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Hörsaal trotz Corona? Was Studierende an Unis und Hochschulen ab Oktober erwartet

Seit drei Semestern findet das Studium mittlerweile online statt. Im kommenden Semester könnten sich die Hörsäle wieder füllen.
Seit drei Semestern findet das Studium mittlerweile online statt. Im kommenden Semester könnten sich die Hörsäle wieder füllen.Bild: Moment RF / Carol Yepes
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"Ein weiteres Digitalsemester ist nicht mehr hinnehmbar": Was Studierende für das nächste Semester verlangen – und was sie erwartet

Drei Semester lang haben die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung das Studium und die Freizeit von Millionen jungen Menschen auf den Kopf gestellt. Wie soll es im Wintersemester weitergehen? watson hat bei den zuständigen Ministerien nachgefragt.
02.08.2021, 08:4304.08.2021, 11:06
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Video-Vorlesungen und Zoom-Seminare vor dem eigenen Notebook, kaum Kontakt zu anderen Menschen, weggebrochene Nebenjobs: Für Millionen Studierende waren die Monate seit März 2020, seit die Covid-19-Pandemie Deutschland mit voller Härte erwischt hat, eine Zumutung.

Die Folgen bei vielen jungen Menschen: Antriebslosigkeit, Frustration, Existenzängste. Im Frühjahr endete der Corona-Lockdown nach und nach. Die Impfquoten sind seither gestiegen, die Zahl der Covid-Patienten in Krankenhäusern gesunken, an vielen Hochschulen hat der Präsenzunterricht zumindest teilweise wieder begonnen. Für viele Studierende ist das schon eine gigantische Erleichterung.

Doch wie geht es im kommenden Wintersemester weiter? Was passiert ab Oktober, angesichts steigender Infektionszahlen und der rasanten Verbreitung der Delta-Variante des Coronavirus?

watson hat nachgefragt: Bei der Studierendeninitiative "Onlineleere", die sich seit Monaten für eine Rückkehr zum Präsenzunterricht einsetzt, beim Bundesbildungsministerium – und vor allem bei den Ministerien der 16 Bundesländer, die für die Hochschulen zuständig sind.

Was die Studierendeninitiative "Onlineleere" fordert

Schon in den Wochen nach Beginn des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr 2020 haben Studierende begonnen, auf die dramatischen Folgen rein digitaler Vorlesungen und anderer Beschränkungen hinzuweisen. Seit dem zweiten Lockdown haben sich mehrere Initiativen gebildet, die auf eine Rückkehr zum Präsenzunterricht – unter Einhaltung der nötigen Hygieneregeln – drängen. In Berlin gründete sich die Gruppe "#NichtNurOnline". Bundesweiten Druck will die Initiative "#OnlineLeere" aufbauen.

"#OnlineLeere" hat Demonstrationen veranstaltet und eine Petition auf der Plattform Change.org gestartet, die bis Ende Juli knapp 5.000 Menschen unterzeichnet haben. Darin fordert "#OnlineLeere" "garantierte Präsenzlehre" im Wintersemester 2021/22.

Gegenüber watson erklärt Nicolas Battigge, Sprecher der Initiative:

"Wir wünschen uns eine ganz klar verbindliche Zusage zur Präsenzlehre für alle Studierenden, die das wollen, im kommenden Wintersemester. Ein weiteres Digitalsemester ist für uns einfach nicht mehr hinnehmbar."
Gähnende Leere: ein abgesperrter Hörsaal an der TU Dortmund, im Dezember 2020.
Gähnende Leere: ein abgesperrter Hörsaal an der TU Dortmund, im Dezember 2020. bild: imago / olaf döring

Battigge ergänzt:

"Wir finden, das ist uns die Politik schuldig."

Er begründet die Forderungen mit dem voraussichtlich hohen Anteil an Studierenden, die bis Oktober durch eine Impfung geschützt seien. Es müsse allerdings zusätzlich Tests für diejenigen Studierenden geben, die sich nicht impfen lassen wollten oder könnten.

Andererseits: Niemand, erklärt der "#OnlineLeere"-Sprecher, solle zur Präsenzlehre gezwungen werden. Wörtlich meint er:

"Wer sich unwohl fühlt, sollte auch weiterhin die Möglichkeit bekommen, online an Veranstaltungen teilzunehmen. Auch hierzu wären natürlich Investitionen notwendig und es müssten rechtliche Fragen geklärt werden, wie beispielsweise die Anwesenheitspflicht in Seminaren gehandhabt wird."

"Worte und Versprechen", fügt der Sprecher der Studierenden-Initiative an, reichten nicht mehr aus. Man sei "frustriert von der Konzeptlosigkeit der Politik, deren einzige Antwort auf die Pandemie lange Zeit 'Lockdown' hieß."

