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EU
01.07.2019, 09:0401.07.2019, 10:39
Es war ja schon bei der EU-Wahl verwirrend. Damals traten die Parteien Europas mit ihren Spizenkandidaten an, etwa dem CSU-Mann Manfred Weber. Und es galt – irgendwie – als abgemacht, dass die Gewinner dann auch den Chef der Kommission Europas kühren würden. Eine Regierung aus dem Parlament heraus, so kennt man das. Nur: So läuft das in der EU gar nicht. Die Regierungschefs der Mitgliedstaaten entscheiden, wer Chefin oder Chef wird. Das Parlament darf nur widersprechen.
Und deswegen gibt es jetzt eben erst einmal keinen "Wählerwillen", sondern ein ähes Ringen um die europäischen Chefposten. Die verschiedenen interessen der 28 Regierungschef der EU-Nationen gestalten sich
komplex. Kurz um: Bei der Besetzung der Posten zeichnete sich bis zum Montagmorgen noch immer keine Lösung ab.
- Der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte sagte am Rande eines Sondergipfels in Brüssel, ob noch ein Durchbruch gelinge, sei völlig offen.
- Eine Einigung auf den Niederländer Frans Timmermans als Präsident der EU-Kommission sei noch nicht gelungen. Italien sei sehr offen, auch für ein Personalpaket mit Timmermans. Allerdings sei das Prinzip der Spitzenkandidaten für sein Land nicht entscheidend.
Angela Merkel gerät unter Druck
Doch bei dem Postenpoker gerät nun vor allem eine unter Druck, die bisher auf EU-Ebene als unanfechtbar galt: Kanzlerin Angela Merkel. Einige Staaten rebellierten gegen einen von der Bundeskanzlerin unterstützten Vorschlag, für dieses Amt nicht den
CSU-Politiker Manfred Weber zu benennen, sondern eben den
Sozialdemokraten Timmermans. Dieser Plan war schon bei Vorgesprächen
so umstritten, dass der EU-Sondergipfel in Brüssel am Sonntagabend
erst mit gut dreistündiger Verspätung begann.
Wie die "Welt" berichtet, sei Merkel beim Treffen der Europäischen Volkspartei (EVP) massiv angegriffen worden. "Sie war isoliert", zitiert die Zeitung aus "informierten Kreisen". Demnach hätten mehrere EVP-Regierungschefs der Bundeskanzlerin bei dem Treffen am Sonntag vorgeworfen, die Interessen der EVP "missachtet" zu haben. Die EVP möchte, dass Weber Kommissionspräsident wird.
Bulgariens Ministerpräsident Boiko Borissow und andere hätten Merkel vorgeworfen, sich nicht genug für Weber eingesetzt zu haben. Der irische Premier Leo Varadkar sagte beim Gipfel, der Vorschlag Timmermans sei nicht akzeptiert. Merkel sagte vor dem Gipfel: "Es werden keine sehr einfachen Beratungen."
EU-Ratschef Donald Tusk unterbrach den Gipfel dann am Sonntagabend um
23.00 Uhr und führte während der ganzen Nacht Einzelgespräche mit den
28 Staats- und Regierungschefs. Erst gegen 8.00 Uhr am Morgen kamen
die Gipfelteilnehmer wieder in großer Runde zusammen.
Darum geht es bei dem Streit um die Spitzenposten
Seit der Europawahl Ende Mai ringen die EU-Staaten und das
Europaparlament um die Besetzung des Spitzenamts in der Kommission
und die anderer Topjobs. Die Ausgangslage ist äußerst kompliziert.
Weber war Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP). Die EVP
wurde bei der Wahl zwar wieder stärkste Fraktion im EU-Parlament,
aber das Ergebnis war nicht berauschend. Timmermans führte die
Sozialdemokraten auf Platz zwei. Deshalb beanspruchte Weber die
Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker für sich. Doch
er fand weder im Rat der Staats- und Regierungschefs eine Mehrheit
für seine Nominierung, noch im EU-Parlament eine Mehrheit für seine
Wahl.
Manfred Weber erfährt breite Ablehnung auf EU-Ebene. Nur nicht bei der EVP selbst.Bild: X06742
Merkel hatte Mitte vergangener Woche unter anderem mit Weber und den
Vorsitzenden von CDU und CSU, Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus
Söder, sowie mit EVP-Chef Joseph Daul sondiert, welche Möglichkeiten
nach dem schlechten Wahlausgang für den EVP-Kandidaten bestünden. Am
Wochenende führte die Kanzlerin dann am Rande des G20-Gipfels in
Japan Vorgespräche mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron
sowie den Regierungschefs der Niederlande, Mark Rutte, und Spaniens,
Pedro Sánchez, und bahnte einen Kompromiss an. Darüber informierte
EU-Ratschef Donald Tusk am Sonntag das Europaparlament.
Demnach war ein Sozialdemokrat als Kommissionschef vorgesehen. Die
EVP sollte dafür zwei Ämter bekommen, das des Parlamentspräsidenten
und das der EU-Außenbeauftragten. Ein Liberaler sollte neuer Ratschef
werden, also Tusks Nachfolger. Damit schien das Prinzip gewahrt, dass
einer der Europawahl-Spitzenkandidaten Kommissionschef werden soll -
denn darauf besteht eine Mehrheit im Europaparlament. Merkel hatte
mehrfach betont, dass sie keinen Konflikt zwischen den Institutionen
- also zwischen Rat und Parlament - will.
Wird Timmermans Kommissionschef?
Macron zeigte sich offen für Timmermans als Kommissionschef - aber
auch für den Brexit-Unterhändler Michel Barnier und die dänische
Liberale Margrethe Vestager. Vestager war allerdings nicht alleinige
Spitzenkandidatin ihrer Parteienfamilie. Macron lehnt das
Spitzenkandidatensystem eigentlich ab.
Frans Timmermans' Chancen steigen gerade.Bild: X01164
Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babis, der den Liberalen
zugerechnet wird, sprach sich ebenfalls gegen Timmermans aus. "Diese
Person ist nicht die Richtige, um Europa zu einen", sagte Babis. Die
vier Visegrad-Staaten Polen, Slowakei, Ungarn und Tschechien hätten
Vorbehalte. Der ungarische Premier Viktor Orban protestierte in einem
Brief an die EVP gegen eine Unterstützung für Timmermans.
Babis antworte aber auf die Frage, ob die Zustimmung für Timmermans
eine rote Linie sei: "Wir sind flexibel, wir müssen verhandeln." Am
Ende soll ein ausgewogenes Paket herauskommen, mit dem alle Seiten
leben können. Babis betonte, auch Frauen müssten vertreten sein.
Beim EU-Gipfel muss für den Posten des Kommissionspräsidenten eine
Einigung gefunden werden, die von mindestens 21 Staaten mitgetragen
wird, die 65 Prozent der Bevölkerung der EU repräsentieren. Gesucht
wird auch ein neuer Präsident für die Europäische Zentralbank (EZB).
Zunächst war aber unklar, ob über diese Position bereits in diesem
Personalpaket mitentschieden wird.
(mbi/dpa)
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