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33 Jahre Mauerfall: Junge Politikerinnen aus dem Osten sprechen über Vorurteile

Das Brandenburger Tor - Im November 1989 kommen Westberliner rund um das Brandenburger Tor zusammen, um DDR B
Am 9. November 1989 wurde in der DDR die Reisefreiheit verkündet – damit fiel die Mauer.Bild: imago images / imago images
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"Kinder werden hier nicht als Nazis geboren": Junge ostdeutsche Politikerinnen über Vorurteile

09.11.2022, 12:1309.11.2022, 12:24
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Vor 33 Jahren ist die Mauer gefallen. Die Menschen in der DDR waren frei. Ein Jahr später kam es dann zur deutschen Wiedervereinigung. Ein Prozess, der sich bis heute zieht. Politisch, zum Beispiel mit Blick auf die Renten – aber auch gesellschaftlich.

Bei watson erzählen junge ostdeutsche Politiker:innen ihre Geschichte:

Mareike Engel (22): Jusos Sachsen

"Ein Ostbewusstsein habe ich erst entwickelt, als ich angefangen habe, zu studieren. Ich komme aus Sachsen und studiere in Leipzig. Viele meiner Kommiliton:innen kommen aus dem Westen – und haben ganz andere Erfahrungen gemacht als ich.

Natürlich habe ich als Kind viele Geschichten aus der DDR gehört: Sei es nun die Keine-Bananen-Erzählung, Storys über die Entstehung von Protestbewegungen und auch Berichte darüber, wie sehr sich der Staat in das Privatleben eingemischt hat. Meine eigenen Privilegien überdenke ich oft, wenn ich diese Geschichten höre.

Gerade in der gesellschaftlichen Betrachtung ist die Wiedervereinigung nicht abgeschlossen. Dazu gehören natürlich die Einkommens-, Renten- und Chancengerechtigkeit. Auch das Überstülpen der westdeutschen Ideale über die Bürger:innen der DDR wirkt bis heute nach.

Ich finde es wichtig, dass Bands wie Kraftklub Lieder zu ostdeutscher Identität und dem Leben im Osten schreiben. Und damit auch über die ostdeutschen Bundesländer hinaus wirken. Vielleicht wird durch Musik besser verstanden, was hier die Probleme sind.

24.09.2022, xlakx, Entertainment Festival, Lollapalooza Berlin 2022 emspor, v.l.Felix Brummer, Saenger der Band Kraftklub, steht beim Lollapalooza Festival Berlin auf dem Gelaende des Olympiastadions  ...
Kraftklub greift in vielen Songtexten ostdeutsche Lebensrealitäten auf.Bild: lak / imago images

Aber es sind auch persönliche Erfahrungen.

Wann immer ich im Urlaub auf Menschen getroffen bin, die nicht aus Ostdeutschland kommen, haben diese mir nicht geglaubt, dass ich Sächsin bin. Ich spreche Hochdeutsch. Mir wurde quasi meine Herkunft abgesprochen und allen anderen Sachsen attestiert, dass sie sächseln müssen und sich nicht gut artikulieren können.

"Kinder werden hier nicht als Nazis geboren."

Es macht mich außerdem wütend, dass über Ostdeutschland immer im Zusammenhang mit Nazis gesprochen wird. Natürlich: das ist ein relevanter Faktor, auch für ganz Deutschland. Aber es kommt darauf an, wie darüber berichtet wird. Kinder werden hier nicht als Nazis geboren. Diese Entwicklung hat viel mit Vertrauensverlust zu tun – und mit Chancenlosigkeit. Gleichzeitig gibt es hier aber auch viele antifaschistische Initiativen, die dem was entgegensetzen.

Wir leben hier in einer politisierten Gesellschaft – in beide Richtungen. Es ist ganz wichtig, dass Leute, die die Welt nicht in Schwarz und Weiß einteilen, hier bleiben und mitgestalten. Wir müssen über Parteigrenzen hinaus zusammenarbeiten, damit es nach der Landtagswahl 2024 keine Mehrheit für Rechtsextreme gibt."

Karoline Jobst (20): Grüne Jugend Thüringen

"Ich habe in den vergangenen Jahren ein Ostbewusstsein entwickelt. Der Auslöser war das Buch von Valerie Schönian 'Ostbewusstsein'. Dadurch habe ich begonnen, mich mit meiner Herkunft auseinanderzusetzen. Und auch mit den Unterschieden, die es zum Aufwachsen in Westdeutschland gibt.

Spannend ist zum Beispiel, dass Westdeutsche manche Wörter nicht kennen – und natürlich haben meine Eltern mir viel über das Leben in der DDR erzählt, was meine westdeutschen Freund:innen so nicht erlebt haben. Ich studiere in Weimar Stadt- und Raumplanung, viele meiner westdeutschen Kommiliton:innen bringen ein großes Interesse für Ostdeutschland und die Wendegeschichte mit. Sie stellen Fragen und wollen wirklich wissen, warum manche Dinge hier so sind, wie sie sind.

Klar ist aber auch: Hier in den Studi-Städten leben wir in einer Blase. Die Weimarer Studierendenbubble ist sehr links und sehr grün. Das Thüringen, in dem ich aufgewachsen bin, erlebt man, wenn man ein bisschen rausfährt – aufs Land.

Ich bin sehr glücklich, in einem Land aufzuwachsen, wo ich mich frei bewegen und entfalten kann. Trotzdem ist die Wiedervereinigung aus meiner Sicht noch nicht abgeschlossen. Wir sehen das bei den Gehältern, der Rente – und natürlich an den Wahlergebnissen. Da sieht man die innerdeutsche Grenze noch sehr gut.

"Um zu verstehen, warum hier so viele Menschen frustriert sind, muss man aber eben auch versuchen, Lebensrealitäten hier zu verstehen."

Mit Vorurteilen kenne ich mich natürlich auch aus: Mir ist ein Erlebnis besonders in Erinnerung geblieben. Jemand, der neu nach Erfurt gekommen ist, hat mich gefragt, warum wir Ossis eigentlich immer so rumheulen – hier ist es doch total schön. Ist doch alles super. Da ist mir gleich klar geworden, dass sich die Person nicht besonders mit ostdeutschen Lebensrealitäten und strukturellen Unterschieden auseinandergesetzt hat.

Um zu verstehen, warum hier so viele Menschen frustriert sind, muss man aber eben auch versuchen, Lebensrealitäten hier zu verstehen. Und Entwicklungen, wie den jahrelangen Strukturabbau in ländlichen Regionen oder eben das Schicksal vieler Ostdeutschen aufgrund der Treuhand ernst zu nehmen.

Hier hat sich meiner Meinung nach aber schon etwas verändert: Vor fünf oder sechs Jahren wurde nur nach Wahlen auf Ostdeutschland geschaut. Mittlerweile geht es immer öfter auch in der überregionalen Medienlandschaft darum, was Ostdeutsche wollen. Ich nehme mehr öffentliche Debatten wahr."

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