
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und der Außenpolitiker Norbert
Röttgen hätten sich nach intensiver Beratung verständigt, den
Bundesvorstand zu bitten, den Parteitag zu diesem Zeitpunkt
anzusetzen. Die Kandidaten äußerten sich erfreut über den Kompromiss.
Merz, Laschet und Röttgen hatten sich nach Informationen der
Deutschen Presse-Agentur bei mehreren Schaltkonferenzen am Freitag
und Samstag auf die Einigung verständigt. Damit haben sie der Partei
vorerst eine weitere Zerreißprobe im Machtkampf um die Nachfolge von
Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer erspart.
Merz hatte zunächst auf den Putz gehauen, dann mildere Töne angeschlagen
Mit dazu beigetragen haben dürften Äußerungen von Merz in einer Mail
an seine Anhänger vom Freitag. Darin hatte er geschrieben, er habe in
der Partei sehr viel Zustimmung, aber auch Kritik für seinen Vorstoß
von Anfang der Woche bekommen. "Über die Zustimmung freue ich mich,
die Kritik nehme ich sehr ernst." Merz hatte zudem geschrieben: "Ich
bin keineswegs dogmatisch festgelegt auf ein bestimmtes Datum und zu
vernünftigen Kompromissen natürlich jederzeit bereit." Dies wurde in
der CDU auch als Bemühen verstanden, dem mit großer Schärfe
aufgeflammten Streit die Spitze zu nehmen.
Merz hatte nach der Verschiebung des am 4. Dezember geplanten
Präsenzparteitags wegen der drastisch steigenden
Corona-Infektionszahlen ins neue Jahr auf eine Lösung der
Vorsitzfrage noch in diesem Jahr gepocht. Zugleich warf er Teilen des
"Parteiestablishments" wegen der Absage vor, ihn verhindern zu
wollen. Der "Welt" sagte er, er habe "ganz klare, eindeutige Hinweise
darauf, dass Armin Laschet die Devise ausgegeben hat: Er brauche mehr
Zeit, um seine Performance zu verbessern." CDU-Chefin Annegret
Kramp-Karrenbauer wies die Thesen von Merz deutlich zurück und warnte
vor Verschwörungstheorien.
Ziemiak verkündet Vorgehen
Ziemiak schrieb am Samstagabend: "Die Kandidaten präferieren einen
zentralen Präsenzparteitag. Wenn das und auch ein dezentraler
Präsenzparteitag nicht möglich sein sollten, plädieren sie für einen
Online-Parteitag mit digitaler Wahl des Bundesvorstandes." Diese Wahl
soll anschließend durch eine einmalige schriftliche Schlussabstimmung
bestätigt werden. Über das Verfahren im Einzelnen sowie die
rechtlichen und technischen Fragen soll laut Ziemiak abschließend in
der CDU-Vorstandssitzung am 14. Dezember entschieden werden.
Das Thema dürfte allerdings auch bei den CDU-Gremiensitzungen im
November eine wichtige Rolle spielen. So kommt das CDU-Präsidium, die
engste Führungsspitze um Kramp-Karrenbauer, am 9. und 16. November
zusammen. Der größere Vorstand tagt am 16. November.
Grundgesetzänderung, um Online-Wahl zu ermöglichen?
Der Parteitag könnte nach der Einigung der drei Bewerber am 16.
Januar stattfinden. Dass das Treffen der 1001 Delegierten angesichts
der grassierenden Corona-Pandemie doch noch an einem zentralen Ort
organisiert werden kann, galt in der CDU zuletzt als
unwahrscheinlich. Ein Online-Parteitag mit einer rein digitalen
Abstimmung ist derzeit rechtlich noch nicht möglich. Es wird aber
geprüft, ob und wie in den nächsten Wochen eine parlamentarische
Einigkeit über ein solches Vorgehen hergestellt werden kann.
So rief Kramp-Karrenbauer die anderen Parteien auf, an einer Änderung
des Grundgesetzes mitzuwirken, um in Corona-Zeiten einen
Parteivorstand auch online wählen zu können. "Die sicherste Form wäre
eine Grundgesetzänderung, die für die Zukunft digitale Wahlen möglich
macht", sagte sie dem "Spiegel". "Alle sind betroffen. Deswegen
appelliere ich an alle: Lasst uns das gemeinsam hinbekommen."
Zudem war in den vergangenen Wochen auch noch über andere Varianten
zur Vorsitzendenwahl nachgedacht worden. Eine Möglichkeit war, dass
Delegierte an mehreren Orten zusammenkommen und per Urnenwahl
abstimmen. Auch dieses Modell ist stark von der Pandemie-Entwicklung
abhängig und wurde deshalb intern als unsicher bewertet.
Briefwahl könnte CDU schlecht aussehen lassen
Eine weitere Variante wäre ein digitaler Parteitag mit anschließender
Briefwahl. Auch hier gab es intern Bedenken, da davon ausgegangen
wird, dass ein solcher Modus wegen möglicher Stichwahlen und des
langen Postverkehrs bis zu zweieinhalb Monate dauern könnte. Dieses
quälende Verfahren könnte die Wahlkämpfe vor den wichtigen
Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz am 14. März
beeinträchtigen, die als erste Gradmesser für die Stimmung im Land
vor der Bundestagswahl im September gelten.
Der CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Fischer sagte: "Dies zeigt, dass
alle drei Kandidaten die Dringlichkeit erkannt haben und die
monatelange lähmende Hängepartie um den CDU-Vorsitz beenden wollen.
Dies ermöglicht es der CDU, zügig ein Profil für die vor uns
stehenden Wahlen zu erarbeiten und nach außen kraftvoll zu
vertreten."
Was Laschet, Merz und Röttgen sagen
Alle drei Kandidaten reagierten am Samstagabend auch auf Twitter.
"Das Wichtigste in diesen Tagen ist für uns, das Land gut durch die
Corona-Pandemie zu bringen", schrieb Laschet. Deshalb sei entschieden
worden, den Parteitag zu verschieben. "Wir brauchen aber Klarheit für
das neue Jahr. Dem dient unser gemeinsamer Vorschlag."
Merz twitterte: "Ich begrüße die Einigung auf einen Parteitag Mitte
Januar 2021 sehr. Es ist ein guter Kompromiss, auf den wir uns heute
verständigt haben." Und Röttgen schrieb in dem
Kurznachrichtendienst: "Es freut mich sehr, dass wir gemeinsam zu
einer guten Lösung für den Bundesparteitag gekommen sind, sodass
dieser im Januar stattfinden kann. Wir müssen unsere Führungsfrage
zügig klären, um uns dann mit neuer Kraft auf die anstehenden
Wahlkämpfe zu konzentrieren. Das ist nun möglich!"
(hau/dpa)
Triggerwarnung: Im folgenden Text werden Gewalthandlungen geschildert, die belastend und retraumatisierend sein können.