Angela Merkel und Olaf Scholz.Bild: Getty Images/iStockphoto/imago images / Christian Thiel/watson-montage
Deutschland
Andreas Hoenig und Teresa Dapp, dpa
Die Konzepte liegen auf dem Tisch, nun stehen
politische Entscheidungen an – von großer Tragweite. Es geht darum,
wie genau Deutschland seine Klimaziele einhalten kann.
Die selbst gesetzten Ziele für 2020 wird die Bundesregierung nicht schaffen. Um aufzuholen, will die große Koalition aus Union und SPD das
komplizierte Geflecht von Steuern und Abgaben umbauen, Milliarden an
Fördergeldern und Steuer-Boni ausschütten – und den Ausstoß des
klimaschädlichen Treibhausgases CO2 verteuern.
Am Freitagabend tagen erneut die Koalitionsspitzen. Am 20. September
will die Regierung – genauer gesagt, das sogenannte Klimakabinett – ein "Gesamtpaket" vorlegen.
In vielem sind die Koalitionspartner schon einig oder schrauben nur
noch an Details:
- Die Bahn wollen sie über eine Mehrwertsteuersenkung für Tickets im Fernverkehr attraktiver und günstiger machen, den öffentliche Personennahverkehr ausbauen.
- Wer in neue Fenster, ein neues Dach oder eine neue Heizung investieren und sein Haus damit klimafreundlicher machen will, darf sich auf einen Steuernachlass und eine Abwrackprämie für Ölheizungen freuen.
- Auch in die Elektromobilität wollen Union und SPD mehr Geld stecken.
Über diese Punkte aber wird noch gestritten:
CO2-Preis
Alle Förderprogramme und Anreize zusammen werden nicht
ausreichen, um bis 2030 den CO2-Ausstoß wie geplant um 55 Prozent zu
senken im Vergleich zu 1990. Deshalb sollen Diesel, Benzin und Heizen
mit Öl und Erdgas teurer werden. Im Ziel sind sich Union und SPD
weitgehend einig – und auch darin, dass die Bürger an anderer Stelle
entlastet werden sollen. Aber wie soll das passieren?
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) warb lange für einen CO2-Preis
über eine Erhöhung der Energiesteuern, der recht schnell umsetzbar
wäre. Das eingenommene Geld soll als "Klimaprämie" zurückgehen an die Bürger. Auch
Unternehmen sollen etwas zurückbekommen. Der CO2-Steueraufschlag könnte bereits ab 2020
erhoben werden und dann schrittweise steigen.
Die Union dagegen will auf keinen Fall das Wort "Steuererhöhung" im
Klimakonzept stehen haben. Sie setzt auf einen anderen Weg: fossile
Kraft- und Heizstoffe sollen über einen nationalen Handel mit
CO2-Verschmutzungsrechten auch im Verkehr und bei Gebäuden teurer
gemacht werden. Ein solches System gibt es bereits für die
Energiewirtschaft und Teile der Industrie auf EU-Ebene. Im Endeffekt
bewirkt auch so ein Handel, dass Tanken und Heizen teurer wird.
- Die SPD hat Kompromissbereitschaft signalisiert, wenn im Handel eine Ober- und Untergrenze für den Preis eingezogen wird. Das will auch die Union.
- Vor allem die CSU aber dringt auf eine Übergangsphase. Erst solle gefördert werden, zum Beispiel neue Technologien, dann erst solle es teurer werden.
- Die Menschen müssten mitgenommen werden, meint die CSU. Im Hintergrund heißt es, der AfD dürfe keine "Steilvorlage" geliefert werden.
Finanzierung
Die Kosten der Vorschläge für mehr Klimaschutz
summieren sich auf rund 50 Milliarden Euro. Unklar
ist, wie sich die Einnahmen aus der CO2-Bepreisung entwickeln – die
dann pro Kopf (SPD) oder vor allem über eine Senkung der Strompreise
(Union) an die Bürger zurückgehen sollen.
Woher also sollen die Milliarden kommen? Bisher hält die Koalition an
der "schwarzen Null" fest, einer Politik ohne neue Schulden. Außerdem
liegen im bereits bestehenden Energie- und Klimafonds noch ein paar
Milliarden. Das wird aber nicht reichen. In Konzepten von Union und
SPD ist deswegen die Rede davon, die Bürger anzupumpen. Die CSU
spricht von einer "Klimaanleihe", Wirtschaftsminister Peter Altmaier
(CDU) von einer "Bürger-Anleihe".
Das Prinzip: Der Staat gibt fest verzinste Anleihen heraus, um für
Projekte zum CO2-Sparen privates Kapital von Wirtschaft und
Privatleuten zu mobilisieren. Nur wären dies am Ende auch Schulden
des Staates – der sich derzeit angesichts extrem niedriger Zinsen am
Kapitalmarkt eigentlich günstigeres Geld besorgen könnte.
Klimaschutzgesetz
Umweltministerin Schulze will Verantwortlichkeiten
beim CO2-Sparen klar den einzelnen Ressorts zuteilen, also etwa dem
Verkehrsminister oder der Landwirtschaftsministerin. Ein
"Rahmengesetz" soll für Sektoren wie Energieerzeugung, Industrie,
Landwirtschaft, Gebäude und Verkehr verbindliche Budgets an
Kohlendioxid festschreiben. Wer sein Ressortziel reißt, dem drohen
Strafzahlungen und Sofortprogramme – so müsste nicht jedes Mal wieder
grundlegend verhandelt werden.
Gegen diese Pläne aber gibt es großen
Widerstand in CDU und CSU, weil sie vor allem unionsgeführte
Ministerien treffen würden.
Ökostrom-Ausbau
Ziel der Koalition ist es, bis 2030 den
Ökostrom-Anteil auf 65 Prozent zu steigern – gerade sind es etwa 38
Prozent. 2022 geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz, 2038 soll
spätestens Schluss sein mit dem Strom aus Kohle.
Aber wie und wo
genau mehr Solaranlagen und Windräder entstehen sollen, ist höchst
umstritten. Denn vor Ort gibt es oft heftigen Widerstand der
Anwohner. Die SPD will zum Beispiel Kommunen an den Erträgen der
Windkraft beteiligen.
Viel Urlaub, wenig CO2: So gehts!
Video: watson
Schon seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat die Diskussion um die Wehrpflicht wieder Fahrt aufgenommen. Die Ampel änderte während ihrer Regierungszeit nichts am aktuellen System. Durch die Neuwahlen könnten aber bald schon wieder junge Menschen verpflichtet werden.