Was die Bundesländer für die Hochschulen versprechen

12 von 16 für Hochschulen zuständige Landesministerien, von Schleswig-Holstein bis Bayern, haben watson auf die Fragen zum kommenden Wintersemester geantwortet. Nur aus Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt erhielten wir keine Angaben.

Die Aussagen der übrigen Landesregierungen klingen vorsichtig bis sehr optimistisch. Das Ziel, im Wintersemester zum Präsenzunterricht zurückzukehren, sprechen alle aus.

Das in Brandenburg zuständige Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur teilt watson mit, es gehe "davon aus, dass das kommende Wintersemester überwiegend in Präsenz wird stattfinden können". Aus Hamburg heißt es, die Behörde für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke und die Hochschulen planten unter der Agenda "Lehre in voller Präsenz".

In Berlin teilen die Senatskanzlei Wissenschaft und Forschung und die Rektoren und Präsidenten der Hochschulen mit, man bereite sich in der Hauptstadt auf "ein Wintersemester mit Lehre und Studium vor, das zum überwiegenden Teil wieder in Präsenz stattfinden soll."

Das Ministerium für Kultur und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen teilt mit, Landesregierung und Hochschulen seien "zuversichtlich, dass spätestens mit dem Beginn des Wintersemesters Präsenzveranstaltungen an den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen wieder zur Regel werden können."

Der bayerische Wissenschaftsminister Bernd Sibler im Landtag in München.
Der bayerische Wissenschaftsminister Bernd Sibler im Landtag in München. bild: imago images/rolf poss

Aus Bremen heißt es von der zuständigen Senatorin Claudia Schilling (SPD), das Bundesland setze "für das kommende Wintersemester auf Präsenzveranstaltungen an seinen Hochschulen." Und der bayerische Wissenschaftsminister Bernd Sibler (CSU) teilt gegenüber watson mit: "Präsenz wieder als Regel, nicht mehr als Ausnahme – das ist mein Ziel." Sibler bitte, so teilt es das Ministerium mit, "die Studierenden an bayerischen Hochschulen, sich wieder auf einen Aufenthalt am Studienstandort einzustellen."

Das saarländische Wissenschaftsressort antwortet watson, die Präsenzlehre solle an den Hochschulen im kleinsten Flächenland "wieder zum Regelfall werden". Aus Schleswig-Holstein kommt die Ankündigung der CDU-Ministerin Karin Prien, das Wintersemester solle "wieder mit Präsenzveranstaltungen gestaltet werden".

Optimistisch, wenn auch etwas vorsichtiger, klingt die Ankündigung aus Niedersachsen: Man plane "eine möglichst weitgehende Rückkehr zum Präsenzunterricht", heißt es gegenüber watson.

Aus Thüringen kommt eine Ansage, die wie ein Versprechen gegenüber Studierenden klingt:

"Das Wissenschaftsministerium und die Hochschulen halten ein viertes digitales Semester für die Studierenden für nicht zumutbar."

Man strebe deshalb einen "möglichst hohen Anteil an Präsenzlehre an".

In Hessen, meint das Ministerium für Wissenschaft und Kunst, entwickle man gerade eine Öffnungsstrategie, mit der "Präsenzlehre wieder zum Regelfall wird". "Soviel Normalität im Hochschulleben wie möglich und verantwortbar" sei hierbei das Motto.

Studium aus der Ferne: Studierende verfolgen im Dezember 2020 in Dortmund eine Video-Vorlesung in einem gesonderten Zelt.
Studium aus der Ferne: Studierende verfolgen im Dezember 2020 in Dortmund eine Video-Vorlesung in einem gesonderten Zelt. bild: imago/olaf döring

Aus Rheinland-Pfalz heißt es, die Hochschulen bereiteten "wieder mehr Lehrformate in Präsenz vor." Und das Wissenschaftsministerium in Sachsen meint gegenüber watson: "Es muss das Ziel sein, dass die Hochschulen ab dem Wintersemester wieder weitestgehend öffnen können."

Wie die Hochschulen sicheren Präsenzunterricht ermöglichen wollen

Alle 13 Landesministerien verweisen in ihren Antworten auf die Fragen von watson auf die wachsende Zahl geimpfter Studierender, die eine sichere Rückkehr zum Präsenzunterricht trotz aktuell steigender Infektionszahlen ermöglichen soll.​

In Berlin, Bremen, Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Thüringen weisen die zuständigen Landesministerien außerdem schon jetzt darauf hin, dass an den Präsenzveranstaltungen nur geimpfte, von Covid-19 genesene oder aktuell getestete Studierende mit einem entsprechenden Nachweis teilnehmen können werden.

