Die wohnungslose Aktivistin Erika Heine aus Hannover nimmt die Politik in die Pflichtscreenshot: Prosieben
Exklusiv
Mit einem leicht verunsichert wirkenden "Hallo" betritt Erika Heine die Bühne. Es ist Mittwochabend. Seit einer Dreiviertelstunde schon stellen sich ein Dutzend Spitzenpolitiker den Fragen des Publikums der ProSieben Bundestagswahl-Show. Doch nun wird es still.
Heine ist Hannovers wohl bekannteste Wohnungslose, man könnte sie eine Aktivistin in eigener Sache nennen. Und auch jetzt, auf der Bühne, die erst zu groß und nun viel zu klein für sie wirkt, erstattet sie Bericht aus ihrer Welt. Einer Welt von Abgehängten, die alles verloren haben und nun buchstäblich auf der Straße sitzen. Sie erzählt von Gewalt, Gefahr und Elend. Und das ist nicht alles.
Flaschen sammeln, betteln. Ohne Geld und Handy – die SPD-Chefin sagt vorsichtig zu
Den sichtlich berührten Politikerinnen und Politikern der im Bundestag vertretenen Parteien unterbreitet sie ein Angebot, das offenbar so überraschend daherkommt, dass nur SPD-Chefin Saskia Esken vorsichtig zusagt. Sie lade dazu ein, sie für einige Zeit auf der Straße zu begleiten, sagt Heine. Flaschen sammeln, betteln. Ohne Geld und Handy. Im Gegenzug, das ist der vorläufige Deal, soll Heine Esken im Bundestag besuchen.
Doch wie stehen die Parteien überhaupt zum Thema Obdach- und Wohnungslosigkeit? Welche Lösungen und Konzepte haben sie anzubieten? Watson hat nachgefragt.
"Räumung in die Wohnungslosigkeit wollen wir grundsätzlich untersagen, das Recht auf Wohnen wollen wir ins Grundgesetz aufnehmen"
Die Linke
Als erstes antwortet Die Linke. Diese möchte als kurzfristige Nothilfe bis zur Durchsetzung bezahlbarer Mieten das Wohngeld erhöhen, sagt ein Sprecher. Zusätzlich soll das Moratorium für Kündigungen und Räumungen verlängert werden, das während der Pandemie erlassen wurde. Dazu gehöre auch, Mietrückstände zu erlassen.
"Räumung in die Wohnungslosigkeit wollen wir grundsätzlich untersagen, das Recht auf Wohnen wollen wir ins Grundgesetz aufnehmen", ergänzt er, und weiter: "Wir wollen den in Berlin erprobten Ansatz Housing First in der Bekämpfung von Obdachlosigkeit verankern." Bei dem Modellprojekt werden Wohnungslose unbefristet und mit einem eigenen Mietvertrag in Wohnraum untergebracht und darüber hinaus professionell betreut.
Armin Laschet findet Housing First gut und den Mietendeckel schlecht
Dann meldet sich die CDU und schickt einen Link zu einem Interview von Armin Laschet mit dem Straßenmagazin Hinz&Kunzt von Ende Mai. Das heißt: fast. Das Gespräch selbst ist im Online-Archiv nicht zu finden und man muss sich vorerst mit einem Ankündigungstext begnügen. In dem erfährt man, dass der Kanzlerkandidat die Ein-Cent-Münze "zeitgemäß" findet und Housing First prinzipiell gut, den Mietendeckel schlecht und ein aus Landes- und Bundesmitteln geförderter Sozialwohnungsbau den richtigen Weg.
"Kein Mensch soll ohne Obdach und eine dauerhafte würdevolle Unterbringung sein"
Die Grünen
Die Grünen schicken wie die Linken ein aktuelles Statement. Sie wollen "ein nationales Aktionsprogramm zur Vermeidung und Bewältigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit" auf den Weg bringen, bei dem Housing First ein zentraler Baustein sei. "Kein Mensch soll ohne Obdach und eine dauerhafte würdevolle Unterbringung sein."
Die umfangreichste Antwort kommt von der FDP. Pascal Kober, sozialpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, ist mit dem Thema betraut. "Im Gegensatz zu einer Wohnungslosenstatistik gibt es keine Erhebungen zur Obdachlosigkeit – und soll es nach Ansicht der Bundesregierung auch weiterhin nicht geben", sagt Kober.
"Es braucht ein Gefühl von Sicherheit, Ruhe und professionelle Unterstützung. Wechselnde Notunterkünfte und Mehrbettzimmer sind auf Dauer wenig zuträglich"
FDP
Ohne Kenntnis über die Entstehungsgründe und das Ausmaß an Obdachlosigkeit in Deutschland könnten aber weder Präventionsangebote noch Unterstützungsmaßnahmen effektiv gestaltet werden. Deshalb sind die Liberalen für die Einführung einer Obdachlosenstatistik.
Und für Housing First. "Viele obdachlose Menschen leiden unter psychischen Problemen, Suchterkrankungen und traumatischen Erlebnissen", führt Kober aus. "Um hiergegen anzukämpfen braucht es ein Gefühl von Sicherheit, Ruhe und professionelle Unterstützung. Wechselnde Notunterkünfte und Mehrbettzimmer sind hier auf Dauer wenig zuträglich."
Dazu kommt die Forderung nach einer Vereinfachung der Unterbringung durch karitative Einrichtungen sowie die Prüfung eines Sanierungszuschusses für private Vermieter – „wenn diese ihre freie Wohnung vor einer Sanierung für von Wohnungs- oder Obdachlosigkeit bedrohte Menschen vorhalten“. Dann wird noch die Stärkung des sozialen Wohnungsbaus zugunsten von Menschen mit physischen und psychologischen Erkrankungen gefordert.
Der Termin mit Erika Heine werde stattfinden, sagt ein Esken-Sprecher
Den Schluss bildet die SPD, ebenfalls mit einer ausführlichen Antwort. Zum Einstieg versichert ein Sprecher der Parteichefin: "Saskia Esken hat gestern mit Frau Heine nach der Sendung noch lange gesprochen und Kontaktdaten ausgetauscht. Der Termin wird stattfinden, ein Datum wurde allerdings noch nicht vereinbart."
Auch die Sozialdemokraten sind für das Housing First-Konzept: "Die sehr hohen Erfolgsquoten dieser Projekte ermöglichen die Rückkehr in die eigene Wohnung und damit ein Leben in Würde." Zusätzlich brauche man 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, "davon 100.000 sozial geförderte zu bezahlbaren Preisen. Bund, Länder und Kommunen sind hier gemeinsam gefordert".
"Nur mit verlässlichen Daten zu den Wohnungslosen können wir passgenaue Hilfestellungen leisten."
SPD
Außerdem will die Partei ein Bürgergeld auf den Weg bringen, das von Kürzungen von Wohnkosten absieht. Für eine wirksame Prävention gegen Wohnungslosigkeit müsse zudem eine einheitliche Bundesstatistik "mit verlässlichen Daten zu den Wohnungslosen" eingeführt werden. "Nur mit verlässlichen Daten zu den Wohnungslosen können wir aber passgenaue Hilfestellungen leisten", ergänzt der SPD-Sprecher.
Von der ebenfalls angefragten AfD kam bis Redaktionsschluss keine Antwort.
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