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33 Jahre Mauerfall: Junge Politiker sprechen über Ostbewusstsein und Identität

a pole with the coat of arms of the GDR stands in a village
Am 9. November 1989 wurde in der DDR die Reisefreiheit verkündet – damit fiel die Mauer.Bild: Getty Images/iStockphoto
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"Es gibt Unterschiede": Junge ostdeutsche Politiker über Ostbewusstsein und Identität

09.11.2022, 12:1409.11.2022, 12:26
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Vor 33 Jahren ist die Mauer gefallen. Die Menschen in der DDR waren frei. Ein Jahr später kam es dann zur deutschen Wiedervereinigung. Ein Prozess, der sich bis heute zieht. Politisch, zum Beispiel mit Blick auf die Renten – aber auch gesellschaftlich.

Bei watson erzählen junge ostdeutsche Politiker:innen ihre Geschichten:

Fabian Jahoda (24): Julis Brandenburg

"Ich erinnere mich an die neunte Klasse. Am Tag der Zeugnisausgabe haben wir alle einen Brief von dem ehemaligen Bildungsminister in Brandenburg erhalten. Darin bat er uns, nicht wegzuziehen. Wir könnten auch in Brandenburg glücklich werden. Das empfand ich wie einen verzweifelten Schrei nach Hilfe.

Meinem Empfinden nach gibt es noch heute Unterschiede zwischen Ost und West. Allein bei den wirtschaftlichen Perspektiven. In der DDR konnte die Wirtschaft Jahrzehnte aufgrund der Parteiendiktatur samt Planwirtschaft nicht natürlich wachsen. Dies wirkt noch bis heute nach.

Fabian Jahoda (FDP) ist in einem kleinen Dorf in Brandenburg aufgewachsen.
Fabian Jahoda (FDP) ist in einem kleinen Dorf in Brandenburg aufgewachsen.Bild: bild: / Junge Liberale Brandenburg

Auch gesamtgesellschaftlich gibt es noch immer Unterschiede. Das zeigen die gängigen Vorurteile. Die Wessis sind oft die Reichen oder Schnösel und die Ossis leben noch immer hinter dem Mond. Das hat sich zwar in den vergangenen zwanzig Jahren verbessert. Nichtsdestotrotz kommt es vor, dass ich mich mit Leuten aus den alten Bundesländern unterhalte, und es fallen Worte wie 'Dunkeldeutschland' oder negative Kommentare über das Bildungsniveau, die Wirtschaft oder Rechtsextremismus.

Ich selbst stamme vom Dorf mit wenigen Hunderten Einwohnern. Dort war linker oder rechter Extremismus kein großes Thema. Erst am Gymnasium und in den Nachbarstädten kam ich damit in Kontakt.

"Sie versprechen ihnen einfache Lösungen auf komplexe Probleme. Das kommt bei vielen Ostdeutschen gut an."

Viele fragen sich, warum die Linken und Rechten so einen enormen Zulauf im Osten haben. Ich glaube, ein Grund dafür ist, dass sich die zwei Parteien so ein bisschen als Kümmerer inszenieren. Sie nehmen die Menschen an die Hand, versprechen ihnen einfache Lösungen auf komplexe Probleme. Das kommt bei vielen Ostdeutschen gut an. Die sozialistische Staatspartei hatte ihnen Jahrzehnte oder ihr ganzes Leben lang alles vorgeschrieben. In diesem System gab es kaum Raum für individuelle Freiheiten oder Entscheidungen.

Als junger FDP-Politiker kämpfe ich selbst mit vielen Vorurteilen in der Heimat. Die Bezeichnung 'Reichenpartei' ist zum Beispiel das gängigste. Dabei setzen die Liberalen sich dafür ein, dass jeder sein Leben so leben kann, wie er es möchte. Wir wollen die bestmöglichen Chancen für jeden. Also all das, was die Menschen in der DDR nicht konnten. Was möchte ich studieren? Wo möchte ich hinreisen? Was möchte ich aus meinem Leben machen? Das sind Ideale, für die wir bis heute kämpfen."

Georg Günther (34): Junge Union Mecklenburg-Vorpommern

"Beim Mauerfall und der Wiedervereinigung, da war ich noch im Kleinkindalter. Ich habe aber die 1990er-Jahre als Kind miterlebt, die Wechseljahre. Ich habe miterlebt, was diese Zeit mit meiner Familie gemacht hat. Es war eine ständige Suche nach Jobs und einer beruflichen Perspektive.

Wir hatten Nachbarn, die ihren Job komplett gewechselt haben, weil sie eben keinen in ihrer Branche gefunden haben. Einige meiner Mitschüler sind mit ihren Familien in westdeutsche Bundesländer gezogen. Damals habe ich gemerkt: Es gibt Unterschiede. Damals habe ich begonnen, ein Ostbewusstsein zu entwickeln.

Ich würde sagen, dass mich diese Kindheitserfahrung auch in mein jetziges Berufsfeld gebracht hat: Ich bin Finanzwirt in der Landesfinanzverwaltung. Ich habe berufliche Sicherheit gesucht.

Gebürtig stamme ich aus Greifswald, das ist eine Universitätsstadt nahe der Ostsee. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Studenten aus den westdeutschen Bundesländern mit Vorurteilen kommen – sie kommen eher mit einer Vorstellung, was eine Stadt mit Nähe zum Meer mit sich bringt.

Was mir aber auffällt, ist, dass viele Menschen, die ich treffe, noch nie in Mecklenburg-Vorpommern waren. Es wäre sinnvoll, wenn in der zehnten Klasse Ausfahrten in die jeweiligen innerdeutschen Partnerstädte unternommen würden – das würde den Austausch erleichtern. Diese Fahrten gab es mal, aber leider ist das Programm eingeschlafen.

Und die Mauer in den Köpfen ist natürlich noch da. Zwar nicht mehr bei den jungen Menschen – zumindest nicht mehr so massiv. Da geht es nicht um Ost und West. Sondern eben um regionale Unterschiede. Aber natürlich existiert die Mauer gerade bei den Älteren noch.

"Viele haben Angst, den Wohlstand zu verlieren, den sie in den vergangenen 30 Jahren aufgebaut haben."

Und da schließt sich auch ein ganz aktuelles Problem an: Diese ganzen Demonstrationen, die vor allem in den ostdeutschen Bundesländern tausende Menschen auf die Straße treiben, werden in der gesamtdeutschen Betrachtung ganz schnell als rechte Demos abgestempelt. Dabei muss das differenziert betrachtet werden.

Natürlich sind die Beweggründe, auf die Straße zu gehen, hier ganz eng mit Sorgen verbunden, die die Familien in den 1990er-Jahren durchlebt haben. Viele haben Angst, den Wohlstand zu verlieren, den sie in den vergangenen 30 Jahren aufgebaut haben.

Die Angleichung der Löhne und der Rente sind Themen, die hier bei der Bevölkerung noch stark verankert sind. Gerade in Mecklenburg-Vorpommern ist das Lohngefälle extrem und das macht sich bemerkbar."

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