Pandemie-Normalität: Ein Physik-Dozent bei der Aufnahme einer Online-Vorlesung.
Pandemie-Normalität: Ein Physik-Dozent bei der Aufnahme einer Online-Vorlesung. bild: imago / ralf döring

In Bayern, Brandenburg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen gab oder gibt es laut den zuständigen Landesministerien außerdem spezielle Impfaktionen für Studierende. In Niedersachsen werden die Studierenden laut Wissenschaftsministerium "aufgerufen, sich impfen zu lassen" und die Hochschulen "gebeten, die Impfung zu unterstützen". In Berlin, wo die Priorisierung in Arztpraxen und Impfzentren Anfang Juni gefallen ist und Impfungen auch ohne vorherigen Termin möglich sind, appelliert der Regierende Bürgermeister Michael Müller an die Studierenden, "eine der vielen Möglichkeiten in unserer Stadt" zu nutzen.

Für die Hochschulen in Deutschland sind, wie erwähnt, überwiegend die Bundesländer zuständig.

Das von CDU-Politikerin Anja Karliczek geleitete Bundesforschungsministerium (BMBF) will sich daher "auf den Fortschritt der Impfkampagne auch für Studierende" konzentrieren – zusammen mit dem Bundesgesundheitsministerium.

Was das konkret heißt? Das BMBF verweist gegenüber watson auf ein "gemeinsames Schreiben" beider Ministerien und die Hochschulrektorenkonferenz und das Deutsche Studentenwerk. Darin habe man "für eine Verstärkung der Anstrengungen der Hochschulen unter dem Motto 'Impfen für mehr Präsenz' geworben"

Was Hochschulpolitiker der Opposition fordern

Karliczek steht für den Umgang mit der Corona-Krise seit Monaten in der Kritik. Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, hätte von ihr mehr Unterstützung für die Studierenden erwartet. Gegenüber watson meint er:

"Drei Millionen Studierende im mittlerweile dritten Onlinesemester fühlen sich alleingelassen und stehen immer stärker unter Druck. Ministerin Karliczek hat Studierende im Stich gelassen, keine wirksame Hilfe und keine verlässlichen Perspektiven für sie bereitgestellt."
Kai Gehring in der 234. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgeb�ude. Berlin, 11.06.2021 *** Kai Gehring in the 234 session of the German Bundestag in the Reichstag building Berlin, 11 06 20 ...
Kai Gehring, hochschulpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag. Bild: imago images / Sebastian Gabsch

Ähnlich kritisch äußert sich Jens Brandenburg, der Hochschul-Experte der FDP-Fraktion. Er erklärt gegenüber watson:

"Es rächt sich, dass die Bundesregierung die Lebensrealität der drei Millionen Studierenden in der Krise so lange ignoriert hat. Das Recht auf Bildung gilt nicht nur an Schulen."

Grünen-Politiker Gehring wünscht sich für das kommende Wintersemester, dass "ein generelles Zurück zur Präsenz wieder möglich wird". Es sei deshalb "allerhöchste Zeit, dass nun vordringlich Studierende geimpft werden", meint Gehring und ergänzt: "Impfstrategie und Impftempo für Studierende sind eine Garantie, aus dem digitalen Modus schnell und sicher herauszukommen, denn ein Studium ist mehr als Online-Lernen."

Auch sein FDP-Kollege Brandenburg fordert, die Präsenzlehre müsse "wieder zum flächendeckenden Regelfall an deutschen Hochschulen werden."

Jens Brandenburg (FDP) bei einer Rede im Bundestag.
Jens Brandenburg (FDP) bei einer Rede im Bundestag. bild: imago / future image

Brandenburg verweist ebenfalls auf die Impfungen als wichtigstes Mittel, um zum Unterricht an den Hochschulen zurückzukehren. Er erklärt:

"Es gibt keinen Grund für ein weiteres Onlinesemester. Viele Impfdosen bleiben inzwischen ungenutzt. Noch ist genug Zeit, alle Studierenden bis zum Vorlesungsbeginn im Oktober vollständig zu impfen. Wenn alle geimpft, genesen oder negativ getestet sind, kann ein Seminar auch ohne übertriebene Abstandsregeln wieder stattfinden. Die Hochschulen sollten ihre Studierenden jetzt gezielt ansprechen und für die Impfung werben."

Brandenburg fordert aber auch, digitale Formate dort weiter zu ermöglichen, wo sie sinnvoll sind. "Wo sich Onlineformate bewährt haben, hat der überfüllte Hörsaal keinen Mehrwert", meint er. Es komme "auf die Qualität der Lehre und eine intelligente Kombination digitaler und analoger Elemente an."

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