Mit einer Großdemo am Mittwoch und einem Brandbrief an die Ministerpräsidenten sowie Kanzlerin Merkel versucht die Gastro-Branche, auf sich aufmerksam zu machen.Bild: www.imago-images.de / Ralph Peters
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Ein neuer Lockdown light kommt: Bund und Länder haben am Mittwoch ein umfangreiches Maßnahmenpaket beschlossen, um die dramatischen Corona-Zahlen in den Griff zu bekommen. Die bundesweiten Maßnahmen sollen am Montag in Kraft treten und bis Ende November gelten.
Vor allem die gebeutelte Gastronomie-Branche trifft es hart. Denn die Beschlüsse sehen vor: Restaurants, Bars, Klubs, Diskotheken und Kneipen werden geschlossen. Erlaubt bleibt nur die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause.
"Ein erneuter Lockdown, wenn auch 'light', ist für die gesamte Gastronomie sehr fatal", sagt Verena Mau, Betreiberin des Hotels und Restaurants Rosendomizil Hofgarten in Malchow, Mecklenburg-Vorpommern, gegenüber watson.
Die Ausmaße des ersten Lockdowns seien noch nicht überwunden, ein weiterer fühle sich an wie eine Strafe, findet Mau:
"Wir halten uns an sämtliche Auflagen und werden nun dennoch bestraft? Das kann nicht sein."
Der erneute Lockdown könnte das endgültige Aus für viele Lieblingskneipen bedeuten. Dabei hatte die Branche noch am Mittwoch mit einer Großdemo genau dagegen angekämpft – und sogar einen Brandbrief an die Ministerpräsidenten sowie Kanzlerin Merkel geschrieben.
Für die Demonstration in Berlin hatte sich der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA) mit Vertretern der Veranstaltungs- und Tourismuswirtschaft zusammengeschlossen. Gemeinsam forderten sie mehr Augenmaß bei den Regelungen, weniger unnötige Belastungen durch Vorschriften und mehr finanzielle Unterstützung für die Betriebe.
"Dramatische Einzelschicksale"
"Die Not ist groß", sagt DEHOGA-Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges gegenüber watson, "viele Gastronomen, Hoteliers, Veranstalter und Eventcaterer sind existenziell bedroht." Für den Verband sei klar, dass es im Falle erneuter Schließungen von Läden Entschädigungen für die betroffenen Unternehmen geben müsse. Eine Klage gegen etwaige Lockdown-Maßnahmen sei hingegen äußerst aufwendig, sagt Hartges, da man einzeln gegen alle 16 Verordnungen der Bundesländer vorgehen müsste.
"Hinter den nüchternen Zahlen stehen dramatische Einzelschicksale, Corona kennt kein klein oder groß", erklärt die Hauptgeschäftsführerin. Das Beherbergungsverbot Mitte Oktober sei "ohne Not" beschlossen worden und habe dazu geführt, dass Betriebe, die im Sommer "eigentlich gerade Zuversicht getankt hatten, die Pandemie durchstehen zu können", jetzt wieder zu kämpfen hätten. Auch, weil viele Vermieter Pachtzahlungen nicht stunden würden. So müssten etliche Betriebe, beispielsweise in Innenstadtlagen, weiter extrem hohe Mieten zahlen, obwohl die Kundschaft ausbleibe. "Hier muss der Gesetzgeber eingreifen und für klare Verhältnisse sorgen", sagt Hartges.
In einem Brandbrief, der watson vorliegt, hatte sich die Branche an die Ministerpräsidenten und Kanzlerin Angela Merkel gewandt. Unterzeichnet wurde das Schreiben unter anderem von Starkoch Tim Mälzer und Clarissa Käfer vom berühmten "Käfer"-Restaurant in München.
Im Brief schreiben die Gastronomen wörtlich:
- … ist unverhältnismäßig: In der aktuellen zweiten Welle der Corona-Pandemie war die Gastronomie nie ein Infektionsherd. Die Gastronomie steht unter strengen Auflagen, filtert die Luft und wird engmaschig kontrolliert. Infektionsherde sind in erster Linie private Zusammenkünfte ohne Hygienekonzept und Kontrollen.
- … verdrängt Menschen aus einem sicheren Umfeld: Die Schließung der Gastronomie wird dazu führen, dass sich die Menschen vermehrt im privaten Umfeld treffen – dem aktuellen Hotspot der Pandemie. Der Lockdown light verdrängt also Menschen aus der sicheren Gastronomie in stickige Partykeller, Wohnzimmer und Garagen mit dem Potenzial, Superspreading-Events zu erzeugen.
- … verstärkt die gefährliche Pandemie-Müdigkeit: Aktuell wird die Pandemie-Müdigkeit als die größte Gefahr gesehen. Unverständliche und willkürliche Maßnahmen verstärken diese Müdigkeit und führen zu Protesten sowie nachlassender Aufmerksamkeit.
- … führt zu einem Flickenteppich der Regelungen in Deutschland: Ein Lockdown light führt unmittelbar zu berechtigten Klagen der Gastronomen. Erste Gerichtsentscheidungen werden dann zwangsläufig zu einem Flickenteppich der Regelungen in Deutschland führen – wie auch schon beim Beherbergungsverbot. Dies ist genau das Gegenteil von dem, was die Bundesregierung aktuell erreichen möchte.
- … unterscheidet nicht zwischen verschiedenartigen Angeboten: Der Lockdown light ist undifferenziert und reine Symbolpolitik. Er unterscheidet nicht zwischen kontaktreicheren Betrieben wie Nachtclubs auf der einen Seite und auf der anderen Seite professioneller Systemgastronomie sowie klassischer Bediengastronomie mit sicheren Hygienekonzepten. Auch strenge Hygieneregeln bleiben vollkommen unberücksichtigt."
Auch die Unterzeichner des Briefs weisen darauf hin, dass viele Betriebe einen zweiten Lockdown nicht überleben werden. Zudem gebe die Gastronomie zahlreichen Menschen einzigartige Beschäftigungsmöglichkeiten: von der alleinerziehenden Mutter, die flexibel arbeiten könne, über den jungen Selbständigen, der seine Leidenschaft zum Beruf mache, bis zum Studenten, der sich sein Studium erkellnere. All das stünde nun auf dem Spiel.
(mse/jd)
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