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Deutschland
Mit welcher Führung die SPD sich wieder aufrappeln will, ist noch offen. Immer deutlicher zeichnet sich aber ab: Die neue Spitze soll wohl nicht nur im kleinen Kreis bestimmt werden.
In der krisengeschüttelten SPD mehren sich die Stimmen für eine Urwahl der künftigen Parteispitze durch alle Mitglieder. Auch eine Führung mit zwei Vorsitzenden wie bei den Grünen hat in der Partei große Sympathien. Das zeigen eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur und Äußerungen von SPD-Politikern der vergangenen Tage.
Der SPD-Vorstand will am 24. Juni den Weg für die Neuwahl der Spitze ebnen. Nach dem Rücktritt von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles führen übergangsweise die Vize-Vorsitzenden Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel die SPD.
Anders als andere Sozialdemokraten äußerte sich Dreyer allerdings zurückhaltend zur Idee einer Doppelspitze.
"Die Doppelspitze ist nicht die Lösung eines jeglichen Problems", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung" . Zudem müsse ein Spitzenduo "echt gut zusammenpassen" – die Grünen hätten nach mehreren Spitzenduos erst jetzt eines, das gut funktioniere.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke sagte: "Ich schließe die Verständigung auf eine Doppelspitze nicht aus." Zudem warb er für eine Einbeziehung aller Mitglieder in die Entscheidung über die künftige Parteiführung.
Auch Thüringens SPD-Landeschef Wolfgang Tiefensee sprach sich für eine Beteiligung der Basis aus – aber nicht durch eine Urwahl. Er plädierte aber dafür, "dass der Bundesvorstand zunächst keine Personalvorschläge macht, sondern die Basis die Möglichkeit hat, Personen vorzustellen". Sinnvoll seien Regionalkonferenzen, bei denen sich Kandidaten der Basis präsentieren. Tiefensee sprach sich zudem dafür aus, per Satzungsänderung grundsätzlich auch eine Doppelspitze zu ermöglichen. Ob sie aber in der derzeitigen Situation seiner Partei angebracht sei, hänge von den Bewerbern ab.
Muss die Satzung geändert werden?
Sowohl eine Urwahl als auch eine Doppelspitze kann sich Hamburgs SPD-Landesvorsitzende Melanie Leonhard vorstellen. Für eine direkte Wahl müsse zunächst aber die Parteisatzung geändert werden. Auch eine Doppelspitze komme in Betracht. Letztlich gehe es aber um die Personen. "Das Bewerberfeld beginnt sich erst zu sortieren, viele haben auch schon abgelehnt."
Bayerns SPD-Chefin Natascha Kohnen sagte: "Ich habe große Sympathien für eine Doppelspitze, also einen Mann und eine Frau, die aus verschiedenen Regionen kommen." Auch eine Abstimmung über die Kandidaten unter allen Parteimitgliedern könne sie sich gut vorstellen: "Mit der Urwahl haben wir in Bayern gute Erfahrungen gemacht – aber ich will noch weitere Vorschläge von den SPD-Mitgliedern hören." Den aktuellen Mangel an Interessenten sieht Kohnen gelassen: "Sobald der Parteivorstand ein Verfahren beschlossen hat, bin ich zuversichtlich, dass sich geeignete Bewerberinnen und Bewerber melden."
Das Interims-Führungstrio sowie Finanzminister Olaf Scholz und Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil hatten bereits mehr oder weniger klar gesagt, dass sie nicht Parteichef werden wollen.
Entscheidung vielleicht erst im Dezember
Die Entscheidung könnte sich bis Dezember hinziehen. Mit Blick auf die Urwahl-Diskussion sagte Generalsekretär Lars Klingbeil der "Neuen Osnabrücker Zeitung": "Wenn die Basis vorher eine neue Parteispitze auswählen soll, bräuchten die Kandidatinnen und Kandidaten aber auch Zeit, um sich zu präsentieren." Das spreche gegen ein Vorziehen des Anfang Dezember geplanten Bundesparteitags.
Auch der nordrhein-westfälische SPD-Landesvorstand sprach sich in einem am Freitagabend beschlossenen Brief an das Führungstrio dagegen aus. Zugleich forderte der mitgliederstärkste SPD-Landesverband eine frühzeitige Einbeziehung der Mitglieder bei Personalfragen.
Saar-SPD-Chefin Anke Rehlinger warb ebenfalls für eine breite Einbindung der Mitglieder bei der Suche nach einer neuen SPD-Spitze. Eine Urwahl hatte auch Weil schon befürwortet – Voraussetzung sei allerdings, dass es echte Alternativen bei der Wahl gebe. "Große Sympathie für eine Urwahl" hegt nach eigenen Worten auch der rheinland-pfälzische SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer.
Sachsen-Anhalts SPD ist für ein Vorziehen des für Dezember geplanten Bundesparteitags auf einen Termin vor den Landtagswahlen im Osten: Dort müsse der gesamte Parteivorstand neu gewählt und über den Verbleib in der großen Koalition entschieden werden. Man sehe keine Basis mehr für eine Zusammenarbeit mit CDU und CSU.
Über die Zukunft der großen Koaltion gibt es aber in der Partei unterschiedliche Ansichten. Woidke sagte: "Einfach Neuwahlen rufen, halte ich für ein falsches Signal. Wir müssen unsere Arbeit machen, auch weil so wichtige Themen wie Grundrente, Pflege, Strukturstärkung der bisherigen Kohleregionen oder das notwendige Klimaschutzgesetz auf der Agenda stehen." Der rheinland-pfälzische Landeschef Roger Lewentz sagte: "Einen Ausstieg übers Knie zu brechen, wäre sehr unklug." Kohnen hingegen argumentierte: "Das Ergebnis der Europawahl offenbart, dass die große Koalition keine Mehrheit mehr hat."
(hd/dpa)
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